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Kein Anspruch auf Preisgleitklausel!

Auftragnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Preisgleitklausel. Eine solche ist nur ausnahmsweise zuzugestehen, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der eine vernünftige kaufmännische Kalkulation zu einem Festpreis unzumutbar erscheinen lässt.

In dem von der Vergabekammer des Bundes entschiedenen Fall ging es konkret um die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Klebebändern. Die einen Nachprüfungsantrag stellende Bieterin rügte das Fehlen einer Preisgleitklausel als vergaberechtswidrig. In Anbetracht der aktuellen unsicheren gesamtwirtschaftlichen Situation in Europa, insbesondere im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine, sei es nicht rechtmäßig, eine Festpreiskalkulation von ihr zu erwarten.
Das Gericht folgte dieser Ansicht jedoch nicht. Die (welt-)wirtschaftlichen Entwicklungen seien nicht unvorhersehbar. Natürlich könne es sein, dass die Kosten der Antragstellerin zum Zeitpunkt der potentiellen Auftragsdurchführung höher seien, als zur Angebotsabgabe. Jedem Bieter stände es jedoch frei, diese Preissteigerung gleich in sein Angebot mit einzukalkulieren. Hierin sei keine Benachteiligung gegenüber anderen Bietern zu sehen. Vielmehr handele es sich um die unternehmerische Freiheit eines jeden einzelnen, ob er riskiere, einen Auftrag zu relativ niedrigen Festpreisen anzubieten, der schließlich aufgrund wirtschaftlicher Entwicklungen für ihn teurer werden könnte. Alternativ bestände für jeden die Möglichkeit, gleich ein höherpreisiges Angebot abzugeben, auch wenn damit das Risiko eingegangen würde, den Zuschlag als vermeintlich teurerer Bieter dann nicht zu bekommen.
Hier verweist die Vergabekammer darauf, dass es den Auftraggebern sogar erlaubt sei, den Bietern ein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden. Keine Preisgleitklausel anzubieten, sei damit absolut zulässig, zumal die Situation bei allen Bietern gleich wäre und die Angebotsbedingungen aus vergaberechtlicher Sicht damit vergleichbar blieben.

Anspruch auf Preisgleitklausel im Bausektor

Anderes gilt hingegen nach wie vor im Baubereich. Hier gilt bis voraussichtlich Ende Juni 2023 eine als Sonderregelung ausgestaltete Pflicht zur Gewährung von Preisanpassungen. In diesem Sektor wurden die Folgen des Ukrainekrieges, Störungen in Lieferketten und Preissteigerungen als derart stark eingestuft, dass durch die einheitliche Einführung von Preisgleitklauseln zumindest ein einheitlicher Umgang damit gewährleistet werden soll (wir berichteten).

Losentscheidung bei Preisgleichheit

Die unabhängig von der Preisgleitklauselthematik in demselben Verfahren außerdem zur Nachprüfung gestellte Praxis des Auftraggebers bei Preisgleichheit mittels Los zu entscheiden, wird ebenfalls für rechtmäßig gehalten. Abgesehen davon, dass die Situation aufgrund der so diversen Faktoren und Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses, die zur Preisbildung führten, recht selten vorkommen sollte, sei dies zulässig. Wenn als Zuschlagskriterium vergaberechtskonform allein der Preis festgelegt worden wäre, könne bei Preisgleichstand nicht erwartet werden, weitere Zuschlagskriterien einzuführen. In diesem Falle gewährleiste eine Entscheidung per Losentscheid größtmögliche Objektivität und Diskriminierungsfreiheit.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Bundesrat sieht Notwendigkeit der Anhebung von EU-Schwellenwerten

Nach Auffassung des Bundesrates sind die Schwellenwerte der Europäischen Union, ab deren Erreichen öffentliche Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, seit langem nahezu unverändert. Dies sieht er als nicht mehr zeitgemäß an und hat nun einen diesbezüglichen Beschluss gefasst, der die Bundesregierung zum Handeln auffordert.

