LSG Hessen: Bizepssehnenriss ist als Arbeitsunfall anzuerkennen
Urteil vom 18.08.2020, Az.: L 3 U 155/18
In dem vorstehenden Rechtsstreit zwischen einem Steinmetz und einer Berufsgenossenschaft hat das Landessozialgericht Hessen (LSG) u.a. entschieden, dass das überraschende Nachfassen an einem glatten, schwer zu fassenden 50 kg schweren Findling und die dadurch entstehende Krafteinwirkung geeignet sein können, einen Riss der körperfernen Bizepssehne herbeizuführen, der als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.
Relevanz: Das Urteil ist für alle Unternehmen und Beschäftigten von Interesse, die mit ihren Berufsgenossenschaften darüber streiten, was als sog. äußere Gewaltanwendung ausreichend für die Anerkennung als Arbeitsunfall ist.
Hintergrund: Ein selbstständiger Steinmetzmeister lieferte einem Kunden einen mehr als 50 kg schweren Findling aus. Als er den nassen und glatten Findling anhob, rutschte ihm dieser aus den Händen. Beim Nachfassen riss die körperferne Bizepssehne seines rechten Armes. Der Steinmetz brach daraufhin sofort seine Arbeit ab und wurde im Krankenhaus operiert.
Die Berufsgenossenschaft des Steinmetzes lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, da es nach ihrer Auffassung an einer äußeren Gewaltanwendung fehlte. Der Steinmetz erhob hiergegen Klage.
Nachdem der Steinmetz in der ersten Instanz unterlag, hat das LSG Hessen ihm in zweiter Instanz Recht gegeben und festgestellt, dass ein Arbeitsunfall vorlag und der Bizepssehnenriss einen hierdurch verursachten Gesundheitsschaden darstellt. Nach Auffassung des LSG sind Unfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Hierfür ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich, vielmehr genügen auch alltägliche Vorgänge wie beispielsweise ein Stolpern. Daher ist durch das überraschende Moment und die akute Kraft beim Nachfassen des Findlings durch den Steinmetz ein Unfallereignis anzunehmen. Aufgrund der zusätzlichen akuten Krafteinwirkung, die über eine bloße willentliche Kraftanstrengung hinausgehe, ist von einem geeigneten Unfallmechanismus auszugehen. Der Bizepssehnenriss wurde auch durch dieses Unfallereignis verursacht. Dies wurde auch dadurch bewiesen, dass ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten ergab, dass keine Hinweise für eine vorherige Verschleißerkrankung vorlagen.