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Neue unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten!

Das kürzlich vom Bundestag beschlossene Lieferkettengesetz zwingt deutsche Unternehmen bei der Herstellung von Produkten im Ausland, künftig stärker auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards zu achten. Sofern der Umweltschutz Menschenrechte berührt, ist auch dieser von den neuen Regelungen umfasst. Halten sich Unternehmen nicht an die neuen Regelungen, drohen Bußgelder.

Nach langem Streit in der großen Koalition wurde das Lieferkettengesetz bzw. nunmehr „Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG)“ kürzlich doch noch im Bundestag verabschiedet. Ziel ist es, dazu beizutragen, die Ausbeutung von Arbeiter:innen, Zwangsarbeit und die Arbeit von etwa 160 Millionen Kindern weltweit zu unterbinden. Hierzu sollen große deutsche Unternehmen für die Zustände bei ihren weltweiten Zulieferern künftig stärker in die Pflicht genommen werden.

Unternehmen mit mehr als 3000 Arbeitnehmer:innen müssen ab 2023 und Unternehmen mit mehr als 1000 Arbeitnehmer:innen ab 2024 gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei ihren ausländischen Zulieferern vorgehen. Tun sie dies nicht, drohen Bußgelder von bis zu zwei Prozent des jährlichen Umsatzes sowie ein Ausschluss von öffentlichen Aufträgen für bis zu drei Jahre. Das Gesetz gilt auch für Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland. Die Einhaltung des Gesetzes wird durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überprüft.

Eine zusätzliche zivilrechtliche Haftung ist nicht vorgesehen. Allerdings sollen deutsche Gewerkschaften oder NGO‘s (Nichtregierungsorganisationen) im Namen von Betroffenen in Entwicklungsländern nach internationalem Privatrecht in Deutschland klagen können. Zudem bleibt eine unabhängig vom Lieferkettengesetz begründete zivilrechtliche Haftung unberührt.

Die Sorgfaltspflichten der Unternehmen erstrecken sich auf die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt. Das Lieferkettengesetz sieht ein gestuftes Verfahren vor, bei dem unter anderem das Einflussvermögen auf den Verursacher der Menschenrechtsverletzungen sowie die unterschiedlichen Stufen in der Lieferkette (eigener Geschäftsbereich, unmittelbarer/mittelbarer Zulieferer) berücksichtigt werden. Zum eigenen Geschäftsbereich gelten auch kontrollierte Tochterunternehmen im Ausland.

Im eigenen Geschäftsbereich und beim unmittelbaren Zulieferer treffen Unternehmen folgende Pflichten:

  • Verabschiedung einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte
  • Durchführung einer Risikoanalyse zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte
  • Durchführung eines Risikomanagements (inklusive Präventions- und Abhilfemaßnahmen) zur Abwendung potentiell negativer Auswirkungen auf die Menschenrechte
  • Einrichtung eines Beschwerdemechanismus
  • Öffentliche Berichterstattung

Betriebsräte müssen über die Umsetzung des Gesetzes informiert werden.

Bei einer Verletzung im eigenen Geschäftsbereich müssen Unternehmen unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergreifen, die zwingend zur Beendigung der Verletzung führen. Bei einer Verletzung beim unmittelbaren Zulieferer ist ein konkreter Plan zur Minimierung und Vermeidung zu erstellen, wenn das Unternehmen die Verletzung nicht in absehbarer Zeit beenden kann. Bei mittelbaren Zulieferern gelten die Sorgfaltspflichten nur anlassbezogen und nur, wenn das Unternehmen Kenntnis von einem möglichen Verstoß erlangt. In diesem Fall sind unverzüglich eine Risikoanalyse durchzuführen, ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung umzusetzen und angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher zu verankern, wobei dies durch die Umsetzung von Brancheninitiativen erfolgen kann.

Abgesehen von der deutschen Regelung soll laut EU-Kommission im Sommer dieses Jahres auch eine europäische Lieferketten-Regelung auf den Weg gebracht werden. Diese wird voraussichtlich strengere Vorgaben enthalten als die im deutschen Lieferkettengesetz beschlossenen Pflichten. Viele Unternehmen, die die ESG-Kriterien-Konformität umsetzen, erfüllen bereits die im deutschen Lieferkettengesetz vorgesehenen Mindeststandards. Eine direkte Betroffenheit der Finanzbranche wird zudem als gering eingeschätzt, da etwa Finanzbeteiligungen und Kredite nicht als Teil der Lieferkette im Sinne des Gesetzes gelten.