Der derzeitige EU-Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen liegt bei 215.000 €, für Bauleistungen bei 5.382.000 € (jeweils Nettobeträge). Bei Leistungen ab dieser Größenordnung wird eine Binnenmarktrelevanz angenommen und der Auftrag muss zur Förderung des europäischen Wirtschaftsraumes und dessen Zusammenwachsen europaweit ausgeschrieben werden.

Die Schwellenwerte sind 1994 auf Basis der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse beschlossen und seitdem zwar alle zwei Jahre angepasst, aber nicht grundlegend geändert worden. Die Inflation und gestiegene Marktpreise führen dazu, dass heute Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, die 1994 noch nicht als binnenmarktrelevant angesehen wurden und – nach Ansicht des Bundesrates – wohl auch heute nicht notwendiger Weise so zu bewerten sind.

Problematisch sei aus Sicht des Bundesrates insbesondere der bürokratische Aufwand, der mit einer europaweiten Ausschreibung einhergehe. Sowohl für die Auftraggeber-, als auch für die Auftragnehmerseite entstünde ein enormer Verwaltungs- und Kostenaufwand und schnelle Investitionen würden erschwert. Gerade in der föderal organisierten Bundesrepublik sei die Möglichkeit konjunkturstützender schneller Investitionen jedoch von besonderer Bedeutung. Deshalb werde dringender Handlungsbedarf gesehen, die EU-Schwellenwerte an die zwischenzeitliche Preisentwicklung anzupassen.
Nach Vorstellung des Bundesrates sollte diese Anpassung anschließend unter dem Gesichtspunkt des Inflationsausgleichs jährlich überprüft werden. Die momentane zweijährliche Überprüfung, welche sich auf die Anpassung an Wechselkursentwicklungen beschränke, wird als nicht ausreichend angesehen.
In seinem Beschluss erwähnt der Bundesrat speziell die Vergabe von Planungsleistungen und freiberuflichen Leistungen. Hier läuft gerade ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten bzgl. der nationalen Vorgaben für die Auftragswertschätzung solcher Leistungen (wir berichteten). Sollte die aktuelle deutsche Sonderregelung danach keinen Bestand haben, müssten schon verhältnismäßig kleine Aufträge europaweit ausgeschrieben werden. Auf dieses Risiko und die damit verbundenen Gefahren wiesen zuletzt auch die Verbände der planenden Berufe und die kommunalen Spitzenverbände in einer gemeinsamen Resolution hin. Der Bundesrat regt daher die Einführung eines Sonderschwellenwertes für diesen Leistungsbereich an. Sollte dies nicht erreichbar sein, sollten solche Leistungen als soziale und andere besondere Dienstleistungen gemäß Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU eingestuft werden, so dass hierfür der erhöhte EU-Schwellenwert von 750.000 € gelten würde.
Da die EU-Schwellenwerte auf Verpflichtungen der EU durch das Internationale Beschaffungsübereinkommen, dem Government Procurement Agreement (GPA) beruhen, ist der Beschluss des Bundesrates lediglich eine Aufforderung an die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für die im Beschluss genannten Ziele einzusetzen. Er hat keine unmittelbaren (vergabe-)rechtlichen Konsequenzen.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Verbot von wettbewerbsverfälschenden Subventionen aus Drittstaaten

Erhalten Unternehmen, die sich an öffentlichen Vergabeverfahren beteiligen, mitgliedsstaatliche Subventionen, unterliegt dies einer strengen wettbewerbsrechtlichen Kontrolle durch die EU. Für Subventionen aus Staaten außerhalb der EU galt dies bislang nicht. Das ändert sich jetzt.

Das Ziel einer strengen Kontrolle von Subventionen an Bewerber bzw. Bieter in öffentlichen Vergabeverfahren ist die Verhinderung von Wettbewerbsverfälschung durch „künstlich“ verbilligte Preise. Diese Maßnahme ist jedoch wenig effektiv, wenn nicht auch Subventionen aus Drittstaaten ein Riegel vorgeschoben wird.
 Um die insoweit bislang bestehende Regelungslücke zu schließen, ist nun die Verordnung über wettbewerbsverfälschende Subventionen aus Drittstaaten (Verordnung (EU) 2022/2560) in Kraft getreten. Diese gibt der EU-Kommission drei Instrumente zur Prüfung finanzieller Zuwendungen durch Drittstaaten an die Hand. Sie betrifft konkret 1. Zusammenschlüsse, 2. Vergabeverfahren und gibt der Kommission 3. in allen anderen Marktsituationen die Möglichkeit einer Prüfung verdächtiger Vorgänge in Eigeninitiative.
Für Teilnehmer an öffentlichen Vergabeverfahren, welche Drittstaatenzuwendungen erhalten, heißt dies konkret:
Sie müssen ihre Teilnahme an dem Verfahren bei der Kommission anmelden, wenn:

