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Bundesrat sieht Notwendigkeit der Anhebung von EU-Schwellenwerten

Nach Auffassung des Bundesrates sind die Schwellenwerte der Europäischen Union, ab deren Erreichen öffentliche Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, seit langem nahezu unverändert. Dies sieht er als nicht mehr zeitgemäß an und hat nun einen diesbezüglichen Beschluss gefasst, der die Bundesregierung zum Handeln auffordert.

Der derzeitige EU-Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen liegt bei 215.000 €, für Bauleistungen bei 5.382.000 € (jeweils Nettobeträge). Bei Leistungen ab dieser Größenordnung wird eine Binnenmarktrelevanz angenommen und der Auftrag muss zur Förderung des europäischen Wirtschaftsraumes und dessen Zusammenwachsen europaweit ausgeschrieben werden.

Die Schwellenwerte sind 1994 auf Basis der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse beschlossen und seitdem zwar alle zwei Jahre angepasst, aber nicht grundlegend geändert worden. Die Inflation und gestiegene Marktpreise führen dazu, dass heute Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, die 1994 noch nicht als binnenmarktrelevant angesehen wurden und – nach Ansicht des Bundesrates – wohl auch heute nicht notwendiger Weise so zu bewerten sind.

Problematisch sei aus Sicht des Bundesrates insbesondere der bürokratische Aufwand, der mit einer europaweiten Ausschreibung einhergehe. Sowohl für die Auftraggeber-, als auch für die Auftragnehmerseite entstünde ein enormer Verwaltungs- und Kostenaufwand und schnelle Investitionen würden erschwert. Gerade in der föderal organisierten Bundesrepublik sei die Möglichkeit konjunkturstützender schneller Investitionen jedoch von besonderer Bedeutung. Deshalb werde dringender Handlungsbedarf gesehen, die EU-Schwellenwerte an die zwischenzeitliche Preisentwicklung anzupassen.
Nach Vorstellung des Bundesrates sollte diese Anpassung anschließend unter dem Gesichtspunkt des Inflationsausgleichs jährlich überprüft werden. Die momentane zweijährliche Überprüfung, welche sich auf die Anpassung an Wechselkursentwicklungen beschränke, wird als nicht ausreichend angesehen.
In seinem Beschluss erwähnt der Bundesrat speziell die Vergabe von Planungsleistungen und freiberuflichen Leistungen. Hier läuft gerade ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten bzgl. der nationalen Vorgaben für die Auftragswertschätzung solcher Leistungen (wir berichteten). Sollte die aktuelle deutsche Sonderregelung danach keinen Bestand haben, müssten schon verhältnismäßig kleine Aufträge europaweit ausgeschrieben werden. Auf dieses Risiko und die damit verbundenen Gefahren wiesen zuletzt auch die Verbände der planenden Berufe und die kommunalen Spitzenverbände in einer gemeinsamen Resolution hin. Der Bundesrat regt daher die Einführung eines Sonderschwellenwertes für diesen Leistungsbereich an. Sollte dies nicht erreichbar sein, sollten solche Leistungen als soziale und andere besondere Dienstleistungen gemäß Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU eingestuft werden, so dass hierfür der erhöhte EU-Schwellenwert von 750.000 € gelten würde.
Da die EU-Schwellenwerte auf Verpflichtungen der EU durch das Internationale Beschaffungsübereinkommen, dem Government Procurement Agreement (GPA) beruhen, ist der Beschluss des Bundesrates lediglich eine Aufforderung an die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für die im Beschluss genannten Ziele einzusetzen. Er hat keine unmittelbaren (vergabe-)rechtlichen Konsequenzen.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Auftragswertberechnung: Verbände wollen deutsche Regelung beibehalten

Bereits seit 2019 läuft ein die Auftragswertberechnung im Vergaberecht betreffendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Die Verbände fordern die Bundesregierung nun auf, dennoch an der jetzigen Regelung festzuhalten und es auf ein Verfahren vor dem EuGH ankommen zu lassen.

