Beiträge

Update: Deutsches Modell der Auftragswertberechnung soll angepasst werden

In dem seit 2019 laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, die Auftragswertberechnung von Planungsleistungen betreffend, scheint die Bundesregierung jetzt nachzugeben.

Bislang gilt in Deutschland eine Sonderregelung, die es bei Vergabeverfahren im Planungssektor ermöglicht, den Gesamtauftragswert niedrig zu halten, indem nur der Wert gleichartiger Leistungen zusammen zu rechnen ist. Damit können mehr Aufträge unter dem Schwellenwert gehalten werden, ab welchem eine europarechtliche Ausschreibung von Aufträgen notwendig ist.
Erst Ende letzten Jahres riefen die Kommunalen Spitzenverbände und Verbände der planenden Berufe dazu auf, trotz des diesbezüglich eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission an dieser Regelung festzuhalten. Sie wiesen darin auf die enormen Vorteile der deutschen Regelung hin und vertraten die Ansicht, dass ein Verfahren vor dem EuGH keineswegs zwangsläufig gegen die deutsche Sonderregelung entschieden werden müsse (wir berichteten).

Nichtsdestotrotz scheint die Bundesregierung es nicht auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lassen zu wollen.

Dies klingt an in dem Referentenentwurf einer Verordnung zur Anpassung des deutschen Vergaberechts an neue europäische Regelungen. Dort heißt es unter anderem, dass § 3 Abs. 7 S. 2 VgV, welcher eben genau die viel diskutierte deutsche Sonderregelung ist, aufgehoben werden solle (Art. 1 Nr. 2 des Verordnungsentwurfes). Aus der Begründung wird deutlich, dass die Bundesregierung auch nicht anderweitig an der Sonderregelung festhalten möchte. Vielmehr solle zukünftig eine Zusammenrechnung der Los-Werte schon erfolgen, wenn in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität der Lose zu erkennen sei. Dass in allen anderen Fällen noch immer eine Wertberechnung nach Einzellosen erfolgen soll, vermag dabei kaum ins Gewicht zu fallen.
So äußerten sich auch der Verband Beratender Ingenieure und die Kammern und Verbände der planenden Berufe sowie des Bundesverbandes der freien Berufe und forderten die Bundesregierung auf, den Referentenentwurf so nicht in die Praxis umzusetzen.
Dass sie hiermit Erfolg haben und die Bundesregierung ihre Meinung trotz laufendem Vertragsverletzungsverfahren bis zum geplanten Inkrafttreten der Verordnung selbst am 25. Oktober 2023 noch ändert, erscheint jedoch unwahrscheinlich.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Wir suchen einen Energiewirtschaftler (w/m/d) in Hannover

Sie haben Lust, unsere persönliche Beratung im Energie-/Klimarecht energiewirtschaftlich zu vervollständigen und unsere Legal-Tech-Tools um energiewirtschaftliche Produkte zu erweitern, dann sollten Sie dringend weiterlesen!

Unsere Kanzlei RITTER GENT COLLEGEN ist eine Energie-, Umwelt- und Klimaschutzrechts-Boutique im Herzen von Hannover. JUVE hat uns im Jahr 2021/22 als „Kanzlei des Jahres für Energiewirtschaftsrecht“ ausgezeichnet und sieht unsere Kanzlei in der aktuellen Ausgabe 2022/23 als „festen Partner der dt. Industrie u. energieintensiven Unternehmen“. Wir beraten rd. 3.500 Unternehmen aus Mittelstand bis Großindustrie aus allen Branchen, z.B. Automotive, Metall, Chemie, Pharma, Papier, Lebensmittel. Neben der klassischen Rechtsberatung betreiben wir über unsere Legal-Tech-Tochter ein langjährig etabliertes Compliance-Tool und ein News-Portal, dessen Anwendungsbereiche wir deutlich ausbauen möchten.

