#RGCfragtnach: Interview mit Dr. Stefan Mecke von der Salzgitter AG zur Umstellung der kohlen-stoffbasierten Stahlproduktion auf Erdgas und Wasserstoff

In diesem #RGCfragtnach spricht Dr. Franziska Lietz mit Dr. Stefan Mecke von der Salzgitter AG zur Umstellung der kohlen-stoffbasierten Stahlproduktion auf Erdgas und Wasserstoff

Lietz: Liebe Mandanten, mein Name ist Franziska Lietz. Ich berate bei RGC unter anderem zur Stromspeicherung, Fragen von Wasserstoffherstellung und -einsatz sowie zu neuen Versorgungskonzepten. In diesem #RGCfragtnach spreche ich mit Dr. Stefan Mecke von der Abteilung Umweltschutz- und Energiepolitik der Salzgitter AG.

Das Unternehmen Salzgitter AG hat in den letzten Jahren gleich mehrere Projekte angestoßen, die sich mit dem Einsatz von Wasserstoff zur Reduktion des CO2-Ausstoßes in der Stahlindustrie beschäftigen. Das größte ist das Projekt „SALCOS“ über das ich heute mit Dr. Mecke sprechen möchte.

Guten Tag Herr Dr. Mecke. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit mir über das Projekt SALCOS und die aktuellen Herausforderungen zu sprechen. Könnten Sie zunächst skizzieren, in welcher Art und Weise eine Umstellung ihrer Produktion auf Wasserstoff erfolgen soll?

Mecke:
Kern des Projektes ist die Frage: „Wie kann unsere Stahlproduktion klimafreundlicher werden?“. Die Salzgitter AG ist ein europaweit führender Stahl- und Technologiekonzern. Wir betreiben unser integriertes Hüttenwerk in Salzgitter nahezu energieautark und schließen Materialkreisläufe, indem wir Reststoffe und Nebenprodukte wiederverwenden. Mittlerweile arbeiten wir sehr nah an den naturwissenschaftlich-verfahrenstechnischen Grenzen und gehören damit zu den weltweit effizientesten Stahlherstellern.

Dennoch fallen bei der Produktion in unserem Hüttenwerk in Salzgitter jährlich etwa acht Millionen Tonnen CO2 an, die zu den gegebenen technischen Bedingungen und mit den zur Verfügung stehenden Anlagen prozessbedingt unvermeidbar sind. Um unseren CO2-Ausstoß zu vermindern, wollen wir neue Wege erproben und innovative Verfahrenstechniken einsetzen.

Unsere Lösung ist grüner Wasserstoff: Unter dem Projektnamen SALCOS® (Salzgitter Low CO2 Steelmaking) entwickeln wir Lösungswege, wie wir gemeinsam mit Partnern Wasserstoff in unserer Produktion nutzen können, die CO2-Emissionen drastisch zu senken.

Das Konzept wird seit 2015 mit Partnern fortlaufend weiterentwickelt. Es umfasst die Wasserstoff-Erzeugung sowie die Umstellung der Stahlproduktion von Hochöfen auf die anfangs Erdgas- später Wasserstoff-basierte Direktreduktion mit anschließender Weiterverarbeitung in Elektrolichtbogenöfen. Bei einer vollständigen Umstellung auf Direktreduktionsanlagen ersetzt Wasserstoff den bisher zur Stahlherstellung benötigten Kohlenstoff komplett und die CO2-Emissionen sinken damit um über 95 %. Indem wir es uns zum Ziel setzen, CO2 nicht einzulagern oder aufwendig nutzbar zu machen, son-dern direkt zu vermeiden – von uns ist dafür das Akronym „Carbon Direct Avoidance“ gefunden wor-den – ist unser Konzept nachhaltig und beispielgebend für die Branche.

Lietz: Gibt es neben diesen technischen Herausforderungen auch rechtliche Problemstellungen, die noch überwunden werden müssen? Die Salzgitter AG nimmt ja bereits am europäischen Emissionshandel teil. Wird sich hier beispielsweise etwas verändern?  

Mecke: Nach bestehender Rechtslage gibt es im Emissionshandel für die Eisen- und Stahlerzeugung unterschiedliche Benchmarks für Produkte, die auf der Hochofen- oder auf der Elektrostahlroute her-gestellt werden. Diese unterscheiden sich in der Höhe der kostenfreien Zuteilung signifikant. Die gerade skizzierte SALCOS-Route würde in der Systematik des europäischen Emissionshandels Zertifikate im Wesentlichen nach dem Elektrostahl-Benchmark zugeteilt bekommen, obwohl die erzeugten Produkte Mengen von der Hochofenroute verdrängen würden. Somit geht vom Emissionshandel allein die notwendige Anreizwirkung für die von uns vorgestellte Technologie-Transformation nicht aus.    

Lietz: Wie gehen Sie diese Problemstellung derzeit an?

Mecke: Der inzwischen seit über 15 Jahren bestehende europäische Emissionshandel ist allein nicht hinreichend, um Technologiesprünge – wie den hier skizzierten Umbau von kohlenstoff- auf wasser-stoffbasierte Stahlherstellung – anzureizen. Das hat verschiedene Gründe. Es ist daher wichtig für die gesamte Stahlindustrie, dass Wege gefunden werden, wie die gesellschaftlich gewollte Transformation für die einzelnen Unternehmen auch wirtschaftlich realisierbar wird. Hierfür sind Anpassungen in den Rahmenbedingungen notwendig, die deutlich über den Emissionshandel hinaus gehen.

Lietz:
Darüber hinaus dürften sich noch eine Reihe von weiteren juristischen Fragen stellen. Die aktuelle Diskussion um die nationale Wasserstoffstrategie beschäftigt sich ausdrücklich mit der treibhausgasneutralen Erzeugung von Primärstahl als wichtigem Abnehmer von Wasserstoff. Hierfür ist eine kostengünstige Produktion von grünem Wasserstoff entscheidend. Quasi in letzter Sekunde wurden dazu in das EEG 2021 noch umfangreiche Regelungen für die Privilegierung der elektrolytischen Wasserstofferzeugung aufgenommen. Geregelt wurden zwei verschiedene Ansätze im EEG, nämlich die Begrenzung der EEG-Umlage bei Wasserstofferzeugung nach der Besonderen Aus-gleichsregelung sowie eine Vollbefreiung von KWKG- und EEG-Umlage für die Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff. Sehen Sie hier bereits Auswirkungen auf die Projekte der Salzgitter AG?

Mecke:
Nach meinem Eindruck dürfte die spezielle „Wasserstoff-BesAR“ für energieintensive und damit energiekostensensible Unternehmen eher eine untergeordnete Rolle spielen, da verbleibende 15% der EEG-Umlage mit derzeit etwa 1 ct/kWh gleichwohl noch fast in der Größenordnung der Stromgestehungskosten der international günstigsten PV-Großanlagen liegt. In die richtige Richtung zur Realisierung der Industrie-Transformation geht die Vollbefreiung. Hier dürfte für die Realisierung der notwendigen Investitionen entscheidend sein, dass die Akteure auch wirklich eine langfristige Planungssicherheit haben.

Lietz: Das sind wirklich sehr spannende Einsichten. Ich denke, es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass hier noch eine Vielzahl von weiteren Fragen aufkommen wird, deren Beantwortung ebenfalls Modellcharakter für eine Dekarbonisierung der Stahlindustrie haben könnte. Deswegen gehe ich davon aus, dass wir zu diesem Thema und vielleicht auch zu Ihren weiteren Wasserstoffprojekten bald noch mit einem weiteren Interview sprechen werden.   

Mecke:
Vielen Dank für das angenehme Gespräch und die Möglichkeit hier zu wichtigen aktuellen Entwicklungen im Energierecht Stellung nehmen zu können. Und ja, ich denke auch, dass an dieser Stelle noch viel passieren muss, passieren wird und auch zahlreiche weitere Rechtsfragen auftreten werden.