Wissenswertes zur EU-Chemikalienstrategie: Konkretisierungen für „inhärent sichere und nachhaltige Chemikalien“ werden 2022 erwartet

Als Teil des Green Deals war die EU-Chemikalienstrategie eines der relevanten Themen für Industrieunternehmen im letzten Jahr. Zeit für einen kurzen Rück- sowie Ausblick.

Über den europäischen Green Deal haben wir an dieser Stelle schon mehrfach berichtet. Dieser soll letztlich die Basis einer nachhaltigen EU schaffen sowie Klimaneutralität bis 2050. Neben vielen anderen Themen ist eine der Zielrichtungen des Green Deals auch die Herstellung von „Zero Pollution“. In diese Richtung zielte die erstmals Ende 2020 von der EU-Kommission veröffentlichte und im März 2021 vom Rat gebilligte Chemikalienstrategie (hier zur Pressemitteilung des Rates). Deren Inhalte sind relevant für alle Unternehmen, die mit Chemikalien umgehen bzw. diese herstellen oder vertreiben. U..a. stark betroffen sind demzufolge die Hersteller und Nutzer von Farben und Lacken, Kunststoffen sowie Pflanzenschutz- und Biozidprodukten.

Obwohl die EU u.a. mit den Regelwerken REACH und CLP vermutlich über das umfassendste Chemikalienrechtsregime der Welt verfügt, sieht die EU-Chemikalienstrategie deutliche Erweiterungen und Verschärfungen der bestehenden Pflichten vor. Grund hierfür ist einmal die stetig steigende Komplexität der Anforderungen, angetrieben durch Forschung und Innovationen. Die Kommission ist darüber hinaus der Ansicht, dass das EU-Chemikalienrecht erst durch die Vereinfachung und Konsolidierung des Rechtsrahmens ihr volles Potenzial entfalten könne. Nachfolgend wollen wir nur einige für die Industrie besonders bedeutsame Aspekte herausgreifen, zu denen in der näheren Zukunft voraussichtlich weitreichende Gesetzgebungsaktivitäten zu erwarten sind:

Ganz generell soll der europarechtliche Rahmen für Chemikalien vereinfacht und konsolidiert werden, vgl. Ziff. 2.3 des Strategiepapiers. Bewertungsverfahren für Stoffe sollen nach dem Motto „ein Stoff, eine Bewertung“ einfacher und transparenter werden. Es soll eine längst überfällige „kohärente Terminologie“, also vor allem die Vereinheitlichung von Definitionen, eingeführt werden, welche vor allem im Hinblick auf Nano-Materialien bislang Schwierigkeiten bereitete.

Als eines der wichtigsten Ziele formuliert die EU-Chemikalienstrategie „inhärent sichere und nachhaltige Chemikalien“ (Ziff. 2.1.1) und bezieht sich hierbei auf die „Safe-by-Design-“ und „Sustainable-by-Design“-Konzepte. Regulierungsinstrumente seien zu nutzen, um die Herstellung und Verwendung von sicheren und nachhaltigen Chemikalien voranzutreiben und zu belohnen. Besonders wichtig seien Anreize für die Industrie, Innovationen zu priorisieren, durch die bedenkliche Stoffe weitestgehend substituiert werden können. In diesem Zusammenhang plant die Kommission neben weiteren Maßnahmen die Erarbeitung von EU-Kriterien für inhärent sichere und nachhaltige Chemikalien, mit deren Veröffentlichung im Jahr 2022 gerechnet wird.

Ein weiterer Kernpunkt bezieht sich auf „sichere Produkte und schadstofffreie Werkstoffkreisläufe“, vgl. Ziff. 2.1.2. Hierbei werden vor allem Recyclingkreisläufe in den Blick genommen, bei denen Gefährdungen von Mensch und Umwelt vermieden werden sollen. Die Kommission plant insoweit die Minimierung der Präsenz bedenklicher Stoffe in Produkten durch die Einführung von neuen Anforderungen. Hierbei benennt sie ausdrücklich bestimmte Produktgruppen „mit dem höchsten Kreislaufpotenzial“, wie Textilien, Verpackungen, Möbel, Elektronik- und IKT-Geräte, Baustoffe und Gebäude.

Weitere geplante Maßnahmen sind:

Es sollen generell weitere Gefahrenklassen und Kennzeichnungspflichten in die CLP-Verordnung aufgenommen werden. Dies betrifft bspw. die Umwelttoxizität von Stoffen und die sog. endokrinen Disruptoren, also Stoffe, die zunehmend mit negativen Wechselwirkungen mit den hormonellen Prozessen von Menschen in Verbindung gebracht werden.

Zudem sollen im Rahmen von REACH sog. Kombinationseffekte von Chemikalien stärkere Berücksichtigung finden.

Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), die z.B. in Feuerlöschschäumen eingesetzt werden, sollen so weit wie möglich EU-weit verboten werden.

Unter dem Begriff „Null-Toleranz-Ansatz bei Nichteinhaltung“ kündigt die Kommission außerdem ein verschärftes Sanktions-Regime, welches u.a. die Möglichkeit des Widerrufs des REACH-Registrierungsdossiers vorsieht, für Verstöße an und hat dabei vor allem den Online-Handel sowie Import-Sachverhalte im Blick, vgl. Ziff. 2.3.2.


Polymere
, also Bausteine von Kunststoffen, die bislang – anders als Monomere – nicht registrierungspflichtig waren, sollen künftig einer REACH-Registrierungspflicht unterstellt werden.


Zuletzt betont die Kommission die
weltweite Vorreiter- und Vorbildrolle der EU im Chemikalienrecht und die daraus folgende Verantwortung, auch im Hinblick auf Forschung, Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit mit Drittländern.

Autorin: Dr. Franziska Lietz