  1. der geschätzte Auftragswert mindestens 250 Millionen Euro beträgt und
  2. sich die damit verbundene drittstaatliche Zuwendung auf mindestens 4 Millionen Euro pro Drittstaat beläuft.

Sodann wird ein Prüfverfahren durch die Kommission eingeleitet, während dessen Dauer dem betreffenden Bieter kein Zuschlag erteilt werden darf. Im Zuge des Prüfverfahrens kann die Kommission aus einer breiten Palette an Befugnissen wählen, um zu klären, ob die Subventionen den Binnenmarkt in negativer Weise verzerren.

So können Auskunftsverlangen an Unternehmen gestellt, umfangreiche Nachforschungen auch außerhalb der EU angestellt und Marktuntersuchungen durchgeführt werden. Für öffentliche Vergabeverfahren, die ab dem 12. Juli 2023 eingeleitet werden, können sich die Nachprüfungen auf alle drittstaatlichen Subventionen erstrecken, die in den drei vorausgegangenen Jahren gewährt wurden.
 Bei Feststellung einer Binnenmarktverzerrung kann die Kommission dann Abhilfemaßnahmen als Auflage aussprechen. Bei Verstoß gegen diese Auflagen können Bußgelder in Höhe von bis zu 10% des jährlichen Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens verhängt und die Vergabe an den Bieter untersagt werden.

Etwas Zeit haben die Marktteilnehmer noch, sich mit den neuen Regelungen vertraut zu machen. Die oben genannte Anmeldepflicht gilt erst ab dem 12. Oktober 2023.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Keine „zweite“ zweite Chance

Bei der Nachforderung von Unterlagen hat der Bieter nur einen Schuss. Eine zweite Nachreichung ist nicht zulässig.

Nach einer Entscheidung der Vergabekammer des Bundes aus dem Frühjahr 2022 darf ein Bieter, der sein Angebot bereits abgegeben hat, fehlende Unterlagen einmalig nachreichen, sofern der Auftraggeber ihn hierzu auffordert oder hätte auffordern müssen. Eine weitere, zweite Nachreichung von immer noch fehlenden Unterlagen ist dagegen nicht zulässig.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Auftraggeber schrieb europaweit die Vergabe von Putz- und Stuckarbeiten aus und forderte in seiner Bekanntmachung dazu auf, mindestens drei Referenzen über abgeschlossene Arbeiten gleicher Art vorzulegen, die in den vergangenen fünf Jahren erbracht worden sind. Das einzige Zuschlagskriterium war der Preis. Bei Öffnung der eingegangenen Angebote konnte ein Bieter den niedrigsten Preis für sich verbuchen. Dieser Bieter hatte jedoch keine Referenzen beigefügt. Auf Aufforderung des Auftraggebers hin legte der Bieter neun Referenzen vor. Nach der Entscheidung der Vergabekammer des Bundes war diese erstmalige Nachforderung sowie Nachreichung der Unterlagen zulässig. Jedoch erfüllte nur eine der Referenzen die Mindestanforderung, dass die darin beurteilte Arbeit nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. Auf einen entsprechenden Hinweis des Auftraggebers hin legte der Bieter sechs weitere Referenzen aus den vergangenen fünf Jahren vor. Diese wurden vom Auftraggeber jedoch nicht berücksichtigt, da er die Rechtsauffassung vertrat, dass eine zweite Nachreichung von Referenzen nicht zulässig sei. Die Vergabekammer des Bundes bestätigte diese Rechtsauffassung: Ein Bieter habe nach Abgabe des Angebots grundsätzlich nicht das Recht, Unterlagen nachzuschießen. Nur dann, wenn der Auftraggeber zur Nachforderung verpflichtet ist, könne der Bieter einmalig Unterlagen nachreichen. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Auftraggeber zur Nachreichung ausdrücklich auffordert oder der Bieter der Nachforderung zuvorkommt. Entscheidend sei alleine, dass der Auftraggeber zur Nachforderung verpflichtet ist. Die Vergabekammer des Bundes begründet dies mit den vergaberechtlichen Grundsätzen der Transparenz und der Gleichbehandlungen der Bieter.

