BVerfG: Windenergie-auf-See-Gesetz ist teilweise verfassungswidrig

Beschluss vom 30. Juni 2020, Az. 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17 Das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat entschieden, dass das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) teilweise verfassungswidrig ist, da es keinerlei Ausgleich für Planungs- und Untersuchungskosten von Vorhabenträgern vorsieht, deren nach früherem Recht begonnene Projekte infolge des Inkrafttretens des WindSeeG beendet wurden. Ein Ausgleich ist dann erforderlich, wenn die Unterlagen und Untersuchungsergebnisse für die nach neuem Recht vom Staat durchzuführenden „Voruntersuchungen“ weiter verwertet werden können.

Relevanz: Das Urteil ist für Unternehmen von Interesse, welche die Zulassung von Offshore-Windparks nach der vor Inkrafttreten des Windenergie-auf-See-Gesetzes geltenden Seeanlagenverordnung beantragt haben.

Hintergrund: Mehrere Unternehmen hatten in den Jahren 2008 nach der damals geltenden Seeanlagenverordnung die Zulassung von Offshore-Windparks in der völkerrechtlich durch das Seerechtsübereinkommen vorgeprägten ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee beantragt. Einem der Unternehmen wurde sogar eine Genehmigung nach der Seeanlagenverordnung erteilt. Die Unternehmen hatten auf Grundlage der Seeanlagenverordnung auf eigene Kosten Planungen und Untersuchungen durchgeführt (Basisaufnahme der Umwelt des Vorhabengebiets, Baugrundvoruntersuchung, Gutachten zur Umweltverträglichkeitsprüfung). Die Aufwendungen beliefen sich jeweils auf mehrere Millionen Euro. Keiner der beiden Projekte ist jedoch in Betrieb gegangen und es wurden keine Baumaßnahmen durchgeführt.

Zum 01.01.2017 wurde durch das WindSeeG die Anlagenzulassung in der ausschließlichen Wirtschaftszone grundlegend neu geregelt. Bis zum Inkrafttreten des WindSeeG erfolgte die Zulassung von Offshore-Windparks ohne förmliche planerische Grundlage und ohne systematische Koordination mit der Errichtung der Netzanbindung. Nach Inkrafttreten des WindSeeG hat eine staatliche Voruntersuchung von nunmehr in einem staatlichen Flächenentwicklungsplan festgelegten Flächen zu erfolgen. Mit Inkrafttreten des WindSeeG wurden laufende Planfeststellungsverfahren beendet, so dass die bereits erteilte Genehmigung des einen Unternehmens keine Wirkung mehr hatte. Die gesetzlich vorgesehenen Übergangsregelungen fanden auf die Projekte der Unternehmen keine Anwendung.

Mit einer Verfassungsbeschwerde wollten die Unternehmen daher die Verfassungswidrigkeit der Vorschriften des WindSeeG feststellen lassen. Das BVerfG hat festgestellt, dass das WindSeeG verfassungswidrig ist, soweit es keinerlei Ausgleich für Planungs- und Untersuchungskosten von Projektträgern vorsieht, deren nach altem Recht begonnene Projekte infolge des Inkrafttretens des Gesetzes beendet wurden. Nach Auffassung des BVerfG müsse den Unternehmen ein finanzieller Ausgleich für die notwendigen Kosten ihrer Planungen und Untersuchungen gewährt werden, sofern diese für die nunmehr staatliche Voruntersuchung der Flächen nach den Bestimmungen des WindSeeG weiter verwertet werden können. Die Weiterverwertbarkeit liegt dann vor, wenn für die betroffenen Flächen bis zum 31.12.2030 ein Zuschlag für die Errichtung eines Offshore-Windparks erfolgt. Hierzu muss der Gesetzgeber bis spätestens zum 30.06.2021 eine gesetzliche Grundlage schaffen.

Weitere ungerechtfertigte Verfassungsverstöße, insbesondere gegen das Eigentumsrecht, das Recht auf freie Berufsausübung oder den allgemeinen Gleichheitssatz sind nach Auffassung des BVerfG nicht gegeben.

Abschließend hat das BVerfG festgestellt, dass der festgestellte Verfassungsverstoß nicht zur Nichtigkeit des WindSeeG führt. Das WindSeeG gilt daher bis zu der geforderten Neuregelung weiter fort.