BGH: Empfänger der Realofferte eines Energieversorgers

Urteil vom 27. November 2019, Az.: VIII ZR 165/18

In dem vorstehenden Rechtsstreit zwischen einem Energielieferanten, der für die Grundversorgung eines bestimmten Gebietes zuständig ist, und dem Eigentümer eines Mehrparteienhauses hat der BGH entschieden, dass sich die in der Bereitstellung von Strom liegende Realofferte eines Versorgungsunternehmens regelmäßig nicht an den Hauseigentümer, sondern an den Mieter richtet, wenn der Stromverbrauch einer in einem Mehrparteienhaus gelegenen und vermieteten Wohnung über einen Zähler erfasst wird, der ausschließlich dieser Wohnung zugeordnet ist. Der Mieter nimmt dieses Angebot des Versorgungsunternehmens durch die Stromentnahme konkludent an.

Relevanz: Der Eigentümer eines Mehrparteienhauses ist gegenüber einem Strom-Grundversorger nicht zur Vergütung von geliefertem Strom verpflichtet, wenn der Strom von einem Zähler erfasst wurde, welcher einer vermieteten Wohneinheit zuzuordnen ist. Die neue höchstrichterliche Entscheidung bestätigt damit erneut, dass es für den konkludenten Vertragsschluss maßgeblich darauf ankommt an wen sich das in der Bereitstellung von Strom liegende Vertragsangebot nach dem objektiven Empfängerhorizont richtet. In Mehrparteienhäusern ist dies regelmäßig nicht der Eigentümer, sondern der Mieter der jeweiligen Wohneinheit, der den Strom auch tatsächlich entnimmt. Entscheidend hierbei ist, dass der Stromzähler einer einzelnen Wohneinheit zugewiesen ist und nur deren Stromverbrauch erfasst.

Hintergrund: Das klagende Grundversorgungsunternehmen begehrte von dem beklagten Hauseigentümer u.a. die Vergütung gelieferten Stroms. Der streitgegenständliche Stromverbrauch wurde über einen Zähler erfasst, die einer bestimmten Wohnung des Mehrparteienhauses zugeordnet war. Diese Wohnung war zwar an eine dritte Person vermietet, jedoch vertrat die Klägerin die Auffassung, dass es auf die tatsächliche Verfügungsgewalt über den „Netzanschluss“ im Sinne des § 5 der NAV ankäme und wem diese zustehe. Diese Auffassung ist der BGH mit seinem Urteil entgegengetreten und stellt klar, dass der „Übergabepunkt“ vom BGH nicht in diesem Sinne definiert werde. Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages sei vielmehr derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt, was auch ein Mieter oder Pächter sein kann, wenn ihm aufgrund des Miet- oder Pachtvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über die ihm überlassene Miet- oder Pachtsache eingeräumt ist. Das in § 2 Abs. 2 StromGVV genannte Elektrizitätsversorgungsnetz „der allgemeinen Versorgung“, auf das sich die Grundversorgungspflicht erstreckt, ende nicht am Hausanschluss, sondern sei nach § 3 Nr. 17 EnWG gerade ein solches, das für die Versorgung jedes Letztverbrauchers offen stehe.

Ein Stromlieferungsvertrag ist zwischen den Parteien folglich nicht geschlossen worden. Das konkludente Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Versorgungsvertrages richtete sich bei der gebotenen Auslegung aus Sicht eines verständigen Dritten in der Position des Empfängers an den Eigentümer des Mehrfamilienhauses, sondern an den Mieter der über einen eigenen Stromzähler verfügenden Wohnung.