EuGH: Rufbereitschaft kann Arbeitszeit sein

Urteil vom 09.03.2021, Az. C-344/19 und C-580/19

In den beiden vorstehenden Verfahren zwischen einem Feuerwehrmann und einem Techniker und ihren beiden Arbeitgebern hat der EuGH entschieden, dass eine sogenannte Rufbereitschaft dann Arbeitszeit darstellt, wenn die den Arbeitnehmern auferlegten Einschränkungen ihre Freizeitgestaltung ganz erheblich einschränken.

Relevanz: Die Entscheidung hat Relevanz für Beschäftigte, die sogenannte Rufbereitschaft leisten müssen und deren Arbeitgeber.

Hintergrund: Ein Feuerwehrmann musste neben seiner regulären Dienstzeit regelmäßig Rufbereitschaft leisten, während der er sich zwar nicht an einem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten, jedoch erreichbar und in der Lage sein musste, um im Alarmfall innerhalb von 20 Minuten in seiner Einsatzkleidung und mit seinem Einsatzfahrzeug die Stadtgrenzen erreichen zu können.

Ein Techniker musste an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen den Betrieb von Fernsehsendeanlagen in einem Gebirge sicherstellen. Neben den zwölf Stunden regulärer Arbeitszeit leistete er täglich sechs Stunden Rufbereitschaft, während der er bei Bedarf innerhalb von einer Stunde an seinem Arbeitsplatz sein musste. Aufgrund der geografischen Lage der schwer zugänglichen Sendeanlagen war er faktisch gezwungen, sich während seiner Rufbereitschaft ohne große Freizeitmöglichkeiten in seiner von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Dienstunterkunft aufzuhalten.

Beide Beschäftigte waren der Ansicht, dass ihre Rufbereitschaft entgegen der Auffassung ihrer Arbeitgeber als Arbeitszeit anzuerkennen sei und zogen vor nationale Gerichte, welche die Verfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegten.

Nach Auffassung des EuGH kann Rufbereitschaft nur dann als Arbeitszeit gewertet werden, wenn der Arbeitnehmer in dieser Zeit ganz erheblich in der Ausübung seiner Freizeit beeinträchtigt wird. Der EuGH stellte zunächst fest, dass die Bereitschaftszeit eines Arbeitnehmers immer entweder „Arbeitszeit“ oder „Ruhezeit“ sein könne, da sich die beiden Begriffe gegenseitig ausschließen würden. Ob eine ausreichende Beeinträchtigung der Freizeitmöglichkeiten und damit Arbeitszeit vorliege, richtet sich nach Auffassung des EuGH nach nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen und Vorgaben des Arbeitgebers, so dass es Sache der nationalen Gerichte sei, eine Gesamtwürdigung des Einzelfalls vorzunehmen. Die Entscheidungen der nationalen Gerichte stehen noch aus. 

Auf Worte folgen Taten: Bundestag beschließt Arbeitsschutzkontrollgesetz

Nach einer Vielzahl von Covid-19-Infektionen von Beschäftigten in Schlachthöfen und den harten Worten von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf der Pressekonferenz am 29. Juli 2020 (wir berichteten) hat der Bundestag in dieser Woche das Arbeitsschutzkontrollgesetz beschlossen. In der Fleischindustrie sollen damit Werkverträge und Leiharbeit im Kerngeschäft verboten werden.

Die Mitteilung der Bundesregierung beginnt eindeutig:

„Gute Arbeit erfordert guten Arbeits- und Gesundheitsschutz: Um Mängel unter anderem in der Fleischindustrie zu beheben […], hat der Bundestag das Gesetz nun beschlossen. In der Fleischindustrie sollen damit Werkverträge und Leiharbeit im Kerngeschäft verboten werden.“

Erklärtes Ziel des Arbeitsschutzkontrollgesetzes sollen geordnete und sichere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie und die Stärkung der Leistungsfähigkeit der staatlichen Aufsicht sein. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz gibt aber auch verschiedenen anderen Branchen bundesweit einheitliche Regeln vor, unter anderem zur Kontrolle von Betrieben und zur Unterbringung der Beschäftigten.

