OLG Düsseldorf: „Briefmarkenentgelte“ für Gastransport durch Fernleitungsnetze zulässig
Entscheidung vom 16. September 2020 Az.: VI-3 Kart 750, 751, 753, 754, 758-761/19
In den vorstehenden Verfahren hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) die Beschwerden einiger Fernleitungsnetzbetreiber sowie eines Gaslieferanten gegen die Einführung einheitlicher sogenannter „Briefmarkenentgelte“ für den Gastransport durch die deutschen Fernleitungsnetze zurückgewiesen. Nach der Auffassung des OLG Düsseldorfs entspreche der Briefmarkentarif europarechtlichen Vorgaben und sei auch unter Beachtung der Besonderheiten der deutschen Fernleitungslandschaft nicht zu beanstanden.
Relevanz: Die Entscheidung ist für alle Gasfernleitungsbetreiber, Gaslieferanten und Unternehmen, die an ein Gas-Hochdruckfernleitungsnetz angeschlossen sind, relevant.
Hintergrund: Die Bundesnetzagentur hat am 29.03.2019 neue Vorgaben für die Preisbildung für Gasfernleitungsdienstleistungen erlassen. Durch diese Neuregelung gibt es nun einen von allen Fernleitungsnetzbetreibern zu erhebenden distanzunabhängigen einheitlichen „Briefmarkentarif“ als Referenzpreis für Ein- und Ausspeiseentgelte. Dieser Briefmarkentarif wird ermittelt, indem die zugestandenen Erlöse aus Fernleitungsdienstleistungen durch die prognostizierten Transportkapazitäten dividiert werden. Dies hat zur Folge, dass die Fernleitungsnetzbetreiber jährlich von ihren Erlösobergrenzen abweichende Summen erlösen und die Abweichungen zwischen der jeweiligen Erlösobergrenze und den auf Basis des Einheitstarifs erwirtschafteten Beträgen untereinander auszugleichen sind. Folge des einheitlichen Briefmarkentarifs ist, dass einige Fernleitungsnetzbetreiber ihre Entgelte erhöhen mussten, andere sie absenken konnten.
Vor Erlass der neuen Vorgaben haben Gasfernleitungsbetreiber die ihnen durch die Bundesnetzagentur zugestandenen Erlösobergrenzen in individuelle Entgelte umgesetzt und die Preisbildung basierte auf netzbetreiberindividuellen Kosten.
Gegen die Einführung der „Briefmarkenentgelte“ für den Gastransport durch die deutschen Fernleitungsnetze richteten sich die Beschwerden einiger Fernleitungsnetzbetreiber sowie eines Gaslieferanten. Sie sind der Auffassung, dass der systemübergreifende Transport von Gas über die Grenzen eines Marktgebiets hinweg zu Transitzwecken die Nutzung einer größer dimensionierten Netzinfrastruktur erfordere und mit geringen Stückkosten verbunden sei als die systeminterne Nutzung. Daher bilde ein einheitlicher, die realen Kostenstrukturen ausgleichender Briefmarkentarif die unterschiedlichen Kostenstrukturen nicht sachgerecht ab und sei nicht verursachungsgerecht. Dadurch würden die das Fernleitungsnetz systemübergreifend nutzenden Transportkunden die systemintern nutzenden Kunden subventionieren.
Dieser Argumentation hat sich das OLG Düsseldorf nicht angeschlossen und hat die Beschwerden zurückgewiesen. Da die Grundlage der Bepreisung in den deutschen Marktgebieten ein Entry-Exit-System sei, werden die Fernleitungsnetzentgelte unabhängig von konkreten Transportpfaden erhoben. Der Transport von Gas in einem Entry-Exit-System sei grundsätzlich eine einheitliche gaswirtschaftliche Leistung, die auf erheblichen Kooperationsleistungen der Fernleitungsnetzbetreiber beruhe. Die Wertung der Bundesnetzagentur, dass diese Leistung durch eine einheitliche Briefmarke sachgerecht bepreist werde, sei nicht zu beanstanden. Auch die Befürchtungen, dass die Nutzung des deutschen Fernleitungsnetzes zu Transitzwecken zukünftig wegen der Entgeltsteigerungen an Attraktivität verlieren werde, teilt das OLG Düsseldorf nicht.