BNetzA schränkt den Kundenanlagenstatus weiter ein – Ist bald jedes Mehrfamilienhaus ein Versorgungsnetz?

In ihrer Entscheidung vom 07.02.2019 (BK6-18-040)  hat sich die Bundesnetzagentur (BNetzA) erneut damit befasst, unter welchen Voraussetzungen Energieanlagen (noch) als Kundenanlage (§ 3 Nr. 24a EnWG) einzustufen sind und wann sie bereits als reguliertes Versorgungsnetz gelten. Dabei hat sie den Anwendungsbereich für Kundenanlagen gegenüber ihrer bisherigen und durchaus restriktiven Praxis noch einmal deutlich eingeschränkt (vgl. zur bisherigen Regulierungs- und Gerichtspraxis u.a. unsere Beiträge vom 26.02.2019  und 09.05.2018).

Gegenstand der aktuellen Bewertung war ein Neubaugebiet mit insgesamt 11 Gebäuden (Mehrfamilienhäuser und Seniorenpflegeheim mit insgesamt 143 Wohneinheiten und 50 Pflegezimmern). Das Baugebiet umfasst eine Fläche von etwas mehr als 15.000 qm (ca. 1,5 Fußballfelder). Über die Energieanlagen zur Stromversorgung des Neubaugebiets soll eine Energiemenge von ca. 450.000 kWh/Jahr verteilt werden. 
Bei der Frage, ob die Versorgungsinfrastruktur als (regulierungsfreie) Kundenanlage oder als (der Regulierung unterliegendes) Netz einzustufen ist, kommt es in § 3 Nr. 24a EnWG u.a. darauf an, ob sie als wettbewerbsrelevant einzustufen ist oder nicht. Hierfür werden im Rahmen einer Gesamtbetrachtung u.a. die Anzahl der Letztverbraucher, die Menge des durchgeleiteten Stroms sowie die Ausdehnung des Gebiets herangezogen. 
Mit der nun vorliegenden Entscheidung hat die BNetzA bereits bei einer Anzahl von 143 Letztverbrauchern, einer durchgeleiteten Energiemenge von 450.000 kWh/Jahr (!) und einer geografischen Ausdehnung über ca. 1,5 Fußballfeldern (!) eine Wettbewerbsrelevanz bejaht und den Kundenanlagenstatus für die Infrastruktur abgelehnt. Sie ist demnach als der Regulierung unterliegendes Energieversorgungsnetz zu betreiben. 
Auch wenn Energieanlagen immer einzelfallabhängig zu bewerten sind, ist zu erwarten, dass diese Schwellenwerte nunmehr bis auf weiteres von den Regulierungsbehörden bei der Kundenanlagenbewertung herangezogen werden. Ausgenommen von dieser Wettbewerbsbetrachtung sind lediglich die Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung (§ 3 Nr. 24b EnWG) mit über 90% (konzern-) eigener Versorgung. Offen ist weiterhin die Frage, ob der Zweck der Energieversorgung (Haushaltskundenversorgung vs. Industriekundenversorgung) die Heranziehung abweichender Schwellenwerte rechtfertigt. 
Würde man die von der BNetzA in dieser Entscheidung zugrunde gelegten Schwellenwerte allgemein übertragen, erhöhte sich die Anzahl regulierungspflichtiger Netze in Deutschland massiv. Nahezu jeder Gewerbe- und Industriepark dürfte die Schwellenwerte deutlich überschreiten. Auch größere Mehrfamilienhäuser, Kleingartenvereine, Campingplätze etc. unterlägen den Netzbetreiberpflichten. 
Besonderes Schmankerl: Da sie mutmaßlich nicht über die Voraussetzungen eines geschlossenen Verteilernetzes nach § 110 EnWG verfügen (oder zumindest keinen entsprechenden Antrag gestellt haben), unterliegen sie den vollen Regulierungspflichten eines Netzbetreibers der allgemeinen Versorgung (Teilnahme an der Anreizregulierung, Einhaltung spezieller technischer Vorgaben, Marktkommunikation etc.). Ein Betrieb ohne Netzbetriebsgenehmigung stellt zudem eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 100.000 Euro geahndet werden kann. 
Hoffnungsschimmer: Ein verbleibender Hoffnungsschimmer ist, dass derzeit drei obergerichtliche Verfahren, in denen es um die Abgrenzung der Kundenanlage vom Versorgungsnetz geht, beim BGH anhängig sind. Die höchstrichterliche Entscheidung steht also noch aus. 
Mit der aktuellen Rechtsprechung und Behördenpraxis sowie den praktischen Handlungsoptionen für Betreiber entsprechender Infrastrukturen befassen wir uns am 06.11.2019 in unserem Praxisworkshop „Kundenanlagen im Visier der Rechtsprechung“ , zu dem wir Sie herzlich einladen.