OLG Dresden: Zur Unwirksamkeit von § 17 StromGVV entsprechenden AGB-Klauseln in Sonderkundenverträgen
Urteil vom 27. September 2019, Az.: 9 U 481/19
In dem vorstehenden Rechtsstreit zwischen dem Dachverband der Verbraucherzentralen der Länder sowie weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen und einem Stromlieferanten hat das OLG Dresden entschieden, dass eine Klausel, die inhaltlich dem § 17 der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) entspricht bei der Verwendung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Stromanbieters gegenüber Verbrauchern außerhalb der Grundversorgung gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt.
Relevanz: Das Urteil stärkt die Rechte der Verbraucher gegenüber den Energieversorgungsunternehmen. Da viele Versorger auch außerhalb der Grundversorgung den § 17 StromGVV in ihre Verträge einbeziehen, kommt diesem Urteil eine hohe Bedeutung zu.
Hintergrund: Zwischen den Parteien bestand Streit darüber, ob die Beklagte eine Klausel des nachfolgenden Inhalts, die sich wortgleich in § 17 StromGVV findet, für Kunden, die sich nicht in der Strom-Grundversorgung befinden, sondern sich ihren Stromversorger selbst gesucht und mit diesem einen Vertrag geschlossen haben, verwenden darf.
„Einwände gegen Rechnungen berechtigen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, sofern die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder sofern der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeiträum ist und der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt und so lange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion der Messeinrichtung festgestellt ist. Rechte des Kunden nach § 315 BGB bleiben unberührt.„
Das OLG Dresden hat in seinem Urteil klargestellt, dass eine Klausel, die nicht zum Nachteil des Kunden von der Formulierung in einer Grundversorgungsverordnung abweicht, gleichwohl in anderem Kontext eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs 1 Satz 1 BGB darstellen kann. Zwar hatte der BGH derartigen Klauseln in der Vergangenheit eine Leitbildfunktion beigemessen und daher in der Regel keine unangemessene Benachteiligung angenommen. Der BGH hat an dieser Rechtsprechung aber später selbst nicht mehr (und damit dem EuGH folgend) festgehalten (vgl. etwa BGH, Urt. v. 31. Juli 2013, Az.: VIII ZR 162/09).
Die vorliegende Klausel konnte einer vom OLG vorgenommenen Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 308, 309 BGB nicht Stand halten, denn sie weicht erheblich von der gesetzlichen Regelung ab. Diese Abweichung hätte zur Folge, dass die Beklagte ihre in Rechnung gestellte Forderung auch ohne die abschließende Klärung über deren materielle Berechtigung gerichtlich durchsetzen könnte. Die allgemeine gesetzliche Regelung sieht aber vor, dass die Rechnungsstellung als solche in einem Vertragsverhältnis keine Forderung begründet, und zwar auch dann nicht, wenn die Rechnung nicht den Anschein der Unrichtigkeit in sich trägt. Die Rechnung ist in vielen Vertragsarten Fälligkeitsvoraussetzung, begründet aber nicht selbst eine Forderung. Aus der Abweichung von den allgemeinen gesetzlichen Vorgaben durch die Verwendung der vorstehenden Klausel, folgte daher eine unangemessene Benachteiligung für den Kunden.