Das vom Bundestag beschlossene Arbeitsschutzkontrollgesetz umfasst unter anderem folgende Regelungen:

  • Verbot von Fremdpersonal ab 2021: In der Fleischindustrie sind ab 1. Januar 2021 Werkverträge und ab 1. April 2021 Zeitarbeit verboten: Die Schlachtung und Zerlegung dürfen dann nur noch von eigenem Stammpersonal des Inhabers vorgenommen werden. Das Fleischerhandwerk (Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten) ist davon ausgenommen. Bei Auftragsspitzen in der Fleischverarbeitung sind Ausnahmen davon nur auf Grundlage eines Tarifvertrages auf drei Jahre befristet möglich – allerdings unter strengen Auflagen und Kontrollen.
  • Standards für Beschäftigtenunterkünfte: Die Arbeitsstättenverordnung bestimmt künftig, wie die Gemeinschaftsunterkünfte zur Unterbringung von Arbeitnehmern ausgestattet sein müssen, auch abseits des Betriebsgeländes.
  • Erhöhung der Kontrolldichte: Die Arbeitsschutzbehörden der Länder sollen Betriebe häufiger kontrollieren, um so die Arbeitnehmerrechte im Arbeits- und Gesundheitsschutz zu sichern.
  • Elektronische Zeiterfassung: Mit Ausnahme des Fleischerhandwerks müssen Arbeitgeber in der Fleischindustrie den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit ihrer Belegschaft verpflichtend elektronisch aufzeichnen.
  • Erhöhung Bußgelder: Die Geldbußen sollen bei Verstößen auf 30.000 Euro erhöht werden

ArbG Emden: Arbeitszeiterfassung? Arbeitsgerichte sind schneller als Gesetzgeber

Urteil vom 20. Februar 2020, Az.: 2 Ca 94/19 Das Arbeitsgericht Emden (ArbG Emden) hat in dem Rechtsstreit u.a. entschieden, dass Arbeitgeber bereits jetzt unmittelbar zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Zeiterfassungssystems verpflichtet sind.

Relevanz: Das Urteil ist für alle Arbeitgeber von Interesse, die die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten bisher nicht systematisch erfassen.

Hintergrund: Ein Bauhelfer war im Jahr 2018 mehrere Wochen lang für seinen Arbeitgeber tätig. Nachdem das Arbeitsverhältnis geendet und der Arbeitgeber bereits 183 Arbeitsstunden vergütet hatte, machte der Bauhelfer u.a. weitere Vergütungsansprüche gerichtlich geltend. Hierfür legte er selbst geführte Aufzeichnungen und sog. „Stundenrapporte“ vor und behauptete, insgesamt 195,05 Arbeitsstunden für seinen ehemaligen Arbeitgeber tätig gewesen zu sein. Sein ehemaliger Arbeitgeber bestritt dies und legte als Nachweis das Bautagebuch vor, in welchem stets Arbeitsbeginn und -ende dokumentiert wurden und für den Bauhelfer lediglich eine Arbeitsleistung von insgesamt 183 Stunden auswies.

Das ArbG Emden hat der Klage des Bauhelfers hinsichtlich der geltend gemachten Vergütungsansprüche stattgegeben und seinen ehemaligen Arbeitgeber zur Zahlung verurteilt.

Das ArbG Emden legte die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in Überstundenprozessen zugrunde. Danach muss zunächst der Beschäftigte konkret die von ihm geleisteten Arbeitsstunden vortragen. Erst danach hat der Arbeitgeber substantiiert zu erklären und darzulegen, welche Arbeiten er dem Beschäftigten zugewiesen hat und an welchen Tagen der Beschäftigte von wann bis wann diesen Weisungen (ggfs. nicht) nachgekommen ist (sog. sekundäre Darlegungslast).

Nach Auffassung des ArbG Emden ist der Bauhelfer seiner Darlegungslast nachgekommen; Der Vortrag des ehemaligen Arbeitgebers habe den vom BAG aufgestellten Anforderungen demgegenüber nicht entsprochen.

Auch wenn eine allgemeine Aufzeichnungspflicht von Arbeitsstunden im deutschen Recht bislang nicht existiert, so folgt die Verpflichtung zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit nach Auffassung des ArbG Emden jedoch unmittelbar aus den unionsrechtlichen Vorschriften. Dies ergibt sich insbesondere aus Art. 31 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (GRCh), welcher jedem Arbeitnehmer der EU das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten gewährt. Dieses Grundrecht werde nach der Rechtsprechung des EuGH durch die Regelungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie (Art. 3, 5 und 6 der Richtlinie 2003/88/EG) konkretisiert. Die Einhaltung der Arbeitszeitregeln könne nur bei einer vollständigen Erfassung der täglichen und wöchentlichen Arbeitsstunden gewährleistet werden, das ArbG Emden verweist hierzu insbesondere auf das dementsprechende Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019.

