Aktuelles Urteil: Pauschale Aufrechnungsverbote in Energielieferverträgen können unwirksam sein – und zwar auch dann, wenn sie gegenüber Unternehmen verwendet werden! Wichtig auch für alle von einer Versorgerinsolvenz betroffenen Unternehmen!
Pauschale Aufrechnungsverbote kommen in Energielieferverträgen fast ausnahmslos vor. Aber sind diese immer wirksam? Das OLG Brandenburg verneinte kürzlich die Wirksamkeit eines pauschalen Aufrechnungsverbotes – und zwar in einem Fall, in dem die Klausel gegenüber einem Unternehmen und nicht einem Verbraucher verwendet wurde. Gerade im Fall der Insolvenz von Versorgern könnte dies für Unternehmen deutliche Schadensreduzierungen ermöglichen.
Pauschale Aufrechnungsverbote sind bei Strom- oder Gaslieferverträgen mittlerweile geradezu Standardklauseln geworden. Gerade in Sachverhalten, in denen der Versorger Insolvenzantrag gestellt hat und zugleich ein solches pauschales Aufrechnungsverbot im Energieliefervertrag geregelt ist, spielt die Frage, ob dieses wirksam ist, eine wichtige Rolle für die betroffenen Energiekunden.
Das OLG Brandenburg hat in einem aktuellen Urteil (Brandenburgisches Oberlandesgericht (Urt. v. 11.11.2021 – 12 U 79/21) bestimmten pauschalen Aufrechnungsverboten jetzt eine Absage erteilt, und zwar ausdrücklich, obwohl die Klausel gegenüber einem Unternehmen und nicht gegenüber einem Verbraucher verwendet wurde. Aber Vorsicht: Diese Sichtweise wurde noch nicht höchstrichterlich bestätigt, sodass eine abweichende gerichtliche Bewertung auch in ähnlich gelagerten Fällen nicht ausgeschlossen ist.
Kurz zum Fall: Die Klägerin begehrte Zahlung offenen Werklohns für die Planung und Errichtung einer Trafostation, die Beklagte – ebenfalls ein Unternehmen – rechnete dagegen mit Schadensersatzansprüchen wegen verzögerter Leistungserbringung auf.
Die vertragliche Grundlage zwischen den Parteien enthielt ein Aufrechnungsverbot, welches ausnahmslos für sämtliche Gegenansprüche gelten sollte. Dieses war nach Auffassung des OLG zu pauschal und daher insgesamt unwirksam.
Das OLG führt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 07.04.2011 – VII ZR 209/07) aus, dass das pauschale Aufrechnungsverbot auch solche Ansprüche umfasse, die im sog. Synallagma (also: Gegenseitigkeitsverhältnis) stehen, und dieses daher die andere Vertragspartei nach § 307 ff. BGB unangemessen benachteilige. Dies gelte ausdrücklich auch unter gewerblichen Vertragsparteien.
Was bedeutet dies nun für die Aufrechnung mit Forderungen aus Strom- und Gaslieferverträgen?
Gerade in Fällen, in denen der Versorger Insolvenz angemeldet hat (wie bspw. im Fall der KEHAG Energiehandeln GmbH), haben Energiekunden teilweise Lieferungen aus 2021 noch nicht bezahlt, während im Jahr 2022 bereits ein Schaden durch den Neuabschluss eines teureren Vertrages entstanden ist (RGC berichtete hier und hier. Gleichzeitig sind in den Energielieferverträgen vielfach Aufrechnungsverbote enthalten, die nach AGB-Recht zu prüfen sind.
Betroffene Kunden sollten also vor einer Zahlung an den Versorger dringend die Wirksamkeit des Aufrechnungsverbotes prüfen. Gilt dieses ganz pauschal und damit auch für Forderungen im Gegenseitigkeitsverhältnis, können mit Blick auf o.g. Urteil des OLG Brandenburg gute Argumente dafür bestehen, dass das Aufrechnungsverbot insgesamt unwirksam ist. Sofern Sie Unterstützung bei derartigen Fragestellungen benötigen, sprechen Sie uns gern an.