Bei der Beschaffung von Liefer-, Bau- und Dienstleistungen haben öffentliche Auftraggeber zunächst den Marktwert der benötigten Leistung zu schätzen, um die Entscheidung zu treffen, ob ein EU-weites Vergabeverfahren durchzuführen ist oder ob ein nationales Verfahren ausreicht. Die von der EU festgelegten Schwellenwerte sind in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung: Sie indizieren die sogenannte Binnenmarktrelevanz. Damit ein EU-weites Vergabeverfahren nicht dadurch vermieden werden kann, dass ein Auftrag in „mittelstandsfreundliche“ Lose aufgeteilt wird, gilt der Grundsatz, dass der Wert von Losen zu addieren ist (Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie (2014/24/EU)). In Deutschland gibt es in Bezug auf Planungsleistungen (Architekten- und Ingenieurleistungen) allerdings – wie in anderen EU-Mitgliedstaaten auch – eine Sonderregelung: Danach sind Lose von Planungsleistungen wertmäßig nur dann zu addieren, wenn es sich um Lose über „gleichartige“ Leistungen handelt (§ 3 Abs. 7 Satz 1 VgV).

Gegen diese Regelung des deutschen Gesetzgebers und entsprechende Rechtsvorschriften in 14 weiteren Mitgliedstaaten initiierte die EU-Kommission im Jahre 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren. Mit den in den Mitgliedstaaten angewandten Methoden würden mehr Auftragsausschreibungen vom europäischen Markt ferngehalten, als es die europäische Regelung erlaube.
Die Verbände der planenden Berufe und die kommunalen Spitzenverbände Deutschlands haben nun gemeinsam eine Resolution veröffentlicht, in der sie die Bundesregierung auffordern, dennoch an der aktuellen nationalen Regelung festzuhalten. Die europarechtliche Rechtslage sei nicht eindeutig, die möglichen negativen Folgen einer Anpassung jedoch enorm. Dementsprechend solle lieber eine Klärung vor dem EuGH abgewartet werden, als sich vermeintlich vorschnell dem Druck der EU-Kommission zu beugen.

Im Planungssektor wird allgemein häufig der Unmut über die Diskrepanz des Schwellenwertes für Bauvorhaben und dem für Planungsleistungen ausgedrückt. Während letzterer schon bei 215.000 € liegt, sind Bauvorhaben erst ab 5,382 Mio. € EU-weit auszuschreiben. Dies führt dazu, dass Planungsleistungen, für die ca. 20-30% der Baukosten anfallen, sehr häufig EU-weit auszuschreiben sind, während die Bauvorhaben noch unter dem Schwellenwert liegen und die Bauleistungen daher national ausgeschrieben werden können.
Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, wollen die Verbände außerdem eine Klarstellung erwirken, dass eine EU-weite Vergabe von freiberuflichen Leistungen/ Planungsleistungen ebenso wie bei der bereits geltenden Regelung für soziale und andere besondere Dienstleistungen grundsätzlich erst ab einem Auftragswert von 750.000 € netto erforderlich ist.

Sie weisen darauf hin, dass derart kleine Aufträge, wie sie hier zur Debatte ständen, keinen signifikanten Einfluss auf den Binnenmarkt hätten, ihre europaweite Ausschreibung jedoch wesentlich mehr Aufwand für die Auftragnehmer bedeuten würde und die Existenz insbesondere kleinerer Architekturbüros und die regionale Wirtschaft erheblich bedrohen würde. Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum Planungsvorhaben relativ gesehen niedrigschwelliger binnenmarktrelevant werden sollten, als komplette Bauvorhaben.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Update II: Lieferengpässe und Preissteigerungen als Folge des Ukraine-Kriegs

Verlängerung der Stoffpreisgleitklausel: Preisanpassungen sind bei öffentlichen Bauleistungen bis Ende Juni 2023 möglich.

Auf die gestörten Lieferketten und gestiegenen Preise im Baubereich reagierte der Bund bereits im März 2022 mit einem Erlass, welcher unter anderem Stoffpreisgleitklauseln vorsah (zu unserem Beitrag). Eine Stoffpreisgleitklausel ist eine vertragliche Regelung, durch die der Auftragnehmer und der Auftraggeber keinen Festpreis für einen Baustoff oder eine Leistung vereinbaren, sondern lediglich einen fortzuschreibenden Basiswert festlegen. Solche Klauseln dürfen sowohl in laufenden, als auch in anstehenden Vergabeverfahren einbezogen werden.

