Eingriffe in EE-Eigenversorgungsanlagen ab 01.10.2021: Deutsches Redispatch-Regime vs. Europarecht
Die neuen Regelungen zu Redispatch, die in Deutschland ab dem 01.10.2021 gelten, könnten im Hinblick auf die Steuerung von EE-Eigenversorgungsanlagen gegen Europarecht verstoßen.
Zum 01.10.2021 tritt in Deutschland ein neues, geändertes Redispatch-Regime in Kraft (RGC berichtete).
Die Möglichkeit des Netzbetreibers zu steuernden Eingriffen in reine Eigenversorgungsanlagen waren bislang im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Dass sie dennoch möglich sind, wurde von der herrschenden Meinung zwar bejaht, aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit aber in der Praxis regelmäßig nicht gelebt.
Dies könnte sich jetzt ändern. Nach neuer Rechtslage ab 01.10.2021 ergibt sich ganz klar aus dem Gesetzeswortlaut, dass auch reine Eigenversorgungsanlagen (ggf. erst ab 100 kW), z.B. PV-Anlagen, BHKWs etc., geregelt werden dürfen: § 13a Abs. 1 S. 1 n.F. lautet künftig wie folgt:
„Betreiber von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung von elektrischer Energie mit einer Nennleistung ab 100 Kilowatt sowie von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung von elektrischer Energie, die durch einen Netzbetreiber jederzeit fernsteuerbar sind, sind verpflichtet, auf Aufforderung durch Betreiber von Übertragungsnetzen die Wirkleistungs- oder Blindleistungserzeugung oder den Wirkleistungsbezug anzupassen oder die Anpassung zu dulden.“
Der Gesetzgeber begründet die Ausdehnung der Steuerungsbefugnisse auf nicht in das Netz einspeisende Anlagen damit, dass die Wirkleistungsreduzierung physikalisch für die Engpassentlastung gleich wirksam sei und zu einer Reduzierung des Redispatch-Volumens und der Redispatch-Kosten beitragen könne (vgl. BT-Drs. 19/7375, S. 52, Gesetzesbegründung NABEG 2.0).
Einige Netzbetreiber verlangen daher jetzt die Einrichtung geeigneter Steuerungstechnik (soweit dies nicht ohnehin vom EEG bereits gefordert wird) und haben bereits deutlich gemacht, dass sie von dem Recht zur Steuerung auch Gebrauch machen werden.
Einschränkend dürfte hierbei jedoch zu berücksichtigen sein, dass nach dem neuen Redispatch-Regime bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung eines Eingriffs bei Eingriffen in Erneuerbare regelmäßig große Aufschläge zu machen sind, sodass das zumindest in Erneuerbare allgemein voraussichtlich auch zukünftig immer als letztes eingegriffen werden wird. Hierbei erfolgt allerdings keine Unterscheidung zwischen EE-Anlagen, die in das Netz einspeisen und EE-Anlagen zur Eigenversorgung.
Dies könnte allerdings den europarechtlichen Vorgaben widersprechen, die einen Eingriff in EE-Eigenversorgungsanlagen grds. nur als letztes Mittel erlauben wollen:
Seit dem 01.01.2020 gilt nämlich auch ein neues Redispatch-Recht auf europäischer Ebene. Nach der neuen Elektrizitätsbinnenmarktverordnung (EU) 2019/943 darf nicht in das Übertragungs- oder Verteilernetz eingespeiste, selbst erzeugte Elektrizität aus EE- oder KWK-Anlagen nicht Gegenstand eines Redispatch sein, es sei denn, es gäbe keine andere Möglichkeit zur Lösung von Netzsicherheitsproblemen, vgl. nach Art. 13 Abs. 6 lit. c) EU-EltVO:
„Nicht in das Übertragungs- oder Verteilernetz eingespeiste, selbst erzeugte Elektrizität aus Erzeugungseinrichtungen, in denen erneuerbare Energiequellen oder hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung genutzt werden, darf nicht Gegenstand von abwärts gerichtetem Redispatch sein, es sei denn, es gäbe keine andere Möglichkeit zur Lösung von Netzsicherheitsproblemen.“
Damit dürfte ein Widerspruch bestehen zwischen den Redispatch-Regelungen des EnWG und der vorrangigen EU-Verordnung, die unmittelbar auch in den Mitgliedsstaaten gilt. Sofern der EU-Verordnungsgeber nicht ausdrücklich einen solchen einräumt, hat der nationale Gesetzgeber zu den in einer Verordnung geregelten Fragen keinen Gestaltungsspielraum.
Wie ab dem 01.10.2021 mit diesem Widerspruch umgegangen wird, dürfte derzeit noch unklar sein. Denkbar ist, dass Netzbetreiber mit Blick auf die Rechtsunsicherheit nur zurückhaltend in Eigenversorgungsanlagen eingreifen, sicher ist dies jedoch nicht. Denkbar ist auch, dass der Gesetzgeber noch einmal nachsteuert oder die BNetzA die Anforderungen für die deutschen Netzbetreiber mit Blick auf die europäischen Vorgaben mit einer Festlegung konkretisiert. Die Betreiber betroffener Anlagen sollten daher das Geschehen aufmerksam beobachten.