Die aus Art. 31 Abs. 2 GRCh folgende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung sei nach Ansicht des ArbG Emden eine vertragliche Nebenpflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, nach der die Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen verpflichtet seien. Das ArbG Emden ist der Ansicht, dass Arbeitgeber bereits seit der Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 zur Einrichtung eines entsprechenden Zeiterfassungssystems verpflichtet sind und es hierfür keine konkrete Umsetzung des EuGH-Urteils durch den deutschen Gesetzgeber bedürfe.

Wer ist stärker: Die Corona-Pandemie oder das Arbeitszeitgesetz?

Das Arbeitszeitgesetz hat das Ziel, die Unversehrtheit der Beschäftigten bei der Arbeit sicherzustellen. Die Beschäftigten sollen bspw. vor den schädlichen Folgen der Nachtarbeit geschützt werden und ausreichende Ruhezeiten zur Erholung erhalten. Hierzu gehört auch die grundsätzliche Regelung, dass Beschäftigte höchstens acht Stunden am Tag arbeiten dürfen. Von diesem Grundsatz konnte bislang nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden. Angesichts der Corona-Pandemie beabsichtigt die Bundesregierung nunmehr, weitere Ausnahmen von diesem Grundsatz zuzulassen.

Die deutsche Bundesregierung beabsichtigt für bestimmte systemrelevante Berufe 12-Stunden-Schichten zu ermöglichen. Nach einem Referentenentwurf für eine Covid-19-Arbeitszeitverordnung, soll folgendes gelten: 

Zur Bewältigung dieses außergewöhnlichen Notfalls, der bundesweite Auswirkungen hat, können für eine befristete Zeit auch längere Arbeitszeiten, kürzere Ruhezeiten sowie die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen für bestimmte Tätigkeiten notwendig sein„.

(Quelle: Specht in Handelsblatt)

Die Covid-19-Arbeitszeitverordnung soll bis Ende Juni befristet werden. 

Der Begriff der systemrelevanten Berufe erstreckt sich während der COVID-19-Pandemie auf Berufsgruppen, deren Tätigkeit für ein funktionierendes Gemeinwesen unerlässlich ist. Hierzu gehören unter anderem:

Ernährung und Hygiene:

  • Produktion und Handel (Groß- und Einzelhandel) nebst Vertriebsketten;
  • Logistik, Zulieferer;

Energie:

  • Elektrizitätsversorgung, Gasversorgung, Wasserversorgung;
  • Treibstoffversorgung;

Informationstechnik und Kommunikation:

  • Aufrechterhaltung und Entstörung der Netze;
  • Massenmedien;

Gesundheit:

  • Apotheken, Arzneimittelhersteller, Ärzte, Krankenhäuser, Krankenpfleger;
  • Labore, Pflegedienste, Rettungsdienste;

Grundversorgung:

  • Distributionslogistik;
  • Kassierer, Reinigungskräfte, Verkäufer von Lebens- oder Nahrungsmitteln;

Öffentliche Sicherheit:

  • Feuerwehr;
  • Katastrophenschutz;
  • Polizei;
  • Technisches Hilfswerk.

(Quelle: Wikipedia)

Weiterhin sieht der Referentenentwurf vor, dass die tägliche Ruhezeit von elf auf neun Stunden verkürzt werden kann und die Beschäftigung auch an Sonn- und Feiertagen ermöglicht wird. 

Folgende Beschäftigungsgruppen sollen nach dem Referentenentwurf auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden dürfen:

  • Beschäftigte in der Herstellung, Verpackung und beim Einräumen von Waren des täglichen Bedarfs, Arzneimitteln und Medizinprodukten, 
  • Beschäftigte in der Landwirtschaft,
  • Beschäftigte der Energie- und Wasserversorgung,
  • Beschäftigte in Apotheken und Sanitätshäuser,
  • Beschäftigte in Geld- und Werttransporte und
  • Beschäftigte in Daten- und Netzwerkmanagement. 

Fazit:

Die Corona-Pandemie wütet in nahezu allen Lebens- und Rechtsbereichen und macht auch vor dem Arbeitszeitgesetz nicht halt. Auch wenn die Bundesregierung den Ausnahmecharakter der oben angeführten Regelungen betont, ist fraglich, wie der vom Arbeitszeitgesetz anvisierte Schutz der Gesundheit der Beschäftigten trotz der Ausweitung der Arbeitszeit noch gewährt werden kann. Darüber wird die Bundesregierung ebenfalls Regelungen treffen müssen. 