Ursprünglich waren die Sonderregelungen nur bis zum 30.06.2022 befristet, wurden zwischenzeitlich jedoch bereits bis Ende 2022 verlängert (zu unserem Beitrag). Im Zuge dieser Verlängerung wurden die Regelungen außerdem angepasst. Beispielsweise wurde die Schwelle, ab wann Stoffpreisgleitklauseln vereinbart werden können, abgesenkt. Seit Juli 2022 können sie bereits dann vereinbart werden, wenn der Kostenanteil des betroffenen Stoffes mindestens ein halbes Prozent der geschätzten Gesamtauftragssumme ausmacht. Zuvor lag dieser Wert bei einem Prozent. Außerdem können sie auch nachträglich vereinbart werden.

Da für die Monate August und September 2022 für Teile der betroffenen Produkte ein Trend zur Stabilisierung zu erkennen war, beschloss der Bund, die Sonderregelungen für öffentliche Bauleistungen bis zum 30. Juni 2023 zu verlängern. Ob sich dieser Trend fortsetzt, bleibt somit abzuwarten.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gern zur Verfügung.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Vergaberechtliche Erleichterungen bei der Energieversorgung

Diverse Bundesländer weisen auf Möglichkeiten hin, wie die öffentliche Hand bei der Beschaffung von Strom und Gas schnell und effizient handeln kann.

Aufgrund des Ukrainekrieges sind die Gas- und Strompreise wohlbekannt sehr volatil. Langfristige Preiskalkulationen sind deshalb nahezu unmöglich. Um die Energieversorgung trotzdem zu gewährleisten, müssen Energielieferungen schnell und effizient erfolgen.

Auf die bestehenden Möglichkeiten im Vergaberecht dies umzusetzen, weist das Bundeswirtschaftsministerium in seinem Rundschreiben aus April 2022 hin. Dabei bezieht es sich namentlich auf den Beschaffungsbereich der Energieversorgung. Auf die im Rundschreiben dargestellten Möglichkeiten, vergaberechtliche Erleichterungen bei der Energieversorgung einzuführen, haben mittlerweile einzelne Bundesländer durch eigene Verwaltungsvorschriften und Rundschreiben reagiert.

Exemplarisch verweist die Landesregierung Nordrhein-Westfalens explizit auf die Geltung und Anwendung des o. g. Rundschreibens und die damit einhergehenden Vorgaben zur Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb.

Eine niedersächsische Reaktion auf das Rundschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums steht bislang noch aus.

Dagegen können in Mecklenburg-Vorpommern nunmehr Liefer-, Dienst- und Bauleistungen, die zur Bewältigung der angespannten Gasversorgungslage beitragen, bis zur Höhe des jeweiligen EU-Schwellenwertes ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden. Dazu gehören namentlich u.a. Netzersatzanlagen, Heizgeräte, mobile Tankstellen, Wasserbehälter für Trinkwasser, Kochgeräte und autarke Radioempfangsgeräte. Darüber hinaus können Aufträge direkt vergeben werden, die der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs der öffentlichen Verwaltung dienen. Auf Markterkundungen kann diesbezüglich verzichtet werden; die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind indes zu berücksichtigen.

Auch in Bayern gelten vergaberechtliche Erleichterungen bei der Energieversorgung. Die kommunale Beschaffung von Gas und Strom im Oberschwellenbereich kann in der Regel als dringliche Vergabe eingestuft werden. Dies hat zur Folge, dass Strom- und Gaslieferungen ohne Einhaltung von Fristen flexibel und schnell vergeben werden können; vorausgesetzt, der Auftraggeber stellt fest, dass ein förmliches Ausschreibungsverfahren aus Zeitgründen nicht möglich ist. Sodann können Vergleichsangebote formlos im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb eingeholt werden. Ferner entfällt das Erfordernis der Vorabinformation gegenüber dem nicht berücksichtigten Bieter, wenn eine besondere Dringlichkeit dies indiziert.

Ein vergleichbares Rundschreiben verschickte das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium. Dieses weist darauf hin, dass die Energiebeschaffung sogar oberhalb des EU-Schwellenwertes im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden darf.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

87.000 Vergabeverfahren mit knapp 53 Milliarden Euro Beschaffungsvolumen

Der erste Bericht zur Vergabestatistik wurde veröffentlicht: Danach vergeben Kommunen mehr Aufträge als der Bund und die Länder zusammen, auf Dienstleistungsaufträge entfällt das größte Volumen und Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte werden seltener vergeben.