Unsere Themen sind z.B. Errichtung moderner Versorgungskonzepte mit Einbindung von EE-Anlagen und PPA, klimaneutrale Transformation der Industrie, Antragstellungen für energie-/klimarechtliche Privilegien, Förderberatung, Compliance und Zertifizierungen, CO2-Management.

Wir bieten

  • eine Tätigkeit in den hochaktuellen Themen Energie und Klima
  • ein spektakuläres, sehr großes Mandantenportfolio quer durch die deutsche Industrie
  • die Möglichkeit, selbständig Produkte und Dienstleistungen für unsere persönlichen Beratungen, als auch für unsere Legal-Tech-Tools zu entwickeln
  • ein innovatives Arbeitsumfeld mit Start-up-Atmosphäre
  • ein motiviertes, kompetentes und interdisziplinäres Team
  • ein Arbeitsklima, das von Vertrauen und Wertschätzung geprägt ist
  • einen modernen und ansprechenden Arbeitsplatz in zentraler Lage
  • individuelle Arbeitszeitmodelle und Möglichkeit zum teilweisen Homeoffice zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.


Unser Wunschkandidat (m/w/d)

ist ein Energiewirtschaftler mit Beraterpersönlichkeit, IT-Begeisterung und Unternehmergeist, der sich durch Kreativität und Humor auszeichnet und unsere familiäre, dynamische Arbeitsatmosphäre schätzt. Die energiewirtschaftliche Abwicklung von Strom-/Gasbezug, die Berechnungen von energie-/klimarechtlichen Privilegien und Fördertatbeständen, das Energie- und Umweltmanagement, der Umgang mit Herkunftsnachweisen und das CO2-Management sollten Ihnen bekannt sein.
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann melden Sie sich gern bei Prof. Dr. Kai Gent (gent@ritter-gent.de). Natürlich behandeln wir Ihre Kontaktaufnahme vertraulich. Wir freuen uns auf Sie!

Ihr RGC-Team

Vergaberechtliche Erleichterungen bei der Energieversorgung

Diverse Bundesländer weisen auf Möglichkeiten hin, wie die öffentliche Hand bei der Beschaffung von Strom und Gas schnell und effizient handeln kann.

Aufgrund des Ukrainekrieges sind die Gas- und Strompreise wohlbekannt sehr volatil. Langfristige Preiskalkulationen sind deshalb nahezu unmöglich. Um die Energieversorgung trotzdem zu gewährleisten, müssen Energielieferungen schnell und effizient erfolgen.

Auf die bestehenden Möglichkeiten im Vergaberecht dies umzusetzen, weist das Bundeswirtschaftsministerium in seinem Rundschreiben aus April 2022 hin. Dabei bezieht es sich namentlich auf den Beschaffungsbereich der Energieversorgung. Auf die im Rundschreiben dargestellten Möglichkeiten, vergaberechtliche Erleichterungen bei der Energieversorgung einzuführen, haben mittlerweile einzelne Bundesländer durch eigene Verwaltungsvorschriften und Rundschreiben reagiert.

Exemplarisch verweist die Landesregierung Nordrhein-Westfalens explizit auf die Geltung und Anwendung des o. g. Rundschreibens und die damit einhergehenden Vorgaben zur Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb.

Eine niedersächsische Reaktion auf das Rundschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums steht bislang noch aus.

Dagegen können in Mecklenburg-Vorpommern nunmehr Liefer-, Dienst- und Bauleistungen, die zur Bewältigung der angespannten Gasversorgungslage beitragen, bis zur Höhe des jeweiligen EU-Schwellenwertes ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden. Dazu gehören namentlich u.a. Netzersatzanlagen, Heizgeräte, mobile Tankstellen, Wasserbehälter für Trinkwasser, Kochgeräte und autarke Radioempfangsgeräte. Darüber hinaus können Aufträge direkt vergeben werden, die der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs der öffentlichen Verwaltung dienen. Auf Markterkundungen kann diesbezüglich verzichtet werden; die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind indes zu berücksichtigen.

