Neue Spielregeln bei der Bestimmung der Netzebene?

Gehören Anschlussleitungen zum Netzanschluss oder zum Netz?

Mit der Änderung von § 19 Abs. 3 StromNEV, die am 22. März 2019 wirksam wurde, hat der Verordnungsgeber das singuläre Netzentgelt für Spannungsebenen unterhalb Mittelspannung abgeschafft (RGC berichtete). Fragen wirft jedoch die Begründung der Verordnungsänderung auf (BT Drs. 13/19). Darin hält der Verordnungsgeber das Sonderentgelt nach § 19 Abs. 3 StromNEV für überflüssig, „soweit ein singulär genutztes Betriebsmittel ein Netzanschluss an die vorgelagerte Netzebene ist“.

Ausweislich der Verordnungsbegründung sei der Netzanschluss regulatorisch von dem Verteilernetz zu unterscheiden. Der Netzanschluss verbinde eine elektrische Anlage des Kunden mit dem örtlichen Verteilernetz. Der Netzanschluss werde nach § 6 NAV zwar vom Netzbetreiber hergestellt, sei aber nicht Bestandteil des Verteilernetzes, solange der Netzanschluss allein die Kundenanlage eines Anschlussnehmers mit dem Verteilernetz verbinde. Konsequenterweise geht der Verordnungsgeber deshalb davon aus, dass Netzentgelte der vorgelagerten Netzebene vereinbart werden könnten, wenn ein Betriebsmittel (die Anschlussleitung) singulär dem Anschluss einer Kundenanlage an eine dem Niederspannungsnetz vorgelagerte Netzebene diene und dieses Betriebsmittel als Netzanschluss errichtet und finanziert worden sei. Den „Umweg“ über § 19 Abs. 3 StromNEV bedürfte es in dieser Konstellation nicht.

Soweit ersichtlich haben Netzbetreiber – bis auf wenige Ausnahmen – bisher flächendeckend die Netzebene vom Netzanschlusspunkt abhängig gemacht und diesen Punkt wiederum anhand der Eigentumsgrenze bestimmt. Anders gewendet, war entscheidend, in wessen Eigentum die jeweiligen elektrischen Anlagen standen. Entsprechende Regelungen enthalten die meisten Netzanschlussverträge. Dies führte dann oft zu unbefriedigenden Ergebnissen, wenn der Letztverbraucher z.B. den Bau einer Anschlussleitung bis zur Ortsnetzstation oder zu einem Umspannwerk finanzierte, diese dann aber in das Eigentum des Netzbetreibers überging, der die Leitung seinem Netz zurechnete. Die Eigentumsgrenze verblieb dann quasi am Werkstor mit der Folge, dass weiterhin das Netzentgelt für die Netzebene anfiel, in der am Werkstor der Strom übergeben wurde.

Diese vielfach geübte Praxis der Netzbetreiber steht im Widerspruch zur Betrachtungsweise des Verordnungsgebers, wonach (singulär genutzte und finanzierte) Anschlussleitungen als Teil des Netzanschlusses und nicht des Verteilnetzes angesehen werden. Daher steht die Frage im Raum, ob Netzbetreiber weiterhin die Anschlussnetzebene schlicht anhand der Eigentumsgrenze bestimmen dürfen.

Hieran bestehen erhebliche Zweifel, weil es in der Verordnungsbegründung heißt, dass lediglich klargestellt werde, was seit Inkrafttreten der NAV gegolten habe. Dies unterstellt, hätten zahlreiche Letztverbraucher seit 2006 zu hohe Netzentgelte entrichtet, weil ihre Netzanschlüsse der falschen Netzebene zugeordnet wurden.

Netzbetreiber stützen sich demgegenüber darauf, dass der Netzanschluss Teil des Netzes sei. Aus der Kostentragung für die Herstellung des Netzanschlusses könnten – so die Auffassung der Netzbetreiber – keine Schlüsse über dessen regulatorische Einordnung gezogen werden.

Vor dem Hintergrund der üblichen Praxis von Netzbetreibern, größeren Stromverbrauchern in der Regel einen Netzanschluss nur über eine gesonderte und vom Anschlussnehmer finanzierte Anschlussleitung an die Ortsnetzstation oder das Umspannwerk zu gewähren, stellt die vom Verordnungsgeber beschriebene Einordnung der Netzanschlussebene jedoch eine gerechte Lösung dar. Denn die Kosten für die Errichtung, Unterhaltung und den Ausbau des Netzes werden über die Netznutzungsentgelte finanziert; individuelle Netzanschlüsse sind aber gerade kein Bestandteil des Netzes. Demnach ist der Netznutzer konsequenterweise nicht mit den Netznutzungsentgelten dieser Netzebene zu belasten.

Klarheit in dieser umstrittenen Frage wird aber letztlich wohl nur der Gesetzgeber oder eine obergerichtliche Entscheidung bringen können.