Seit Oktober 2020 sind deutschlandweit alle öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, die Vergabe von Aufträgen und Konzessionen an die Vergabestatistik beim Statistischen Bundesamt zu melden. Auf Grundlage dieser Daten erstellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz dann entsprechende Berichte. Der erste Bericht seit Einführung der Vergabestatistik, der Halbjahresbericht 2021, wurde kürzlich veröffentlicht. Danach wurden von Januar bis Juni 2021 insgesamt rund 87.000 öffentliche Aufträge und Konzessionen mit einem Auftragsvolumen von knapp 53 Mrd. Euro gemeldet.

Obwohl die Kommunen über der Hälfte der öffentlichen Aufträge und Konzessionen vergeben, entfallen fast 60 Prozent des Beschaffungsvolumens auf Vergaben des Bundes und der Länder. Die Aufträge der Länder machen mit rund 38 Prozent den mit Abstand größten Anteil am gesamten Beschaffungsvolumen aus. Aus diesen Angaben lässt sich schließen, dass auf kommunaler Ebene im Vergleich zur Landes- und Bundesebene zwar volumenmäßig kleinere, dafür zahlenmäßig aber mehr Aufträge vergeben werden. Demgegenüber haben die öffentlichen Aufträge und Konzessionen der Länder und des Bundes ein höheres Volumen.

Bei der Unterscheidung nach den Auftrags- bzw. Leistungsarten überwiegen zahlenmäßig die Bauaufträge. Im Hinblick auf das Auftragsvolumen entfällt der größte Anteil jedoch auf die Dienstleistungsaufträge. Konzessionen machen noch nicht einmal ein Prozent des gesamten Beschaffungsvolumens aus. Wird nach dem Erreichen des EU-Schwellenwerts differenziert, so ergibt sich folgendes Bild: Mit einem Anteil von knapp 90 Prozent aller Vergaben wird die große Mehrheit der Aufträge unterschwellig vergeben, nur circa 10 Prozent der öffentlichen Aufträge und Konzessionen erreichen den EU-Schwellenwert. Hingegen zeigt sich auch hier, dass die Anzahl der Vergaben nicht mit dem Volumen der Aufträge einhergeht: Fast 75 Prozent des Beschaffungsvolumens, d.h. knapp 40 Milliarden Euro, werden im Oberschwellenbereich vergeben.

Die Auswertung der Vergabestatistik ist ein wichtiger Schritt hin zu einem transparenteren Bild der Vergaberealität in Deutschland. Zwar liefert der Bericht für das erste Halbjahr 2021 bereits aussagekräftige Daten über die öffentliche Beschaffung. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine noch junge Statistik handelt. Der veröffentlichte Halbjahresbericht stellt eine nun anlaufende Auswertung zu den ersten Daten dar, auf die weitere folgen werden. Dadurch wird die Belastbarkeit der Daten und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen mit der Zeit wachsen.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Update: Lieferengpässe und Preissteigerungen als Folge des Ukraine-Krieges

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dauert weiter an. Damit bleiben auch die teils erheblichen Auswirkungen auf die Liefersituation bei diversen Baumaterialien erhalten. Verschiedene Bundesministerien reagierten mit dem Erlass der Verlängerung oder Modifizierung von Praxishinweisen zum Umgang mit Lieferengpässen und Preissteigerungen in der öffentlichen Auftragsvergabe.

Die Kriegsereignisse in der Ukraine und die weltweit verhängten Sanktionen gegen Russland beeinflussen weiterhin die Beschaffung von bestimmten Produkten und Rohstoffen. Dies führt zu erheblichen Preissteigerungen und -schwankungen, die insbesondere im Bauwesen spürbar sind. Zusätzlich belasten gestörte Lieferketten und Lieferengpässe den Markt. Wie mit diesen Unwägbarkeiten in der öffentlichen Auftragsvergabe umzugehen ist, haben einige Bundesministerien im Konkreten festgelegt.


Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen

Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hatte bereits im März 2022 Praxishinweise zum Umgang mit Lieferengpässen und Preissteigerungen im öffentlichen Bauwesen infolge des Ukraine-Krieges herausgegeben. Die Hinweise sahen unter anderem die Aufnahme von Preisgleitklauseln in neuen Vergabeverfahren vor, um eine Anpassung an die Marktentwicklung zu ermöglichen. Allerdings war der Erlass bis zum 30.06.2022 befristet. Mit dem aktuellen Erlass des Ministeriums vom 22.06.2022 werden die Regelungen verlängert und zum Teil modifiziert. Der neue Erlass sieht zunächst einige Klarstellungen vor, um den weiten Anwendungsbereich der Regelungen im Bundesbau konkret abzustecken. In neuen Vergabeverfahren dürfen zudem ab sofort Stoffpreisgleitklauseln auch für solche Baustoffe einbezogen werden, die nicht ausdrücklich im ursprünglichen Erlass genannt sind, soweit sie die Voraussetzungen der Richtlinie zu Formblatt 225 VHB erfüllen. Ferner können Stoffpreisgleitklauseln bereits ab einem Stoffkostenanteil von 0,5 % der geschätzten Auftragssumme verwendet werden; zuvor musste der Stoffkostenanteil mindestens 1,0 % betragen. Die abgesenkte Aufgreifschwelle für die Einbeziehung von Stoffpreisgleitklauseln gilt auch für laufende Vergabeverfahren, sodass im weiteren Verfahren eine Klausel aufgenommen werden kann. Allerdings ist eine etwaige nachträgliche Einbeziehung laut des Erlasses stets im Einzelfall abzuwägen. So habe sich seit März 2022 das Vorgehen etabliert, eine nachträgliche Einbeziehung abzulehnen, wenn kein Bieter das Fehlen einer Vereinbarung rügt. Der aktuelle Erlass bestätigt diese Praxis. Außerdem wurde der Erlass um eine Mindesthöhe der Stoffkosten i.H.v. 5.000,00 € ergänzt.

Größere Probleme bereiten die Kriegsfolgen für bestehende Verträge. Grundsätzlich sind Verträge in der Form zu erfüllen, wie sie abgeschlossen wurden. Die Preissteigerungen und Lieferengpässe belasten den Auftragnehmer daher besonders, da diese grundsätzlich seinem unternehmerischen Risiko zugerechnet werden. Um das Preisrisiko gerechter zu verteilen, ist weiterhin eine Vertragsanpassung über die Rechtsfigur der Störung der Geschäftsgrundlage oder eine Vertragsänderung nach der Bundeshaushaltsordnung möglich. Dabei sei im Einzelfall zu bestimmen, ob dem Auftragnehmer die Vertragserfüllung unter den gegebenen Umständen zumutbar ist. Der Erlass sieht keine festen Schwellenwerte für eine Unzumutbarkeit vor. Jedoch könne eine Unzumutbarkeit durch die nachträgliche Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel entfallen. Hier regelt der neue Erlass abweichend vom vorherigen, dass bei nachträglicher Vereinbarung in bestehenden Verträgen ein Selbstbehalt des Auftragnehmers in Höhe von 10 % zu vereinbaren ist. Der Unternehmer soll dadurch dazu angehalten werden, trotz des verringerten Preisrisikos den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu wahren. Ein weiterer Unterschied beider Erlasse ist die Möglichkeit einer Preisanpassung mittels der vergaberechtlichen Vorschrift zur Auftragsänderung (§ 132 GWB): Der aktuelle Erlass enthält und erwähnt dieses Instrument im Gegensatz zum vorherigen nicht mehr.

Im Weiteren sieht der Erlass in seiner aktuellen Fassung vor, dass die nachträglich vereinbarten Stoffpreisgleitklauseln bis zum jeweiligen Vertragsende gelten können, also von der Geltungsdauer des Erlasses unabhängig sind.

Bundesministerium für Digitales und Verkehr

Auch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hatte im März 2022 ein Rundschreiben für den Umgang mit Lieferengpässen und Preissteigerungen von Baumaterialien für den Verkehrswegebau veröffentlicht, das bis zum 30.06.2022 befristet war. Mit einem Rundschreiben vom 22.06.2022 verlängerte das Ministerium die Regelungen bis zum 31.12.2022. Während einige Regelungen unverändert aus dem vorherigen Erlass übernommen wurden, entsprechen die angepassten Regelungen denen des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (s. o.).


Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 24.06.2022 erstmalig ein Rundschreiben herausgegeben. Dieses gilt für die öffentliche Auftragsvergabe von Liefer- und Dienstleistungen und ist im Unterschied zu den anderen Hinweisschreiben nicht befristet. Für neue und laufende Vergabeverfahren sieht das Rundschreiben parallel zu den beiden anderen die Möglichkeit vor, Preisgleitklauseln zu vereinbaren, um die Auswirkungen des Krieges auf beide Vertragsparteien angemessen verteilen zu können. In Ergänzung zu den anderen Hinweisschreiben erwägt das BMWK neben der Vertragsanpassung über die Störung der Geschäftsgrundlage und die Veränderung von Verträgen i.R.d. Bundeshaushaltsordnung eine Preisanpassung in bestehenden Verträgen mittels der vergaberechtlichen Vorschrift zur Auftragsänderung (§ 132 GWB). Ausnahmsweise sei danach eine Auftragsänderung ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, soweit die Änderung aufgrund von Umständen erforderlich geworden ist, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht nicht vorhersehen konnte und sich aufgrund der Änderung der Gesamtcharakter des Auftrages nicht verändere. Der Ukraine-Krieg und seine Folgen seien für den Auftraggeber unvorhersehbar gewesen. Insofern dürfe auch der Preis angepasst werden, jedoch nicht um mehr als 50 % des ursprünglichen Auftragswertes.


Fazit

Alle Rundschreiben verfolgen das Ziel, die Folgen der Kriegsgeschehnisse in der Ukraine abzufedern und einen einheitlichen Umgang mit den Lieferengpässen und Preissteigerungen in der öffentlichen Auftragsvergabe zu erreichen.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Lieferengpässe und Preissteigerungen als Folge des Ukraine-Krieges

Mit einem Erlass hat der Bund auf die Baustoffpreissteigerungen reagiert: Preisanpassungen sind bei öffentlichen Bauleistungen künftig möglich.

Der Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, führt auch auf deutschen Baustellen zu Problemen. Deutschland bezieht einen erheblichen Anteil seines Baumaterials aus Russland und der Ukraine. So kommen u.a. rund 30 Prozent des Baustahls sowie 40 Prozent des Roheisens aus diesen Ländern. Durch die Kriegsereignisse und die verhängten weltweiten Sanktionen gegen Russland sind viele Lieferketten gestört. Dies führt dazu, dass viele Baustoffe wie Baustahl, Roheisen sowie erdölbasierte Produkte nicht mehr zu bekommen sind oder erheblich teurer geworden sind. Ferner sind auch die Kosten für Energie- und Kraftstoffe enorm gestiegen.

Um den Auswirkungen für laufende und zukünftige Baumaßnahmen des Bundes entgegenzuwirken, hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen mit Erlass vom 25. März 2022 Praxishinweise zum Umgang mit den Lieferengpässen und Preissteigerungen herausgegeben. Sie gelten ab sofort und sind zunächst bis zum 30.06.2022 befristet. Insbesondere dürfen in neuen Vergabeverfahren Verträge über öffentliche Bauaufträge mit sog. Preisgleitklauseln versehen werden, die eine Anpassung an die Marktentwicklung ermöglichen. In Einzelfällen können auch die Preise in bereits bestehenden Verträgen angepasst werden.

Was ist eine Stoffpreisgleitklausel?

Eine Stoffpreisgleitklausel ist eine vertragliche Regelung, durch die der Auftragnehmer und der Auftraggeber keinen Festpreis für einen Baustoff oder eine Leistung, sondern lediglich einen fortzuschreibenden Basiswert vereinbaren. Sie kommt zur Anwendung, wenn ein Auftragnehmer keinen Einfluss auf die Entwicklung der Einkaufspreise für Baustoffe hat bzw. die Einkaufspreise der Stoffe und Materialien nicht im Voraus kalkulieren kann. Dadurch wird das Risiko steigender oder fallender Preise für Baustoffe möglichst gleich auf die Auftraggeber und Auftragnehmer verteilt.

Da Preissteigerungen grundsätzlich zum allgemeinen unternehmerischen Risiko des Bauunternehmens als Auftragnehmer gehören, sind Stoffpreisgleitklauseln nur ausnahmsweise zulässig.

Stoffpreisgleitklauseln für Betriebsstoffe in neuen und laufenden Vergabeverfahren

Mit dem Erlass des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vom 25. März 2022 wird festgestellt, dass bestimmte Baustoffe wie Stahl, Aluminium und Erdölprodukte in besonderem Maße Preisveränderungen ausgesetzt sind und ein nicht kalkulierbares Preisrisiko für diese Stoffe zu erwarten ist. Sofern ein Zeitraum von mehr als einem Monat zwischen Angebotsabgabe und Lieferung bzw. Fertigstellung liegt und der Stoffkostenanteil des betroffenen Stoffes wertmäßig mindestens ein Prozent der von der Vergabestelle geschätzten Auftragssumme beträgt, können Stoffpreisgleitklauseln verwendet werden. Dies gilt insbesondere für neue Vergabeverfahren. Die Vergabeunterlagen müssen dann ein Formblatt mit Aufführung der betroffenen Stoffe, die der Preisgleitung unterworfen sind, enthalten.