Auch in Bayern gelten vergaberechtliche Erleichterungen bei der Energieversorgung. Die kommunale Beschaffung von Gas und Strom im Oberschwellenbereich kann in der Regel als dringliche Vergabe eingestuft werden. Dies hat zur Folge, dass Strom- und Gaslieferungen ohne Einhaltung von Fristen flexibel und schnell vergeben werden können; vorausgesetzt, der Auftraggeber stellt fest, dass ein förmliches Ausschreibungsverfahren aus Zeitgründen nicht möglich ist. Sodann können Vergleichsangebote formlos im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb eingeholt werden. Ferner entfällt das Erfordernis der Vorabinformation gegenüber dem nicht berücksichtigten Bieter, wenn eine besondere Dringlichkeit dies indiziert.

Ein vergleichbares Rundschreiben verschickte das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium. Dieses weist darauf hin, dass die Energiebeschaffung sogar oberhalb des EU-Schwellenwertes im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden darf.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Transparenzpflicht gilt nicht für Bewertungsmethode

Ein öffentlicher Auftraggeber ist nach dem vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz verpflichtet, die bereits aufgestellten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung bei der Ausschreibung bekanntzugeben. Für die Bewertungsmethode gilt dies nach der Rechtsprechung jedoch nicht: Sie muss in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen nicht aufgeführt werden.

Der Vergabesenat des LG Frankfurt a.M. nutzte Mitte April 2022 die Gelegenheit, die Rechtsprechung zum Umfang der Transparenzpflicht zu bestätigen. In seinem Beschluss stellte er dar, dass die vergaberechtlichen Bestimmungen eine Pflicht zur Bekanntmachung der Zuschlagskriterien vorsehen. Deshalb müssen öffentliche Auftraggeber die Zuschlagskriterien in ihren Auftragsbekanntmachungen und Vergabeunterlagen aufführen. Da auch die Gewichtung der Kriterien zueinander von der Transparenzpflicht erfasst wird, muss er zudem alle Unter- oder Unterunterkriterien bekanntgeben. Dies soll sicherstellen, dass Bieter die beabsichtigte Gewichtung der Zuschlagskriterien erkennen können.

Anders liegt es aber bei der Bewertungsmethode. Sie ist nach Ansicht der Rechtsprechung nicht als Teil der Vergabeunterlagen bekannt zu machen, sondern kann noch im Laufe des Verfahrens bestimmt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die später festgelegte Bewertungsmethode die Zuschlagskriterien nicht im Nachhinein abändert und keine Diskriminierung zu befürchten ist. Zudem darf die Bewertungsmethode nichts enthalten, was die Vorbereitung des Angebots hätte beeinflussen können.

Hinter dieser Rechtsprechung steht das Ziel, es einem Bieter zu ermöglichen, sein Angebot so optimal wie möglich nach den Bedürfnissen des Auftraggebers gestalten zu können. Ein Bieter soll durch die Auftragsbekanntmachung und die Vergabeunterlagen erkennen können, auf welche Gesichtspunkte es dem Auftraggeber ankommt. Hierfür ist nach Ansicht der Gerichte jedoch nicht entscheidend, dass der Bieter von vorneherein weiß, wie sein Angebot bewertet wird: Er muss nicht wissen, welchen bestimmten Erfüllungsgrad sein Angebot auf der Grundlage der Zuschlagskriterien erreichen muss, um eine bestimmte Punktzahl eines Notensystems o.ä. zu erhalten. Dem Transparenzgebot wird genügt, solange der Bieter durch die ihm zur Verfügung stehenden Informationen ermitteln kann, welche Kriterien und Modalitäten der Auftraggeber zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigen wird.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gern zur Verfügung.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

„Europäische Lieferkette“ ist kein zulässiges Zuschlagskriterium

Ein öffentlicher Auftraggeber darf die Entscheidung, auf welches Angebot er den Zuschlag erteilt, nicht von dem Nachweis abhängig machen, dass die Produktion ausschließlich innerhalb der Europäischen Union sowie weiteren festgelegten Staaten stattfindet. Das OLG Düsseldorf hält ein solches Vorgehen für vergaberechtswidrig.

