BFH: Sind Stromsteuerentlastungen für Unternehmen in Schwierigkeiten eine unzulässige Beihilfe?

Urteil vom 19.01.2022, Az.: VII R 28/19

Mit Urteil vom 19. Januar 2022 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Unternehmen in Schwierigkeiten keine stromsteuerliche Entlastung gewährt werden kann.


Relevanz:

Der BFH befasst sich in seinem Urteil mit der Frage, ob das Hauptzollamt Anträge eines Unternehmens auf Stromsteuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG mit der Begründung ablehnen darf, dass es sich um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt, auch wenn aufgrund der Einbindung des Unternehmens in einen Konzern eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann.

Hintergrund:
Im konkreten Fall wies die Bilanz der Klägerin, bei der es sich um eine GmbH handelt, einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Die GmbH ist Teil eines Konzernverbunds, sodass trotzdem eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann. Die Klägerin beantragte für das Jahr 2016 beim Hautzollamt Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG. Das Hauptzollamt lehnte die Anträge ab, da es sich bei der GmbH um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handele und nach Maßgabe des unionsrechtlichen Beihilfenrechts die beantragten Entlastungen nicht gewährt werden dürfen.

Der BFH hat in seinem Urteil entschieden, dass Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG aufgrund der selektiven Wirkung staatliche Beihilfen darstellen und deshalb dem Durchführungsverbot nach Art. 108 Absatz 3 Satz 3 AEUV unterliegen.

Im Wesentlichen beschäftigte sich der BFH mit der Frage, ob ein Unternehmen auch dann in Schwierigkeiten im Sinne des Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) ist, obwohl aufgrund der Einbindung in einen Konzern eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann. Dazu traf der BFH zwei grundlegende Aussagen:

Die AGVO stellt in Art. 2 Nr. 18 Buchstabe a bei der Definition eines Unternehmens in Schwierigkeiten konkret auf die einzelne GmbH ab, die die Beihilfe beansprucht. Ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmen in einem Konzernverbund wird von diesem Unternehmensbegriff nicht umfasst.

Zudem kommt es nicht auf eine positive Fortführungsprognose an, da nach dem Wortlaut des Art. 2 Nr. 18 Buchstabe a AGVO eine solche Einschränkung nicht vorgesehen ist.

Autorin: Pia Weber