Neue Studie zur Versorgungshierarchie im Falle einer Gasmangellage
Die BNetzA hat die Ergebnisse der Studie „Gasverbrauch von Produktionsbereichen – Analyse von Wertschöpfungsketten“ veröffentlicht. Aus dieser Studie ergibt sich eine mögliche Versorgungshierarchie im Falle einer Gasmangellage.
Am 16.03.2023 hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Ergebnisse der Studie samt Begleitschreiben und FAQ auf ihrer Webseite veröffentlicht. Betrachtet wurde die Gasversorgung mit Schwerpunkt auf der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen. Andere Aspekte, z.B. die volk- und betriebswirtschaftlichen Kosten einer Gasbezugsreduktion, wurden nicht behandelt, sodass die Studie nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage für eine Versorgungshierarchie dienen kann. Im Fall einer akuten Gasmangellage würde vielmehr die BNetzA die Situation und die Schwere des Gasmangels bewerten müssen, um anhand dessen konkrete Maßnahmen einleiten zu können.
Nachdem die BNetzA sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu einer möglichen Versorgungshierarchie mit Blick auf die Gewährleistung der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen geäußert hat (RGC berichtete hier), liefert die Studie einen weiteren Anhaltspunkt dafür, wie sie im Falle einer akuten Gasmangellage verfahren könnte.
Die Studie definiert 78 auswertbare Produktionsbereiche und ordnet diese hierarchisch ein. Berücksichtigt wurde neben der Schutzwürdigkeit des Produktionsbereiches selbst auch die zugehörige Wertschöpfungskette. So wurden Bedeutungsgrad und Komplexität von Produktionsbereichen und Wertschöpfungsketten in Prozentzahlen ausgedrückt, um auch Bereiche zu erfassen, die zwar selbst nicht als schützenswert gelten, aber beispielsweise wichtige Vorleistungen für die schützenswerte Produktion erbringen.
Hieraus ergibt sich folgende Hierarchie:
1. Klaren Vorrang genießen private Haushalte und andere Gasbezieher im öffentlichen Netz, deren Gasverbrauch nach Standardlastprofilen (SLP) abgerechnet wird. Ebenfalls in diese Kategorie zählen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, sowie sicherheitsrelevante Dienste wie Polizei und Militär. Diese Kategorie soll stets gesichert mit Gas beliefert werden.
2. 36 der 78 ausgewerteten Produktionsbereiche sind „besonders schützenswert“, weil sie entweder besonders schützenswerte Güter und Dienstleistungen produzieren (Schutzwürdigkeit) oder wichtige Beiträge/Vorleistungen zu besonders schützenswerter Produktion leisten (Bedeutungsgrad), die nicht problemlos ersetzt werden können (Komplexität). Hierzu zählen beispielsweise die Energie- und die Nahrungsmittelversorgung sowie Dienstleistungen für „grundlegende gesellschaftliche Bedürfnisse“ (Bildung, Gesundheit, Sicherheit, etc.).
3. Die übrigen 42 Produktionsbereiche gelten als weniger schützenswert und wären daher im Falle einer Gasmangellage eher von Einschränkungen betroffen. Beispielhaft genannt seien hier die Bereiche Kunststoff, Bekleidung, Chemie und Elektronik.
Gegenwärtig befindet sich Deutschland nach wie vor in der Alarmstufe nach dem Notfallplan Gas, die seit dem 23.06.2022 gilt (RGC berichtete hier). Es ist zwar erhöhte Vorsicht geboten, allerdings wird davon ausgegangen, dass der freie Markt etwaige Gasengpässe noch selbst bewältigen kann. Erst in der Notfallstufe würden staatliche Eingriffe erfolgen. Die BNetzA könnte dann „nicht-marktbasierte Maßnahmen“ ergreifen, um die Gasversorgung besonders schützenswerter Verbraucher durch den Erlass von Allgemein- oder Individualverfügungen zu gewährleisten.
Autorin: Sandra Horn