Zuschlagskriterien sind die Faktoren, die ein öffentlicher Auftraggeber für die Auftragsvergabe heranzieht und anhand derer er seine Vergabeentscheidung trifft. Neben dem Preis kann ein Auftraggeber auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigen. Bei der Wahl der Zuschlagskriterien ist der Auftraggeber jedoch nicht völlig frei: Die Kriterien müssen eine Verbindung mit dem Auftragsgegenstand aufweisen und dürfen im Übrigen nicht vergaberechtswidrig sein.

Das OLG Düsseldorf hält das Zuschlagskriterium „vollständig geschlossener EU-Lieferkette“ für vergaberechtswidrig und somit unzulässig. Ein öffentlicher Auftraggeber hatte in einer europaweiten Ausschreibung den Nachweis gefordert, dass das ausgeschriebene Produkt ausschließlich in Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder den Staaten, die das Abkommen „GAP“ unterzeichnet haben, hergestellt wird. Zu den Unterzeichnerstaaten dieses Abkommens zählen u.a. Ägypten, Chile, Guatemala und der Libanon.

Seine Entscheidung begründet das OLG Düsseldorf unter anderem damit, dass das gewählte Zuschlagskriterium gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verstoße. Denn grundsätzlich gelte in Vergabeverfahren das Verbot, Teilnehmer ungleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung sei nur dann zulässig, wenn diese gesetzlich ausdrücklich erlaubt werde. Nach derzeitiger Rechtslage gebe es keine Regelung, die eine Differenzierung nach dem Herkunftsstaat erlaube. Vielmehr sehe das Vergaberecht vor, dass sich jedes interessierte Unternehmen unabhängig etwaiger geographischer Begrenzungen an einem europaweiten Vergabeverfahren beteiligen könne.

Ferner sei das Lieferkettenkriterium kein geeignetes Mittel, um europäische Umwelt- oder Sozialstandards zu erreichen. Denn dies erschließe sich durch die geographische Differenzierung höchstens mittelbar. Außerdem sei das Lieferkettenkriterium auch kein sozialer Aspekt, der geeignet ist, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das OLG Düsseldorf befürchtet sogar, dass das Kriterium die Versorgungssicherheit durch mögliche Leistungsausfälle von Lieferanten gefährden könnte.

Darüber hinaus ist das OLG Düsseldorf der Ansicht, dass mildere Mittel existieren würden im Vergleich zur pauschalen Benachteiligung aller in Drittstaaten produzierenden Bietern. In Betracht käme zum Beispiel die Privilegierung von Bietern, die nahe am Versorgungsort lagern.

Hinzu kommt, dass das gewählte Zuschlagskriterium nicht objektiv sei. Eine Vergabe setze grundsätzlich jedoch voraus, dass objektive Kriterien verwendet werden. Zum einen soll dadurch verhindert werden, dass der Zuschlag willkürlich erteilt werden kann. Zum anderen soll eine wirksame, nachvollziehbare Überprüfung möglich sein, ob ein bestimmtes Angebot die Kriterien erfüllt. Das konkret verwendete Lieferkettenkriterium sei laut OLG Düsseldorf jedoch wegen der Heterogenität der einbezogenen Staaten (EU-Mitgliedstaaten sowie Unterzeichner des GAP-Abkommens) nicht objektiv. Es erschließe sich nicht, warum ein Unternehmen, das unter anderem im Libanon produziert, die Versorgung eher gewährleiste, als ein Unternehmen, das sein Produkt auch in Indien herstellt.