In einem laufenden Vergabeverfahren, bei dem das Angebot noch nicht geöffnet worden ist, können Stoffpreisgleitklauseln nachträglich einbezogen werden. Sofern die Angebotseröffnung bereits erfolgte, ist das Verfahren zur Vermeidung von Streitigkeiten bei der Ausführung in den Stand vor der Angebotseröffnung zurückzuversetzen und die Stoffpreisgleitklausel einzubeziehen.


Anpassung bei bestehenden Verträgen?

Abgeschlossene Verträge sind grundsätzlich einzuhalten. Deshalb ist der Unternehmer bei bestehenden Verträgen verpflichtet, seine Leistungen wie beauftragt auszuführen. Allerdings ist nach dem Erlass des Bundesministeriums eine Anpassung im Einzelfall nachträglich möglich, wenn Materialien wie Stahl, Aluminium oder Erdölprodukte nachweislich nicht oder vorübergehend nicht, auch nicht gegen höhere Einkaufspreise als ursprünglich kalkuliert, durch das Unternehmen beschaffbar sind. In einem solchen Fall wird ab sofort angenommen, dass ein Fall höherer Gewalt bzw. ein nicht abwendbares Ereignis vorliegt. Dadurch verlängert sich die Ausführungsfrist um die Dauer der Nichtlieferbarkeit der Stoffe und es erfolgt ein angemessener Aufschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten. Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Unternehmen entstehen nicht.

Für den Fall, dass Baumaterialien, die in dem Erlass aufgezählt sind, nur gegen einen höheren Einkaufspreis als ursprünglich kalkuliert beschafft werden können, sollen die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage zur Anwendung kommen. Dies bedeutet, dass die betroffenen Positionen im bestehenden Vertrag angepasst werden können. Eine Anpassung kann jedoch nicht allgemein vorgenommen werden. Vielmehr sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Im konkreten Fall ist zu ermitteln, ob ein Festhalten am unveränderten Vertrag für die Parteien unzumutbar ist. Falls auch eine Preisanpassung nicht weiterhilft, kommt ein Rücktritt oder eine Kündigung in Betracht.

Sofern es sich um eine Preisanpassung eines bestehenden Vertrages handelt, dem ein EU-weites Vergabeverfahren zugrunde liegt, ist regelmäßig kein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Dies ist der Fall, wenn die Änderung aufgrund von Umständen erforderlich geworden ist, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht nicht vorhersehen konnte und sich der Gesamtcharakter des Vertrages nicht verändert.

Ferner kann ein Vertrag in begründeten Ausnahmefällen zum Nachteil des Bundes geändert oder aufgehoben werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt dann vor, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens bei Vertragserfüllung infolge ihm nicht zurechenbarer Umstände erheblich verschlechtern würde. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hat angekündigt, dass seine Zustimmung bei der Aufhebung oder Änderung von Vertragen ab einem Betrag von 125.000 Euro, der zum Nachteil des Bundes entstehen würde, erforderlich ist. Bei Anpassungen, die zu einem Nachteil unter diesem Wert bleiben, können die entsprechenden Stellen selbst entscheiden.


Welche Schritte muss ein Unternehmen ergreifen, um eine Preisanpassung zu erreichen?

Sofern ein Unternehmen eine Preisanpassung begehrt, muss es diese selbst beantragen. Es hat zudem darzulegen, dass die Voraussetzungen für die Preisanpassung erfüllt sind.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autor: Florian Bretzel

Bauplanungsrechtliche Hürden für PV-Freiflächenanlagen im Gewerbe- und Industriegebiet

Wollen Industrieunternehmen ihr Versorgungskonzept durch eine PV-Freiflächenanlage in unmittelbarer Nähe zum Produktionsstandort ergänzen, können sich bauplanungsrechtliche Schwierigkeiten aufgrund der Festsetzungen eines Gewerbe- oder Industriegebietes ergeben.

