Der Beschäftigte will nicht zum Betriebsarzt – was nun?

Bei Zweifeln an der ArbeitsUNFÄHIGkeit denken die meisten Arbeitgeber wohl sofort an die dreitägige Frist zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder an die Einholung eines Gutachtens des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK).


Was ist aber zu beachten bzw. zu tun, wenn ein Arbeitgeber Zweifel an der ArbeitsFÄHIGkeit bzw. Geeignetheit seiner Beschäftigten hat?

Grundsätzlich wünscht sich wohl jeder Arbeitgeber, dass seine Beschäftigten möglichst selten arbeitsunfähig erkrankt sind und ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitspflicht vollumfänglich nachkommen. Problematisch wird es aber dann, wenn der Arbeitgeber bezweifelt, dass ein Beschäftigter für seine konkrete Tätigkeit körperlich oder geistig noch geeignet ist. Bestehen diese Zweifel kann der Arbeitgeber in der Regel auch nicht mit Sicherheit ausschließen, dass der Beschäftigte sich selbst und/oder Arbeitskollegen nicht gefährdet. Erscheint der Beschäftigte dennoch zur Arbeit und tut kund, arbeiten zu können und zu wollen, steht der Arbeitgeber vor einem Problem: Der Zweifel kann in der Regel nur durch eine ärztliche Einschätzung ausgeräumt oder bestätigt werden. Liegt kein Fall einer gesetzlich vorgeschriebenen Eignungsuntersuchung vor, stellt sich für den Arbeitgeber die Frage, ob und wie er seinen Beschäftigten zur Durchführung einer (allgemeinen) betriebsärztlichen Eignungsuntersuchung verpflichten kann um den Zweifel auszuräumen. 

In solchen Sachverhalten treten meist zwei Konstellationen auf: Entweder verweigert sich der Beschäftigte der ärztlichen Untersuchung komplett oder der Beschäftigte lässt sich zwar untersuchen, entbindet den Betriebsarzt jedoch nicht von seiner Schweigepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Beide Sachverhalte sind nicht ohne weiteres aufzulösen, denn hier prallen zwei Interessen aufeinander: Das (grundrechtlich geschützte) allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Beschäftigten auf der einen Seite und das Informationsinteresse des Arbeitsgebers auf der anderen Seite.

Arbeitsrechtliche Verpflichtung des Beschäftigten zur Eignungsuntersuchung?

In einem bestehenden Arbeitsverhältnis darf der Arbeitgeber den Nachweis der gesundheitlichen Eignung i.d.R. nur verlangen, wenn die (regelmäßige) Erbringung dieses Nachweises gesetzlich vorgeschrieben ist (bspw. in § 48 der Fahrerlaubnisverordnung oder in § 10 der Druckluftverordnung) oder die Erbringung dieses Nachweises im Einzelfall aus anderen Gründen erforderlich ist. Sofern es keine gesetzlichen oder tarifvertraglichen Regelungen gibt, kann die Verpflichtung zur Teilnahme an einer Eignungsuntersuchung nur auf allgemeine zivilrechtliche Grundsätze gestützt werden. Einer dieser Grundsätze ist bspw. die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus § 618 BGB, sofern die Untersuchung zur Vermeidung von Sicherheitsrisiken am Arbeitsplatz erforderlich ist. Soll durch die Eignungsuntersuchung die Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten aufrechterhalten werden, kann als Rechtsgrundlage auch die allgemeine Treuepflicht des Beschäftigten aus den §§ 241 Abs. 2, 242 BGB herangezogen werden. Ein Beschäftigter hat danach das (berechtigte) Interesse des Arbeitgebers, welcher auf Informationen über Leistungsfähigkeit und Einsatztauglichkeit seiner Beschäftigten angewiesen sein kann, zu beachten. 

