Energieversorger insolvent? Zusammen ist man stärker! Und: Aufrechnen kann sich lohnen!

Die Insolvenz von Energieversorgern macht gerade nicht nur im Privatkundenbereich Schule, auch Industriekunden sind betroffen und tragen teilweise Schäden in Millionenhöhe davon. Wie Unternehmen jetzt handeln können, um den Schaden zumindest zu minimieren.

Am 28.12.2021 hat die KEHAG Energiehandel GmbH Insolvenz angemeldet (RGC berichtete). Viele, vor allem mittelständische Industriemandanten sind betroffen, denn aufgrund des vorzeitigen Endes ihrer bestehenden Lieferverträge mussten die Kunden sich in kürzester Zeit einen neuen Lieferanten suchen und hatten oft keinen Verhandlungsspielraum bei den aktuell hohen Preisforderungen. So ist das Entstehen eines erheblichen Schadens absehbar.

Wie wir bereits Ende letzten Jahres hier dargestellt haben, folgt daraus regelmäßig ein Schadensersatzanspruch des betroffenen Unternehmens in Höhe des durch den neuen, teuren Vertrag entstandenen Nachteils gegenüber dem insolventen Versorger. Diesen Schadensersatz zu realisieren ist aber gegenüber einem insolventen Versorger im Regelfall nicht so einfach: Denn laufende Klageverfahren werden ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens suspendiert. Wer geklagt hat, verliert in diesem Fall also die Verfahrenskosten, gewinnt aber oft: Nichts.

Aber was können von der KEHAG-Insolvenz (und anderen Versorger-Insolvenzen) betroffene Kunden sonst tun?

Ist der Insolvenzantrag einmal gestellt, stehen der sog. Gläubigerversammlung die Entscheidungen über wesentliche Schritte des Unternehmens zu. Dies gilt auch im besonderen Fall der sog. (hier noch vorläufigen) Eigenverwaltung, in der das Insolvenzverfahren der KEHAG geführt wird. Und in der Gläubigerversammlung gilt: Zusammen ist man stärker, denn das Stimmrecht ergibt sich (ähnlich wie in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft im Hinblick auf die gehaltenen Aktien) aus der Höhe der Forderung, die der jeweilige Gläubiger geltend macht. Schließen sich eine Vielzahl von Gläubigern mit nennenswerten Schadensersatzforderungen zusammen, können sie also die wesentlichen Entscheidungen des sog. Sachwalters und des von ihm beaufsichtigten Geschäftsführers maßgeblich beeinflussen.

Zusammen ist man stärker!

Gerade im Fall einer Versorgerinsolvenz sollten sich die Gläubiger daher frühzeitig zusammenschließen und auch den Sachwalter auf ihre Forderung aufmerksam machen. Denn dieser weiß oft gar nicht, wer einen größeren Schaden erlitten hat. Aber nur wenn dies bekannt ist, kann der betroffene Gläubiger seine Rechte auch in der Gläubigerversammlung geltend machen.

Und gerade im Fall eines Energieversorgers kann sich das durchaus lohnen: Je nach Einzelfall können nämlich noch erhebliche Einnahmen auch nach Insolvenzantrag erzielt werden. So können schon bereitgestellte Energiemengen unter Umständen jetzt noch am Energiemarkt zu Geld gemacht werden, zudem ist die Rückzahlung überzahlter Strompreisbestandteile, z.B. von der EEG-Umlage, seitens der Netzbetreiber denkbar. Dies alles kann sich positiv auf die Quote der Gläubiger auswirken.

Wer also von einer Versorgerinsolvenz, insbesondere dem aktuellen Fall der KEHAG, betroffen ist, sollte daher nicht den Kopf in den Sand stecken. Vielmehr sollten sich die betroffenen Unternehmen frühzeitig beim Sachwalter melden bzw. für eine effektive Geltendmachung ihrer Rechte zusammenschließen. Wir betreuen bereits einige betroffene Unternehmen, weitere Gläubiger können also von diesem Zusammenschluss profitieren. Wenn Sie ebenfalls Gläubiger in der KEHAG-Insolvenz sind, melden Sie sich und planen Sie mit uns die nächsten Schritte.

Aufrechnen mit eigenen Forderungen? Wann und Wie:

Daneben stellt sich zudem noch die Frage, wie sich Unternehmen verhalten sollten, die noch zu Zahlungen gegenüber dem insolventen Versorger verpflichtet sind, z.B. noch die Vergütung für bereits erfolgte Stromlieferungen schulden. Hier besteht ggf. die Möglichkeit, diese Beträge gegen eigene Forderungen, wie z.B. den o.g. Schadensersatzanspruch, aufzurechnen. Aber Vorsicht: Dies gilt nur für Forderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon bestanden haben. Fällig gewesen sein müssen diese nicht. Wir empfehlen Ihnen daher, nicht unüberlegt Zahlungen an den insolventen Versorger zu tätigen, sondern erst die Aufrechnungsmöglichkeiten im konkreten Fall zu prüfen. Hierbei unterstützen wir Sie ebenfalls gern!

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                       Yvonne Hanke