Müssen Arbeitszeitguthaben vor Einführung der Kurzarbeit aufgebraucht werden?

Eine Möglichkeit, um auf Auftragsrückgänge und damit einhergehenden Arbeitsausfall aufgrund der Corona-Pandemie zu reagieren, ist die Einführung von Kurzarbeit. Da viele Unternehmen in Deutschland zum ersten Mal mit Kurzarbeit in Berührung kommen, wollen wir über häufige Fragen zur Kurzarbeit informieren.

In unseren letzten Beiträgen haben wir über Kurzarbeit im Allgemeinen, dem Erfordernis einer sog. Ermächtigungsgrundlage zur Einführung der Kurzarbeit  und den Anforderungen an eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit, berichtet. 

In diesem Beitrag geht es um die Frage, ob Arbeitszeitguthaben auf Arbeitszeitkonten vollständig verbraucht werden müssen, bevor die Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld bezahlt. Grundsätzlich gilt, dass der Anspruch auf Kurzarbeitergeld nur entsteht, wenn die sog. „betrieblichen Voraussetzungen“ vorliegen. Welche dies sind, regelt § 95 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Zu diesen Voraussetzungen gehört u.a., dass ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt. Erheblich ist ein Arbeitsausfall nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 SGB III dann, wenn er unvermeidbar ist. 

Die „Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls“ wird dann angenommen, wenn der Arbeitgeber im Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Als vermeidbar gilt ein Arbeitsausfall, wenn die Regelbeispiele in § 96 Abs. 4 Nr. 1 – 3 SGB III vorliegen. Eines dieser Regelbeispiele besagt, dass ein Arbeitsausfall vermeidbar ist, wenn er durch die Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen ganz oder teilweise vermieden werden kann

Doch Rettung naht, der Gesetzgeber stellt Arbeitszeitguthaben in bestimmten Fällen unter Schutz. Welche Fälle dies sind, verrät § 96 Abs. 4 S. 3 SGB III. 

§ 96 Abs. 4 S. 3 SGB III regelt, dass die Auflösung eines Arbeitszeitguthabens nicht verlangt werden kann, soweit es 

  1. vertraglich ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetterzeit (§ 101 Absatz 1) bestimmt ist und den Umfang von 50 Stunden nicht übersteigt,
  2. ausschließlich für die in § 7c Absatz 1 des Vierten Buches genannten Zwecke bestimmt ist (z.B. Elternzeit, Pflegezeit, Altersteilzeit, usw.),
  3. zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kurzarbeitergeld angespart worden ist und den Umfang von 150 Stunden nicht übersteigt,
  4. den Umfang von 10 Prozent der ohne Mehrarbeit geschuldeten Jahresarbeitszeit einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers übersteigt oder
  5. länger als ein Jahr unverändert bestanden hat.

Weiterhin regelt § 96 Abs. 4 S. 4 SGB III, dass in einem Betrieb, in dem eine Vereinbarung über Arbeitszeitschwankungen gilt, nach der mindestens 10 Prozent der ohne Mehrarbeit geschuldeten Jahresarbeitszeit je nach Arbeitsanfall eingesetzt werden, ein Arbeitsausfall, der im Rahmen dieser Arbeitszeitschwankungen nicht mehr ausgeglichen werden kann, als nicht vermeidbar.

Für die betriebliche Praxis sind insbesondere § 96 Abs. 4 S. 3 Fall 4. und 5., sowie die Regelung in § 96 Abs. 4 S. 4 SGB III von Bedeutung.

§ 96 Abs. 4 S. 3 Fall 4: 

Arbeitszeitguthaben, das 10% der geschuldeten Jahresarbeitszeit (ohne Mehrarbeit) übersteigt, muss nicht verbraucht werden. 

Bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 h pro Woche sind 10% der jährlichen Arbeitszeit ca. 170 h. Die jährliche Arbeitszeit wird wie folgt berechnet = 40 h x 42,6 Wochen = 1.704 h. Eine bestimmte Anzahl von Tagen ist aufgrund von Urlaub, Wochenende und Feiertagen arbeitsfrei. Nach Abzug der arbeitsfreien Tage bleiben von 365 Tagen ca. 213 Tage übrig, bei 5 Arbeitstagen pro Woche ergibt dies 42,6 Wochen im Jahr.

§ 96 Abs. 4 S. 3 Fall 5: 

Arbeitszeitguthaben, die länger als ein Jahr unverändert bestehen, sind geschützt.