Ob diese Rechtsprechung auch dann gilt, wenn ein Bieter sich bei der erstmaligen Nachreichung ausdrücklich vorbehält, noch weitere Unterlagen innerhalb der ihm gesetzten Frist vorzulegen, ist bisher nicht gerichtlich geklärt. In ihrer Entscheidung aus März 2022 hat sich die Vergabekammer hierzu jedenfalls nicht geäußert.

Aus der vorgestellten Entscheidung folgt für die Praxis, dass sich ein Bieter stets versichern sollte, ob er seinem Angebot alle einzureichenden Unterlagen beigefügt hat. Im Falle der Nachforderung von Unterlagen ist spätestens jetzt sicherzustellen, dass alle erforderlichen Unterlagen eingereicht werden. Eine „zweite“ zweite Chance steht dem Bieter nicht zu.

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Autor: Florian Bretzel

Maßnahmen für den fairen Wettbewerb im internationalen Beschaffungswesen

Mit dem Instrument zum internationalen Beschaffungswesen (International Procurement Instrument, IPI) werden der Europäischen Union (EU) zukünftig Handlungsmöglichkeiten eingeräumt, um ungleichen Wettbewerbsbedingungen auf den weltweiten Märkten entgegenzuwirken. So soll der Zugang zum Markt für öffentliche Aufträge außerhalb der EU für Unternehmen, die in der EU ansässig sind, verbessert werden.

Hintergrund

Der Markt für öffentliche Aufträge in der EU stellt einen der größten und zugänglichsten Märkte der Welt dar. Im Gegensatz hierzu wenden viele Drittstaaten Praktiken an, die den Zugang zu ihren Märkten im Hinblick auf das öffentliche Beschaffungswesen für ausländische Unternehmen beschränken. Betroffen sind insbesondere die wettbewerbsorientierten Branchen wie Bau, öffentlicher Verkehr oder Stromerzeugung. Im Jahr 2012 schlug die Kommission erstmals Maßnahmen in Form des IPI vor, um diskriminierenden Beschränkungen entgegenzuwirken. Nach der Änderung des Vorschlags im Jahr 2016 und Beteiligung der EU-Institutionen beschloss das Europäische Parlament im Juni 2022 schließlich die Verordnung, durch welche das IPI umgesetzt wird. Sie tritt am 29. August 2022 in Kraft.


Wie wirkt das IPI?

Mithilfe des IPI sollen diskriminierende Zugangsbeschränkungen durch Drittstaaten auf deren Märkten beseitigt werden, um den fairen Wettbewerb zu fördern. Hierfür stehen der EU zukünftig drei Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung: Zunächst kann die Europäische Kommission bei mutmaßlichen Beschränkungen für Waren oder Dienstleistungen aus der EU Untersuchungen einleiten. Ferner kann sie Konsultationen mit dem Drittstaat aufnehmen, ggf. auch Verhandlungen über ein internationales Übereinkommen. Das dritte und letzte Mittel des IPI sieht vor, dass die Kommission den Zugang zum EU-Markt für ausländische Unternehmen, die den Sitz in einem betroffenen Drittstaat haben, beschränken kann. Als Beschränkungen können entweder Anpassungen bei der Angebotsbewertung vorgenommen werden oder bestimmte Angebote ausgeschlossen werden. In der Praxis würden solche beschränkenden Maßnahmen dazu führen, dass für die betroffenen Angebote ein höherer – fiktiver – Preis veranschlagt werden würde, als der tatsächlich vorgelegte Angebotspreis. Dies würde den Bietern aus der EU auf den unionsweiten Märkten für öffentliche Aufträge einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Anwendungsbereich der IPI-Maßnahmen
Die Maßnahmen des IPI sollen jedoch nur dann zur Anwendung kommen, wenn der öffentliche Auftrag einen bestimmten Schwellenwert überschreitet. Laut Verordnung liegt der Schwellenwert bei Bauleistungen und Konzessionen bei 15 Mio. Euro netto sowie bei Waren und Dienstleistungen bei 5 Mio. Euro netto. Die Maßnahmen des IPI sollen ferner nicht zur Anwendung kommen, wenn die Aufträge auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung vergeben werden, bei deren Abschluss bereits eine IPI-Maßnahme zur Anwendung gekommen ist. Zudem dürfen keine Maßnahmen gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern erlassen werden, die Vertragspartei des WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) oder anderer bilateraler oder multilateraler Handelsabkommen, die Verpflichtungen hinsichtlich des Marktzugangs im Bereich der Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder Konzessionen enthalten, sind.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Transparenzpflicht gilt nicht für Bewertungsmethode