In beiden Fällen muss für die Anordnung zur Eignungsuntersuchung durch den Arbeitgeber im jeweiligen Einzelfall ein berechtigter Anlass vorliegen. Anhaltspunkte, die Anlass für den Zweifel an der Geeignetheit des Beschäftigten geben, können bspw. sein:

  • Eine längere, vorangegangene Arbeitsunfähigkeit,
  • gesetzliche Tätigkeits- oder Beschäftigungsverbote bei Krankheit oder Krankheitsverdacht,
  • die Existenz arbeitsmedizinischer Hinweise für die Unvereinbarkeit bestimmter Tätigkeiten mit einer gesundheitlichen Einschränkung des Arbeitnehmers,
  • das auffallende, nicht anderweitig erklärbare Abfallen der Arbeitsleistung,
  • das Auftreten von Arbeits- und/oder Beinaheunfällen.

Pflicht zur Offenlegung des Ergebnisses der Eignungsuntersuchung?

Lässt der Beschäftigte eine betriebsärztliche Eignungsuntersuchung durchführen, bedeutet dies nicht automatisch, dass der Arbeitgeber über das Ergebnis informiert werden muss. Der Betriebsarzt ist gem. § 203 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet, d.h. ohne Einwilligung des Beschäftigten fließen keine Informationen. Die Einwilligung ist nur in Fällen des sog. rechtfertigenden Notstands entbehrlich, wenn z.B. der Arzt Kenntnis davon erlangt, dass ein Patient durch rücksichtsloses Verhalten  eine  andere  Person  mit  der  Infektion  einer  schweren,  möglicherweise tödlichen Krankheit gefährdet.

Folgen der Weigerung 

Bei Weigerung eines Beschäftigten zur Durchführung der Eignungsuntersuchung bzw. bei fehlender Einwilligung in die Weitergabe des Untersuchungsergebnisses stellt sich für den Arbeitgeber die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten er nunmehr hat.

Beschäftigungsverbot 

Nach § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 darf ein Arbeitgeber Beschäftigte, die erkennbar nicht in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser (konkreten) Tätigkeit nicht beschäftigen. Der Arbeitgeber befindet sich also in der Situation, dass er den Beschäftigten – sollte sich sein Verdacht bzgl. der  Ungeeignetheit bewahrheiten – gar nicht für seine konkrete Tätigkeit einsetzen darf. Solange er den Verdacht mangels Mitwirkung des Beschäftigten nicht verifizieren kann, kann es sinnvoll sein, die jeweils zuständige Berufsgenossenschaft einzuschalten und diese um Bestätigung bitten, dass im konkreten Fall ein Beschäftigungsverbot auszusprechen ist. Die Einschätzung der Berufsgenossenschaft kann dem Arbeitgeber im Rahmen eines sich evtl. anschließenden Gerichtsverfahrens behilflich sein. Denn sollte sich der Arbeitgeber dafür entscheiden, den Beschäftigten nicht mehr für seine arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit einzusetzen, kann der Beschäftigte auf Beschäftigung klagen. 

Abmahnung und Kündigung

Weiterhin kommt auch der Ausspruch einer Abmahnung bzw. einer Kündigung in Betracht. In einem sich ggf. anschließenden (Kündigungsschutz-)Prozess wird in jedem Einzelfall geprüft, ob der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Anordnung einer betriebsärztlichen Eignungsuntersuchung hatte. Würde dieses bejaht werden, stellt die Weigerung des Beschäftigten eine Pflichtverletzung dar, welche die Abmahnung und Kündigung rechtfertigen könnte. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist bzgl. der Frage der Verpflichtung zur Duldung einer anlassbezogenen betriebsärztlichen Eignungsuntersuchung durch Beschäftigte nicht einheitlich. Es gibt Entscheidungen, nach denen die Kündigung des Beschäftigten aufgrund dessen Weigerung wirksam war; es gibt jedoch auch genau gegensätzliche Entscheidungen. 

Fazit

Mangels Vorliegen eindeutiger gesetzlicher Grundlagen und aufgrund der uneinheitlichen Rechtsprechung des BAG bewegen sich Arbeitgeber in einer rechtlichen Grauzone, wenn sie Zweifel an der Eignung haben und Beschäftigte daher zu einer betriebsärztlichen Eignungsuntersuchung verpflichten möchten. Bei Weigerung des Beschäftigten sollte (ggf. unter Beteiligung der Berufsgenossenschaft) daher immer einzelfallbezogen umfassend abgewogen werden, ob ein konkretes Beschäftigungsverbot, eine Abmahnung oder eine Kündigung ausgesprochen werden kann.