Die Auflösung eines Arbeitszeitguthabens kann nicht verlangt werden, soweit es länger als ein Jahr unverändert bestanden hat. Unverändert bedeutet nicht, dass das Guthaben keinerlei Schwankungen aufweisen darf. Geschützt ist der innerhalb eines Jahres vor Beginn der Kurzarbeit erreichte, niedrigste Stand. Wird die Kurzarbeit zum 01.04.2020 eingeführt, betrifft der maßgebliche Zeitraum die Zeitspanne vom 01.04.2019 bis zum 31.03.2019. Gab es bspw. im Jahr 2019 Schwankungen zwischen 200 h (Höchststand Mai 2019) und 100 h (niedrigster Stand November 2019), beträgt das geschützte Arbeitszeitguthaben 100 h. 

Eine weitere Privilegierung gilt für Gleitzeitguthaben, die nicht entgeltlich abgegolten werden. Bei einer Gleitzeitregelung muss das vor der Kurzarbeit angesammelte Zeitguthaben von den Arbeitnehmern zur Vermeidung/Verringerung des Arbeitsausfalls nicht abgebaut werden, wenn 

  • es im Rahmen des vereinbarten Gleitzeitrahmens verbleibt und
  • eine entgeltliche Abgeltung nicht vorgesehen ist. 

§ 96 Abs. 4 S. 4 SGB III: Arbeitszeitschwankungen für einen unterschiedlichen Arbeitsanfall 

Die Vorschrift des § 96 Abs. 4 Satz 4 privilegiert die Betriebe, in denen in einem bestimmten Mindestumfang (10% der Jahresarbeitszeit) Arbeitszeitschwankungen vereinbart sind, um die Arbeitszeit an die jeweilige Produktionskapazität anzupassen. Damit wird einer Minderauslastung der Kapazitäten entgegengewirkt und Kurzarbeit vermieden. Besteht eine solche Flexibilisierungsregelung und kann diese nicht mehr zur Vermeidung des Arbeitsausfalls genutzt werden, gilt die Annahme, dass in dem Betrieb alle betriebsorganisatorischen und urlaubsbezogenen Vorkehrungen getroffen wurden, um den Arbeitsausfall zu vermeiden. 

§ 96 Abs. 4 S. 3 Fall 4 und Fall 5 liegen gleichermaßen vor: 

Beim Zusammentreffen von Fall 4. und Fall 5. ist die für den Arbeitnehmer günstigere Berechnung maßgebend.

Positiver Saldo im Arbeitszeitkonto vor Einführung der Kurzarbeit 300 Stunden

10 % der Jahresarbeitszeit (von z. B. 1.700 Stunden) sind einzusetzen 170 Stunden

Geschütztes Guthaben nach § 96 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 SGB III (= restliches Arbeitszeitguthaben, dass 10% der Jahresarbeitszeit überschreitet) 130 Stunden

Kleinster unveränderter Monatswert des Guthabens in den letzten 12 Monaten 100 Stunden

Geschützes Guthaben nach § 96 Abs. 4 Satz 3 Nr. 5 SGB III 100 Stunden

Zur Vermeidung von Kurzarbeit sind einzubringen (300h – 130h) 170 Stunden

Fazit: 

Die pauschale Behauptung: „Bevor man Kurzarbeit einführen darf, müssen alle Arbeitszeitkonten auf 0 sein!“, ist somit nicht richtig. Unternehmen sollten daher unbedingt prüfen, ob die Arbeitszeitguthaben ihrer Beschäftigten nach § 96 Abs. 4 S. 3 u. 4 SGB III vollständig oder zumindest zu einem Teil geschützt sind. 

BAG: Vergütung von Fahrtzeiten – Außendienstmitarbeiter

Urteil vom 18. März 2020, Az. 5 AZR 36/19

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in dem Rechtsstreit u.a. entschieden, dass Regelungen in einer Betriebsvereinbarung, die die vergütungspflichtigen Fahrtzeiten eines Außendienstmitarbeiters verkürzen, unwirksam sind, wenn die betreffenden Zeiten nach den Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags uneingeschränkt der entgeltpflichtigen Arbeitszeit zuzurechnen und mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sind.

Relevanz: Das Urteil ist für Arbeitgeber, Betriebsräte und auch für Beschäftigte von Interesse, wenn Betriebsvereinbarungen über die Vergütungspflicht von Fahrtzeiten bestehen.