Für die Praxis ergibt sich aus dieser Entscheidung, dass die Politik bzw. der Gesetzgeber den Rahmen bestimmt, in dem sich der öffentliche Einkäufer zu bewegen hat. Erst wenn eine Regelung erlassen wird, die eine geographische Begrenzung von Unternehmen aus Drittstaaten zulässt, kann ein öffentlicher Auftraggeber hiervon durch die Wahl entsprechender Zuschlagskriterien Gebrauch machen. Solange dies nicht der Fall ist, empfiehlt es sich nicht, die Lieferkette als Zuschlagskriterium zu verwenden.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gern zur Verfügung.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Ausschluss russischer Unternehmen von Vergabeverfahren

Die Europäische Union hat anlässlich des anhaltenden Krieges in der Ukraine ein weiteres Maßnahmenpaket gegen Russland erlassen. Die darin enthaltenen Sanktionen betreffen nun erstmals auch den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe. Personen und Unternehmen, die Russland zuzuordnen sind, dürfen weder unmittelbar als Bieter noch mittelbar – zum Beispiel als Lieferanten – an europäischen Vergabeverfahren teilnehmen.

Mit einer Verordnung, die zum 09.04.2022 in Kraft getreten ist, hat die EU ein Verbot erlassen, das die Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder Konzessionen betrifft, die den EU-Schwellenwert übersteigen und damit ein europaweites Vergabeverfahren erfordern. Zukünftig ist es verboten, öffentliche Aufträge an bestimmte Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu vergeben. Dies hat zur Folge, dass in laufenden Vergabeverfahren kein Zuschlag mehr an russische oder russlandnahe Bieter erteilt werden darf. Zudem wird untersagt, bereits vergebene Aufträge sowie bestehende Verträge mit diesen Personen, Organisationen und Einrichtungen weiter zu erfüllen.

Wer ist von dem Verbot erfasst?

Zunächst sind russische Staatsangehörige und in Russland niedergelassene natürliche sowie juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen von dem Verbot betroffen. Zukünftig sind sie von der Teilnahme an Vergabeverfahren innerhalb der EU ausgeschlossen. Außerdem sind juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen erfasst, deren Anteile zu über 50 Prozent unmittelbar oder mittelbar von einem Rechtsträger gehalten werden, der zu den ausgeschlossenen Gruppen gehört.

Darüber hinaus soll auch jede mittelbare Teilnahme Russlands am europäischen Vergabemarkt verhindert werden. Deshalb darf künftig nicht mehr an europäischen Vergabeverfahren teilnehmen, wer im Namen oder auf Anweisung einer vom Verbot erfassten Person, Einrichtung oder Organisation handelt. Außerdem erfasst das Verbot auch Konstellationen, in denen Bieter die Kapazitäten von Unterauftragnehmern, Lieferanten oder anderen Unternehmen in Anspruch nehmen, die den ausgeschlossenen Gruppen angehören und auf die mehr als zehn Prozent des Auftragswerts entfällt.


Gibt es Ausnahmen von dem Verbot?

Die Verordnung lässt einige Ausnahmefälle von dem Verbot zu. Für bestimmte Vergabeverfahren, zum Beispiel solche, die den Kauf oder die Einfuhr von Erdgas, Erdöl oder Kohle betreffen, kann die zuständige Behörde ausnahmsweise eine Vergabe bzw. die Fortsetzung der Erfüllung von Verträgen mit „verbotenen“ Auftragnehmern genehmigen. Über die erteilte Genehmigung muss der jeweilige EU-Mitgliedstaat die anderen Mitgliedstaaten und auch die EU-Kommission unterrichten.

Außerdem sieht die Verordnung für bestehende Verträge, die vor dem 09.04.2022 geschlossen worden sind, eine Übergangsfrist von sechs Monaten vor. Das Verbot, solche Verträge weiterhin zu erfüllen, gilt damit erst ab dem 10.10.2022.


Die Umsetzung des Verbots in der Praxis

Das Verbot wurde als EU-Verordnung erlassen, weshalb es sofort in der gesamten EU unmittelbare Geltung entfaltet. Ein Umsetzungsakt auf Bundes- oder Landesebene ist nicht erforderlich.

