OLG Schleswig: Werbung für „grünen Regionalstrom“, der direkt vom Anlagenbetreiber an den Verbraucher geliefert wird, ist irreführend
Urteil vom 3. September 2020, Az.: 6 U 16/19
In dem vorstehenden Rechtsstreit zwischen einem Verein zur Förderung lauteren Geschäftsverkehrs und einem Unternehmen, das Energielieferverträge mit Stromerzeugern aus erneuerbaren Energien vermittelt, hat das Oberlandesgericht Schleswig entschieden, dass eine Werbung für „grünen Regionalstrom […] direkt vom Anlagenbetreiber in deine Steckdose“ irreführend ist.
Relevanz: Das Urteil dient dem Schutze des Verbrauchers, der fälschlicherweise annehmen könnte, dass von ihm über einen speziellen „Grünstromliefervertrag“ bezogene Strom ausschließlich aus einer Windenergie/Biogas/Photovoltaikanlage o. ä. kommt. Denn wenn Grünstrom in der das allgemeine Stromnetz eingespeist wird, vermischt er sich dort mit Strom aus sämtlichen anderen Erzeugungsquellen. Der Verbrauch von Grünstrom durch den Kunden, der einen solchen Vertrag abschließt, erfolgt in diesem Falle nur bilanziell.
Hintergrund: Der klagende Verein hatte vom beklagten Vermittlungsunternehmen gefordert, bestimmte Werbeaussagen zu unterlassen, da sie nach Auffassung des Vereins wettbewerbswidrig sind. Hintergrund waren von der Beklagten u. a. verwendete Aussage, wonach „sauberer Strom aus der Nachbarschaft“ bzw. „grüner Regionalstrom“ geliefert werde. In diesem Zusammenhang war u. a. auch die folgende Aussage getätigt worden: „Ob aus Wind, Sonne oder Biomasse – wir vernetzen dich mit dem Strom, der in deiner Nähe erzeugt wird. Direkt vom Anlagenbetreiber in deine Steckdose. So bekommst du 100 % saubere Energie.“ Das OLG Schleswig gab der Klage statt und stellt fest, dass die Werbeaussagen irreführend seien, da der Eindruck erweckt werde, dass der gelieferte Strom unmittelbar und direkt aus der Anlage desjenigen Betreibers stammt, mit dem der Verbraucher den Energielieferungsvertrag abgeschlossen hat. Dieser Eindruck werde durch den weiteren Inhalt des Werbeauftritts unterstrichen. Das sei jedoch objektiv falsch, weil der Anlagenbetreiber den erzeugten Strom in das allgemeine Stromnetz einspeise und sich der Strom dort mit Strom aus anderen Quellen vermische. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich daher aus §§ 8 Abs. 1, 3 UWG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Das OLG hat ergänzend noch klargestellt, dass auch die Bezeichnung des Stroms als regional oder aus der Nachbarschaft stammend unzutreffend sei. Denn hierunter dürfe der Verbraucher solchen Strom verstehen, der tatsächlich aus Wind, Sonne oder Biomasse in einer Stromerzeugungsanlage in seiner Nähe gewonnen werde. Da die Werbung die räumliche Nähe und die Förderung des lokalen Wirtschaftskreislaufs in den Vordergrund stellt, sei der Begriff der Region eng zu verstehen. Entscheidend sei, ob die Anlage aus Sicht des verständigen Verbrauchers noch als Teil der lokalen Wirtschaft angesehen werden könne Das sei bei dem von der Beklagten vermittelten Strom nicht durchgehend der Fall, da sie auch Strom aus Anlagen in mehreren 100 Km Entfernung vermittle.