Hintergrund: Zwischen einem im Außendienst tätigen Servicetechniker und seinem Arbeitgeber war streitig, inwiefern Fahrtzeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählen. Der Arbeitgeber ist an die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen gebunden. Kraft dynamischer Bezugnahme im Arbeitsvertrag finden diese Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. In einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2001 ist geregelt, dass Anfahrtszeiten zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, wenn sie 20 Minuten nicht überschreiten. Sofern An- und Abreise länger als jeweils 20 Minuten dauern, zählt die 20 Minuten übersteigende Fahrtzeit zur Arbeitszeit. In das Arbeitszeitkonto des Servicetechnikers hat der Arbeitgeber Reisezeiten von dessen Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden nach Hause bis zu einer Dauer von jeweils 20 Minuten nicht als Zeiten geleisteter Arbeit eingestellt und dafür auch keine Vergütung geleistet.

Der Servicetechniker verlangte von seinem Arbeitgeber, dass seinem Arbeitszeitkonto Fahrtzeiten für März bis August 2017 im Umfang von 68 Stunden und 40 Minuten gutgeschrieben werden bzw. hilfsweise, dass der Gegenwert dieser geleisteten Stunden an ihn ausgezahlt wird. Sein Arbeitgeber weigerte sich mit Verweis auf die Betriebsvereinbarung, nach welcher ein solcher Anspruch wirksam ausgeschlossen sei.

In der letzten Instanz obsiegte der Servicetechniker. Nach Auffassung des BAG kann der Servicetechniker von seinem Arbeitgeber die Gutschrift der umstrittenen Fahrtzeiten verlangen, soweit unter ihrer Berücksichtigung die vertraglich geschuldete regelmäßige Arbeitszeit überschritten wurde. Der Servicetechniker erfüllte mit den Fahrten von seiner Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. 

Zu dieser Einschätzung kam das BAG wegen einer in Deutschland geltenden arbeitsrechtlichen Besonderheit: Dem sog. Tarifvorrang. Nach dem Tarifvorrang ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in den sozialen Angelegenheiten dort ausgeschlossen, wo eine tarifliche Regelung besteht („Tarifsperre“). Gibt es einen Tarifvertrag, geht dieser daher immer vor. Will ein Unternehmen gemeinsam mit dem Betriebsrat durch eine Betriebsvereinbarung von Regelungen des Tarifvertrages abweichen, brauchen die Betriebsparteien hierfür eine tarifvertragliche „Erlaubnis“, auch „Öffnungsklausel“ genannt.

Nach dem in dem Rechtstreit einschlägigen Manteltarifvertrag (MTV), waren sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten. Dazu gehört bei Außendienstmitarbeitern die gesamte für An- und Abfahrten zum Kunden aufgewendete Fahrtzeit. Da der MTV keine Öffnungsklausel zugunsten abweichender Betriebsvereinbarungen enthält, war die entsprechende Regelung der Betriebsvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG unwirksam. Arbeitsentgelte, die durch Tarifvertrag geregelt sind, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Auf Grund der Bindung des Arbeitgebers an die fachlich einschlägigen Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen, welche die Vergütung für geleistete Arbeit auch in Bezug auf Fahrtzeiten der Außendienstmitarbeiter abschließend regeln, bestand im vorliegenden Rechtstreit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Die Betriebsvereinbarung konnte daher keine bindende Regelung zum Thema „Vergütung von Fahrzeiten“ treffen. 

Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit

Die Corona-Pandemie fordert der Wirtschaft so einiges ab. Eine Möglichkeit, um auf Auftragsrückgänge und damit einhergehenden Arbeitsausfall aufgrund der Corona-Pandemie zu reagieren, ist die Einführung von Kurzarbeit.

In unserem letzten Beitrag haben wir darüber berichtet, dass der Arbeitgeber für die Einführung von Kurzarbeit eine sog. Ermächtigungsgrundlage benötigt. Das kann eine Regelung im Tarifvertrag sein. Enthält der Tarifvertrag keine Kurzarbeitsklausel, kann durch eine Betriebsvereinbarung Kurzarbeit eingeführt werden. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat bei der Einführung von Kurzarbeit ein Mitbestimmungsrecht. Nachfolgend wollen wir Ihnen die notwendigen Bestandteile einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit näherbringen.  