Die konkrete Umsetzung obliegt den beschaffenden Stellen. Sie sind für die Handhabung des Verbots in der Praxis verantwortlich. Das auf Bundesebene für das öffentliche Auftragswesen zuständige BMWK hat in einem Rundschreiben vom 14.04.2022 Hinweise zur Anwendung der Sanktionen gegeben. Außerdem stellt das BMWK ein Muster einer Eigenerklärung zur Verfügung, die in Vergabeverfahren von Bietern abgegeben werden soll. Darin sollen Bieter bestätigen, nicht zu den sanktionierten Gruppen zu gehören.

Für Fragen steht Ihnen Ihr Ansprechpartner Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gern zur Verfügung.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Neue EU-Schwellenwerte für 2022 und 2023

EU überprüft vergaberechtliche Schwellenwerte und passt sie für die kommenden zwei Jahre neu an.

In ihrem Amtsblatt hat die EU kürzlich bekannt gegeben, dass alle Schwellenwerte für öffentliche Aufträge zum Jahreswechsel hin leicht angehoben werden. Danach gelten ab dem 01.01.2022 neue Schwellenwerte für EU-weite Vergabeverfahren. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge des Bundes beträgt der Schwellenwert zukünftig 140.000 Euro, für Liefer- und Dienstleistungen übriger Auftraggeber 215.000 Euro. Bei Bauleistungen aller Art und Konzessionsvergaben, d.h. der Vergabe eines Nutzungsrechts an einem Gemeingut, liegt er zukünftig bei 5.382.000 Euro. Sofern Sektorenauftraggeber Liefer- und Dienstleistungen für Sektorentätigkeiten ausschreiben – etwa im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung – beträgt er in den Jahren 2022 und 2023 431.000 Euro. Die bisherigen Schwellenwerte für die Jahre 2020 und 2021 waren der Höhe nach jeweils etwas niedriger angesetzt.

Was sind EU-Schwellenwerte?

Das deutsche Vergaberecht unterscheidet zwischen öffentlichen Aufträgen, deren Auftragsvolumen einen bestimmten Schwellenwert erreichen oder überschreiten (sog. Oberschwellenbereich) und öffentlichen Aufträgen, deren Auftragswerte unter den jeweiligen Schwellenwerten liegen (sog. Unterschwellenbereich). Entsprechend dieser Differenzierung gelten unterschiedliche vergaberechtliche Vorgaben.


Welche Bedeutung hat die Differenzierung nach den EU-Schwellenwerten?

Aufträge von geringerem Volumen sind für den grenzüberschreitenden Handel und damit den europäischen Binnenmarkt weniger interessant. Daher besteht nur für öffentlichen Aufträge im Oberschwellenbereich die Pflicht, entsprechende Aufträge EU-weit auszuschreiben. Hierfür müssen zwingend anzuwendende Ausschreibungsverfahren und Bekanntmachungsmuster berücksichtigt werden, die von der EU-Kommission vorgegeben werden. Zudem kann ein unterlegener Bieter oder Bewerber nur im Oberschwellenbereich die Verletzung von Verfahrensvorschriften im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens vor den Vergabekammern und den Oberlandesgerichten geltend machen. Unterhalb des Schwellenwertes besteht jedenfalls im Grundsatz kein durchsetzbarer Anspruch des Bieters darauf, dass die vergaberechtlichen Vorschriften eingehalten werden.

Warum werden die EU-Schwellenwerte regelmäßig neu festgesetzt?

Die EU-Schwellenwerte werden alle zwei Jahre geprüft und gegebenenfalls neu festgesetzt, um Wechselkursschwankungen auszugleichen, die sich möglicherweise auf die öffentlichen Beschaffungsmärkte von Staaten für den Wettbewerb von Unternehmen in anderen Staaten auswirken. Die Anpassung wird durch das Übereinkommen der Welthandelsorganisation über das öffentliche Beschaffungswesen geregelt und erfolgt über ein rein mathematisches Verfahren. Es ist daher kein Ergebnis einer politischen Willensbildung der EU.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde