Wegweisendes Urteil zur Fernwärmeversorgung: Kündigung schlägt auf Dienstbarkeit durch!

Wegweisendes Urteil zur Fernwärmeversorgung: Kündigung schlägt auf Dienstbarkeit durch! Die Kündigung eines Wärmeversorgungsvertrags auf Grundlage des § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV führt zu einem Löschungsanspruch im Hinblick auf Dienstbarkeiten, die zur Absicherung einer Wärmebezugsverpflichtung in das Grundbuch eingetragen wurden. Dies hat das Landgericht Gießen am 21. September 2017 unter dem Aktenzeichen 5 O 305/16 entschieden.

Die von RGC vertretene Klägerin, eine gemeinnützige Stiftung, hatte im Jahr 2001 einen Gewerbehof erworben und damit Pflichten der Verkäuferin übernommen, vorhandene und neu zu errichtende Gebäude auf dem Gelände mittels der Fernwärmeversorgungseinrichtungen des Fernwärmeversorgers zu versorgen (Wärmebezugsverpflichtung). Die Klägerin übernahm damit auch eine zulasten des erworbenen Grundstücks bestehende beschränkt persönliche Dienstbarkeit, die ein Fernwärmeleitungsrecht zugunsten des Versorgers sowie ein Erzeugungs- und Bezugsverbot für die Klägerin beinhaltete.

Die Klägerin schloss im Jahr 2001 und im Jahr 2003 Fernwärmeversorgungsverträge für ihre Einrichtungen mit dem Versorgungsunternehmen ab, die jeweils eine 10jährige Laufzeit vorsahen und eine automatische Vertragsverlängerung um weitere 5 Jahre, wenn nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt anderweitige Vereinbarungen getroffen wurden.

Die Klägerin kündigte beide Verträge unter Berufung auf häufiger eintretende Störungen der Wärmeversorgung sowie auf unwirksame Laufzeitklauseln in den Verträgen. Darüber hinaus machte sie wegen der Kündigung die Löschung der zu ihren Lasten eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeit geltend.

Das Gericht bestätigte zwar nicht die außerordentlichen, fristlosen Kündigungen der Klägerin, da – auch unter Zugrundelegung der vorgetragenen Mängel – die Vertragsfortsetzung zumutbar sei. Der im Jahr 2003 abgeschlossene Vertrag ende jedoch automatisch im Dezember des Jahres 2017, weil der Vertrag nach der Erstlaufzeit von 10 Jahren nur eine einmalige Verlängerung um 5 Jahre vorsah und demnach regulär zum Dezember 2017 beendet werden könne. Bei dem im Jahr 2001 abgeschlossenen Vertrag stellte das Gericht die Unwirksamkeit der Laufzeitklausel ohne Kündigungsmöglichkeit fest. Die Vereinbarung einer Laufzeit von 10 Jahren, die sich – ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit – um 5 Jahre verlängere, solange nichts abweichendes vereinbart wird, verstoße gegen § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV, da faktisch eine 15jährige Laufzeit vereinbart worden sei. Wegen der Unwirksamkeit der Laufzeitklausel wendet das Gericht die AVBFernwärmeV an, so dass der Vertrag sich nach einer Erstlaufzeit von 10 Jahren automatisch um zweimal 5 Jahre verlängert habe, weil keine Kündigung unter Einhaltung der in der AVBFernwärmeV enthaltenen Kündigungsfrist von 9 Monaten erfolgt sei.

Die Kündigungen der Klägerin beendeten auch die in dem ursprünglichen Kaufvertrag eingegangene Wärmebezugsverpflichtung, da auch diese unter Verstoß gegen die Laufzeitvorgaben der AVB-FernwärmeV unwirksam sei. Die Beendigung der Wärmeversorgungsverträge und der Wärmebezugsverpflichtung hat nach Ansicht des Gerichts auch zur Folge, dass die beschränkt persönliche Dienstbarkeit zur Absicherung der Wärmebezugsverpflichtung zu löschen ist.

Die Entscheidung ist wegweisend, weil – nach unserem Kenntnisstand erstmalig – ein Gericht den Löschungsanspruch in Bezug auf die Dienstbarkeit bei ordentlicher Kündigung der Wärmeversorgung bestätigt, die dem Wärmekunden ermöglicht, sich zukünftig frei einen Wärmeanbieter auszuwählen. Zuvor hatte auch das OLG Düsseldorf in einem Hinweisbeschluss diese Auffassung vertreten, in dem Verfahren war es jedoch nicht zu einem Urteilsspruch gekommen.

Entsprechende Konstellationen, in denen Wärmeversorgungsverhältnisse dinglich über Dienstbarkeiten gesichert sind, finden sich noch häufig in Deutschland und verhindern nicht nur eine freie Anbieterwahl für den Wärmekunden, sondern auch die freie Wahl des Energieträgers, über den die Wärmeversorgung erfolgen soll. Auch Investitionen in moderne und effiziente Versorgungseinrichtungen werden so verhindert. Es ist daher zu begrüßen und höchste Zeit, dass die Gerichte diesen weiteren Schritt tun, um die nicht mehr zeitgemäßen monopolgeprägten Versorgungsstrukturen im Wärmemarkt aufzubrechen.

Da in dem geschilderten Fall Berufung eingelegt wurde, bleibt abzuwarten, wie das Oberlandesgericht den Fall beurteilen wird.