Compliance, Haftung und wirksame Delegation von Rechtspflichten im Energie-, Umwelt-, Arbeits- und Produktsicherheitsrecht

Jedes Unternehmen hat sich mit einer Vielzahl von rechtlichen Pflichten im Energie-, Umwelt-, Arbeits- und Produktsicherheitsrecht auseinanderzusetzen. Hierbei gilt es, Haftungsrisiken und den Verlust von Privilegien von vornherein zu vermeiden und im Ernstfall eine wirksame Delegation von Pflichten nachweisen zu können.

Bei der Vielzahl der Energie-, Umwelt-, Arbeits- und Produktsicherheitsrechtlichen Vorschriften sehen viele den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Dabei ist die Unternehmenscompliance in diesen Bereichen von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Die Compliance im Umwelt-, Arbeits- und Sicherheitsrecht ist wesentlich an der Vermeidung von zivil- und öffentlich-rechtlichen Haftungsfällen sowie Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ausgerichtet. Im Energierecht sollen durch die rechtskonforme und damit erfolgreiche Nutzung von gesetzlichen Privilegien wirtschaftliche Vorteile erzielt bzw. erhalten werden (z.B. Besondere Ausgleichsregelung, Eigenversorgung, individuelle Netzentgelte), die einen wesentlichen Standortfaktor darstellen. 

Darüber hinaus hat eine wirksame Unternehmenscompliance im Energie-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsrecht noch weitere Vorteile für Unternehmen. Im Arbeitssicherheitsrecht kann sich bspw. nachgewiesenermaßen ein positiver Effekt auf die Produktivität des Unternehmens ergeben: Gesunde Beschäftigte sind zufriedener; zufriedene Beschäftigte arbeiten motivierter. Im Umweltrecht und Energierecht wird Compliance mit den geltenden Rechtsvorschriften vielfach von ISO-zertifizierten Managementsystemen vorausgesetzt.

Die Rechtspflichten können sowohl das Unternehmen als juristische Person, dessen Vertreter (Vorstand, Geschäftsführung etc.) als auch die in dem Unternehmen tätigen Personen (Werksleiter, Abteilungsleiter, Beschäftigte etc.) treffen. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen adressieren bspw. zunächst die unmittelbar agierenden Personen, d.h. die handelnden oder andere anweisenden Beschäftigten, z.B. den Schichtleiter, der eine erforderliche Anweisung unterlässt. Im Regelfall ist darüber hinaus das Top-Management, z.B. Geschäftsführer, Vorstand, auch ohne unmittelbare Mitwirkungshandlung bei einem Rechtsverstoß für die Einhaltung von Pflichten des Unternehmens verantwortlich. 

Auch wenn das Top-Management bei Pflichtverstößen dem Grundsatz nach regelmäßig haftet, ist es in der Praxis selbstverständlich unmöglich, dass z.B. ein Geschäftsführer die Einhaltung jeglicher Rechtspflichten eines größeren Unternehmens prüft. Daher ist es unabdingbar, dass die Geschäftsführung die Organisation und Aufsicht über die Pflichterfüllung delegiert. Die Delegation einer Pflicht sollte grundsätzlich schrittweise erfolgen, das bedeutet, das Top Management delegiert regelmäßig auf Führungskräfte (z.B. Produktionsleiter, Werksleiter etc.). Diese wiederum können auf weitere Personen delegieren. Für eine wirksame Delegation muss die richtige Auswahl einer Person erfolgen, die in der Lage ist, die Erfüllung der jeweils delegierten Pflicht sicherzustellen. Vielfach wird zudem außer Acht gelassen, dass auch eine übermäßige Aufgabenhäufung bei einem Beschäftigten dazu führen kann, dass dieser die übertragenen Aufgaben aufgrund seiner fachlichen Eignung zwar ordnungsgemäß erledigen könnte, mangels zeitlicher Ressourcen jedoch faktisch daran gehindert ist und damit eine wirksame und die Geschäftsführung entlastende Delegation nicht nachgewiesen werden kann. 

Ist eine Pflicht delegiert worden, wandelt sich die Ausführungspflicht in eine Aufsichtspflicht des Delegierenden. Das bedeutet, es ist regelmäßig zu kontrollieren, ob der betreffende Beschäftigte den delegierten Pflichten auch sorgsam nachkommt. Ist dies nicht der Fall, muss der Delegierende handeln und für eine rechtskonforme Erfüllung der Pflicht sorgen, z.B. durch Weisung oder Übertragung auf einen anderen Verantwortlichen.

Darüber hinaus ist es – insbesondere für Audits und im Haftungsfall – wichtig, die ordnungsgemäße Delegation nachweisen zu können. Regelmäßig trägt der Delegierende bzw. die Geschäftsleitung hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Das bedeutet, er muss bspw. anhand von Aufzeichnungen und Dokumenten nachweisen können, dass die Kriterien für eine wirksame Delegation erfüllt sind.

Wie diese Pflichten in der Praxis umzusetzen sind, veranschaulichen wir in unserem Workshop „Compliance, Haftung und wirksame Delegation von Rechtspflichten im Energie-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsrecht“ für Geschäftsführer, Beauftragte und andere verantwortliche Personen am 27.11.2019 in Hannover. Für das Produktsicherheitsrecht unterstützt uns als Gastreferent Rechtsanwalt Philipp Reusch von der Kanzlei reuschlaw aus Berlin.