Ein öffentlicher Auftraggeber ist nach dem vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz verpflichtet, die bereits aufgestellten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung bei der Ausschreibung bekanntzugeben. Für die Bewertungsmethode gilt dies nach der Rechtsprechung jedoch nicht: Sie muss in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen nicht aufgeführt werden.

Der Vergabesenat des LG Frankfurt a.M. nutzte Mitte April 2022 die Gelegenheit, die Rechtsprechung zum Umfang der Transparenzpflicht zu bestätigen. In seinem Beschluss stellte er dar, dass die vergaberechtlichen Bestimmungen eine Pflicht zur Bekanntmachung der Zuschlagskriterien vorsehen. Deshalb müssen öffentliche Auftraggeber die Zuschlagskriterien in ihren Auftragsbekanntmachungen und Vergabeunterlagen aufführen. Da auch die Gewichtung der Kriterien zueinander von der Transparenzpflicht erfasst wird, muss er zudem alle Unter- oder Unterunterkriterien bekanntgeben. Dies soll sicherstellen, dass Bieter die beabsichtigte Gewichtung der Zuschlagskriterien erkennen können.

Anders liegt es aber bei der Bewertungsmethode. Sie ist nach Ansicht der Rechtsprechung nicht als Teil der Vergabeunterlagen bekannt zu machen, sondern kann noch im Laufe des Verfahrens bestimmt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die später festgelegte Bewertungsmethode die Zuschlagskriterien nicht im Nachhinein abändert und keine Diskriminierung zu befürchten ist. Zudem darf die Bewertungsmethode nichts enthalten, was die Vorbereitung des Angebots hätte beeinflussen können.

Hinter dieser Rechtsprechung steht das Ziel, es einem Bieter zu ermöglichen, sein Angebot so optimal wie möglich nach den Bedürfnissen des Auftraggebers gestalten zu können. Ein Bieter soll durch die Auftragsbekanntmachung und die Vergabeunterlagen erkennen können, auf welche Gesichtspunkte es dem Auftraggeber ankommt. Hierfür ist nach Ansicht der Gerichte jedoch nicht entscheidend, dass der Bieter von vorneherein weiß, wie sein Angebot bewertet wird: Er muss nicht wissen, welchen bestimmten Erfüllungsgrad sein Angebot auf der Grundlage der Zuschlagskriterien erreichen muss, um eine bestimmte Punktzahl eines Notensystems o.ä. zu erhalten. Dem Transparenzgebot wird genügt, solange der Bieter durch die ihm zur Verfügung stehenden Informationen ermitteln kann, welche Kriterien und Modalitäten der Auftraggeber zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigen wird.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gern zur Verfügung.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

„Europäische Lieferkette“ ist kein zulässiges Zuschlagskriterium

Ein öffentlicher Auftraggeber darf die Entscheidung, auf welches Angebot er den Zuschlag erteilt, nicht von dem Nachweis abhängig machen, dass die Produktion ausschließlich innerhalb der Europäischen Union sowie weiteren festgelegten Staaten stattfindet. Das OLG Düsseldorf hält ein solches Vorgehen für vergaberechtswidrig.