Notwendige Inhalte einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit sind folgende:

  • Beginn der Kurzarbeit
  • Dauer der Kurzarbeit; Achtung, diese muss vorrübergehend sein! Das Merkmal „vorrübergehend“ liegt vor, wenn für einen überschaubaren Zeitraum von dem allgemein geltenden Zeitvolumen abgewichen wird, um anschließend zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit zurückzukehren (BAG, Beschluss 01.07.2003, Az.: 1 ABR 22/02)

  • Lage und Verteilung der verkürzten Arbeitszeit
  • Benennung der betroffenen Arbeitnehmer; Achtung, dem genügt eine Betriebsvereinbarung nicht, wenn dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt wird, allein darüber zu entscheiden, welche Arbeitnehmer zusätzlich zu den in der Betriebsvereinbarung Genannten wegen ihrer Aufgabenstellung von der Kurzarbeit ausgenommen werden können (BAG, Urteil vom 18.11.2015, Az.: 5 AZR 491/14).

Achtung: Erfüllt die Betriebsvereinbarung diese Voraussetzungen nicht, liegt keine wirksame Ermächtigungsgrundlage vor. Dann können die Arbeitnehmer ungekürzte Beschäftigung und Lohnzahlung verlangen, d.h. der Arbeitgeber befindet sich im Annahmeverzug (BAG, Urteil vom 18.11.2015, Az.: 5 AZR 491/14). 

BAG: Überstunden erlöschen nach Kündigung nicht automatisch durch Freistellung

Urteil vom 20.11.2019, Az. 5 AZR 578/18

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in dem Rechtsstreit u.a. entschieden, dass Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto vom Arbeitgeber in Geld abzugelten sind, wenn diese bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden können. Die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht in einem gerichtlichen Vergleich ist nur dann geeignet, den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau von Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu erfüllen, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich von der Arbeitspflicht freistellen will. Hierfür genügt die Klausel, der Arbeitnehmer werde unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt, nicht.

Relevanz: Das Urteil ist für Unternehmen und Arbeitgeber von Interesse, die Arbeitnehmer nach ausgesprochener Kündigung unwiderruflich von der Arbeit freistellen. Die Entscheidung verdeutlicht, wie wichtig Formulierungen in Aufhebungsverträgen und gerichtlichen Vergleichen sind. 

Hintergrund: Die Klägerin war als Sekretärin beschäftigt. Nachdem ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte, schlossen sie im Kündigungsschutzprozess einen gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des übernächsten Monats endete. Bis dahin stellte der Arbeitgeber die Klägerin unwiderruflich von ihrer Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung frei. In diesem Zeitraum sollte auch der Resturlaub eingebracht sein. Eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel enthält der Vergleich nicht.

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte die Klägerin von ihrem ehemaligen Arbeitgeber die Abgeltung von Gutstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto in Geld. 

Nach Auffassung des BAG sind Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto in Geld abzugelten, da in dem geschlossenen Vergleich weder ausdrücklich, noch konkludent hinreichend deutlich festgehalten sei, dass die Freistellung auch dem Abbau des Arbeitszeitkontos dienen solle.

Gesetzliche Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung kommt

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom vergangenen Mai sollen Arbeitgeber verpflichtet werden, die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ließ gutachterlich von dem  Passauer Rechtswissenschaftler Frank Bayreuther prüfen, ob die derzeitige Rechtslage in Deutschland diesen Anforderungen genügt. Dieser stellte jedoch fest, dass das deutsche Recht derzeit keine Verpflichtung für Arbeitgeber enthalte, wonach diese die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten aufzeichnen müssen. Deshalb sei der Bundesgesetzgeber verpflichtet, das Arbeitszeitrecht entsprechend zu ergänzen (Quelle: Süddeutsche Zeitung). Nach den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes müssen in Deutschland derzeit nur Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit dokumentiert werden.

Am 13.01. teilte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit, dass bereits Vorarbeiten für die Umsetzung des oben genannten Urteils begonnen haben. 

Hinweis für die Praxis:

Unternehmen, die bislang über kein System zur Arbeitszeiterfassung verfügen, sollten beginnen, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Hierbei können Überlegungen bezüglich der Anforderungen an das Zeiterfassungssystem aufgrund der konkreten betrieblichen Eigenheiten angestellt werden. Ein Betrieb, welcher eine Verwaltung, eine Produktion und einen Fuhrpark unterhält, hat andere Anforderungen als ein Betrieb, welcher nur aus Büroarbeitsplätzen besteht. Weiterhin könnten Angebote von Anbietern entsprechender Systeme verglichen und ggf. Ausschreibungen vorbereitet werden. Besteht ein Betriebsrat, darf unter keinen Umständen vergessen werden, dass dieser bei der Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beteiligen ist.