Viele unserer Industriemandanten möchten – z.B. angesichts der steigenden Energiepreise bei Netzbezug oder einer zunehmend ökologischen Ausrichtung – ihr Versorgungskonzept durch eine PV-Anlage ergänzen. Hierbei werden oft am Rande von Betriebsgeländen liegende Brach- oder Ackerflächen ins Auge gefasst, die Platz für großflächige PV-Freiflächenanlagen bieten.

Die Errichtung von großen Freiflächen-PV-Anlagen ist – anders als Windenergieanlagen – im baurechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB generell nicht privilegiert. Daher sind Industrieunternehmen, die PV-Freiflächen-Anlagen errichten wollen, in der Regel darauf angewiesen, dass ein geeigneter Bebauungsplan vorliegt. Im idealtypischen Fall setzt der Bebauungsplan gem. §§ 30 Abs. 1; 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i. V. m. §§ 1 Abs. 2, 3; 11 Abs. 2 BauNVO Sondergebiete für PV fest.

Ist dies nicht der Fall, so stellt sich die Frage, ob eine Freiflächen-PV dennoch ohne entsprechende Flächenausweisung als Sondergebiete oder B-Plan-Änderung in einem ausgewiesenen Gewerbe- oder Industriegebiet genehmigt werden kann. Dies ist seit langem umstritten und wird je nach Kommune sehr unterschiedlich gehandhabt. Einige Genehmigungsbehörden haben in der Vergangenheit Freiflächen-PV-Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten als gänzlich unzulässig eingestuft.

Andererseits haben erfreulicherweise einige Urteile in den letzten Jahren eine Zulässigkeit von PV-Freiflächenanlagen auch ohne Sondergebietsausweisung angenommen: u.a. VGH München (Az.: 15 CS 10.2432), OVG Bautzen (Az.: 1 B 254/12), VG Schwerin (Az.: 2 A 661/13) und VG Halle (Az.: 2 B 217/19 HAL).

Vom VGH München, OVG Bautzen und VG Schwerin werden freistehende PV-Anlagen als „Gewerbebetriebe aller Art“ eingeordnet. Wenn also der Bebauungsplan ein Gewerbe- (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) oder Industriegebiet (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) festsetzt und bei der „Art der baulichen Nutzung“ „Gewerbebetriebe aller Art“ für zulässig erachtet, kann die Freiflächen-PV ohne Planänderung genehmigt werden. Nach dem VG Schwerin gilt dies selbst dann, wenn in einem anderen Baufeld desselben Bebauungsplans ausdrücklich Flächen für Photovoltaikanlagen festgesetzt sind! Dies ist begrüßenswert, zumal der Betrieb einer PV-Anlagen regelmäßig bspw. auch Gewerbesteuerpflichten auslösen kann.

Zum Tragen kommt diese Auffassung auch im § 48 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) EEG 2017/2021. Dieser regelt, dass Freiflächen-PV-Anlagen in Gewerbe- oder Industriegebieten einen Anspruch auf Förderung nach dem EEG haben und setzt damit implizit die Zulässigkeit der Errichtung in diesen Gebieten voraus.

Auch das VG Halle geht ebenso wie die vorgenannten Urteile davon aus, dass eine Freiflächen-PV unter den Begriff „Gewerbebetriebe aller Art“ fällt. Allerdings stellte es dennoch die Unzulässigkeit der PV-Anlage in dem konkret zu entscheidenden Fall fest, weil der gegenständliche Bebauungsplan eben nicht von „Gewerbebetrieben aller Art“ spricht, sondern in einer Anlage ganz konkrete Vorhaben nennt.

Ein weiteres starkes Argument für die Zulässigkeit auch in weniger eindeutigen Fällen dürfte außerdem dann vorliegen, wenn im jeweiligen Bundesland bereits eine PV-Pflicht für Neu- und/oder Bestandsbauten gesetzlich geregelt ist. Denn was der Gesetzgeber vorgibt, kann durch den untergesetzlichen Bebauungsplan in Form der Satzung nicht ohne Weiteres verhindert werden.

Unternehmen, die aktuell in einem Gewerbe- oder Industriegebiet Freiflächen-PV-Anlagen planen, sollten sich daher zunächst die Festsetzungen im geltenden Bebauungsplan genau anschauen. Sollte diese nicht eindeutig sein, weil eben kein Sondergebiet PV oder die Zulässigkeit von „Gewerbebetrieben aller Art“ festgesetzt ist, unterstützen wir Sie gern!

Autorin: Dr. Franziska Lietz