Zuschlagskriterien sind die Faktoren, die ein öffentlicher Auftraggeber für die Auftragsvergabe heranzieht und anhand derer er seine Vergabeentscheidung trifft. Neben dem Preis kann ein Auftraggeber auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigen. Bei der Wahl der Zuschlagskriterien ist der Auftraggeber jedoch nicht völlig frei: Die Kriterien müssen eine Verbindung mit dem Auftragsgegenstand aufweisen und dürfen im Übrigen nicht vergaberechtswidrig sein.

Das OLG Düsseldorf hält das Zuschlagskriterium „vollständig geschlossener EU-Lieferkette“ für vergaberechtswidrig und somit unzulässig. Ein öffentlicher Auftraggeber hatte in einer europaweiten Ausschreibung den Nachweis gefordert, dass das ausgeschriebene Produkt ausschließlich in Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder den Staaten, die das Abkommen „GAP“ unterzeichnet haben, hergestellt wird. Zu den Unterzeichnerstaaten dieses Abkommens zählen u.a. Ägypten, Chile, Guatemala und der Libanon.

Seine Entscheidung begründet das OLG Düsseldorf unter anderem damit, dass das gewählte Zuschlagskriterium gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verstoße. Denn grundsätzlich gelte in Vergabeverfahren das Verbot, Teilnehmer ungleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung sei nur dann zulässig, wenn diese gesetzlich ausdrücklich erlaubt werde. Nach derzeitiger Rechtslage gebe es keine Regelung, die eine Differenzierung nach dem Herkunftsstaat erlaube. Vielmehr sehe das Vergaberecht vor, dass sich jedes interessierte Unternehmen unabhängig etwaiger geographischer Begrenzungen an einem europaweiten Vergabeverfahren beteiligen könne.

Ferner sei das Lieferkettenkriterium kein geeignetes Mittel, um europäische Umwelt- oder Sozialstandards zu erreichen. Denn dies erschließe sich durch die geographische Differenzierung höchstens mittelbar. Außerdem sei das Lieferkettenkriterium auch kein sozialer Aspekt, der geeignet ist, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das OLG Düsseldorf befürchtet sogar, dass das Kriterium die Versorgungssicherheit durch mögliche Leistungsausfälle von Lieferanten gefährden könnte.

Darüber hinaus ist das OLG Düsseldorf der Ansicht, dass mildere Mittel existieren würden im Vergleich zur pauschalen Benachteiligung aller in Drittstaaten produzierenden Bietern. In Betracht käme zum Beispiel die Privilegierung von Bietern, die nahe am Versorgungsort lagern.

Hinzu kommt, dass das gewählte Zuschlagskriterium nicht objektiv sei. Eine Vergabe setze grundsätzlich jedoch voraus, dass objektive Kriterien verwendet werden. Zum einen soll dadurch verhindert werden, dass der Zuschlag willkürlich erteilt werden kann. Zum anderen soll eine wirksame, nachvollziehbare Überprüfung möglich sein, ob ein bestimmtes Angebot die Kriterien erfüllt. Das konkret verwendete Lieferkettenkriterium sei laut OLG Düsseldorf jedoch wegen der Heterogenität der einbezogenen Staaten (EU-Mitgliedstaaten sowie Unterzeichner des GAP-Abkommens) nicht objektiv. Es erschließe sich nicht, warum ein Unternehmen, das unter anderem im Libanon produziert, die Versorgung eher gewährleiste, als ein Unternehmen, das sein Produkt auch in Indien herstellt.

Für die Praxis ergibt sich aus dieser Entscheidung, dass die Politik bzw. der Gesetzgeber den Rahmen bestimmt, in dem sich der öffentliche Einkäufer zu bewegen hat. Erst wenn eine Regelung erlassen wird, die eine geographische Begrenzung von Unternehmen aus Drittstaaten zulässt, kann ein öffentlicher Auftraggeber hiervon durch die Wahl entsprechender Zuschlagskriterien Gebrauch machen. Solange dies nicht der Fall ist, empfiehlt es sich nicht, die Lieferkette als Zuschlagskriterium zu verwenden.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gern zur Verfügung.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Bundesregierung: Vergaberecht für Krisen- und Notsituationen reformieren

Als Reaktion auf die Corona-Pandemie und die Flutkatastrophe in Westdeutschland fordert das Bundeswirtschaftsministerium die EU-Kommission auf, das Vergaberecht zu reformieren, um in Krisen- und Notsituationen schneller und effizienter beschaffen zu können.

Neben der Corona-Pandemie hat auch die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz aus Sicht der Bundesregierung die Schwächen des geltenden Vergaberechts aufgezeigt: Die Beurteilung der Frage, ob die strengen Regeln des Vergaberechts anzuwenden oder Ausnahmeregelungen einschlägig sind, ist in Krisen- und Notsituationen oft mit erheblicher rechtlicher Unsicherheit verbunden.

Grundsätzlich schreibt das Vergaberecht den Stellen der öffentlichen Hand eine bestimmte Vorgehensweise beim Einkauf von Gütern und Leistungen vor. In einem förmlichen Vergabeverfahren haben sie die Waren und Leistungen, die sie beschaffen wollen, im Grundsatz öffentlich auszuschreiben. Sofern die Kosten für die geplante Beschaffung einen bestimmten Wert, den sog. EU-Schwellenwert, überschreiten, muss das Vergabeverfahren europaweit geführt und Mindestfristen beachtet werden – eine zeitnahe, unkomplizierte Beschaffung wird dadurch oftmals erschwert.

Zwar bestehen bereits für bestimmte Situationen Ausnahmeregelungen von den vergaberechtlichen Vorgaben. Jedoch herrscht im Einzelfall Unsicherheit, wann und in welchem Umfang diese Ausnahmesituationen gegeben sein müssen. Dies liegt u.a. daran, dass in den Regelungen unbestimmte Rechtsbegriffe wie „unvorhergesehenes Ereignis“ oder „äußerste Dringlichkeit“ verwendet werden. Eine sichere und verlässliche Rechtsgrundlage fehlt bisher laut Bundesregierung. 

Die Schwierigkeiten des Vergaberechts in Krisensituationen traten auch in der Hochwasserregion in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hervor. In kürzester Zeit mussten Gerätschaften angeschafft und Unternehmen mit dem Wiederaufbau von Infrastrukturen beauftragt werden. Unter den Verantwortlichen in den Kommunen vor Ort bestand oft Unsicherheit, inwieweit der Katastrophenfall von den strengen Vorgaben des Vergaberechts befreit. In einem Rundschreiben an die Länder und kommunalen Spitzenverbände hat das Bundeswirtschaftsministerium klargestellt, dass die betroffenen öffentlichen Stellen Leistungen schnell und verfahrenseffizient beschaffen können. Bei Auftragsvergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte sei dies insbesondere über das sog. „Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb“ möglich, sofern damit akute Auswirkungen der Flut bewältigt werden sollen. Angebote könnten formlos und ohne Vorgaben konkreter Fristen eingeholt werden. Dies soll vor allem für die Absicherung von standsicherheitsgefährdeten Bauwerken, bei der Beschaffung von Notstromaggregaten, mobilen Unterkunftsräumen und Behelfsbrücken gelten. Unter bestimmten Umständen könne dann auch nur ein Unternehmen angesprochen werden.

Mit dem Ziel, in künftigen Not- und Krisensituationen besser reagieren zu können, hat sich das Bundeswirtschaftsministerium nun an die EU-Kommission gewandt. In seinem Schreiben fordert Bundeswirtschaftsminister Altmaier, das Vergaberecht zu vereinfachen. Der Einsatz eines vergaberechtlichen Kriseninstruments soll nach seiner Vorstellung „streng auf einen im Voraus festgelegten Zeitraum begrenzt sein, der verlängert werden kann, wenn die Not- oder Krisensituationen fortbestehen“. Die Befreiungen von den Vorschriften der öffentlichen Vergabe sollten dabei auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen und auf ausgewählte öffentliche Stellen begrenzt werden.

Welche Reaktion das deutsche Schreiben bei der EU-Kommission hervorruft und ob eine katastrophenbezogene Vereinfachung des Vergaberechts wirklich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.

Autor: Florian Bretzel (DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht)