Das Bundesarbeitsgericht findet, 22 Jahre sind „sehr lang“.
Möchte ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer ohne Sachgrund befristet einstellen und kommt ihm dieser „neue“ Arbeitnehmer irgendwie bekannt vor, so sollte er vorsichtig sein. Denn, eine sachgrundlose Befristung ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Die rechtliche Folge einer unzulässigen Befristung: Das befristete Arbeitsverhältnis wandelt sich in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wollte dies nicht uneingeschränkt gelten lassen und urteilte jahrelang, dass § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht gilt, wenn zwischen dem Ende des letzten befristeten Arbeitsverhältnisses und dem Beginn des neuen befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens drei Jahre gelegen haben.
Hier mischte sich im Jahr 2018 das Bundesverfassungsgericht ein und kippte die Rechtsprechung des BAG. Das „Verbot“ der erneuten sachgrundlosen Befristung gelte nur dann nicht, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.
In Folge dessen fragen sich Arbeitgeber, Personaler und Anwälte, was denn nun „sehr lange“ bedeute.
Das BAG urteilte im Nachgang im Januar 2019, dass eine acht Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung im Sinne des Bundesverfassungsgerichts nicht „sehr lange zurückliegt“.
Am 21. August 2019 hatte das BAG erneut über eine Revision zum Thema „Befristung“ zu entscheiden. Die klagende Arbeitnehmerin war in der Zeit vom Oktober 1991 bis zum November 1992 bei der beklagten Arbeitgeberin als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld beschäftigt. Am 15. Oktober 2014 wurde die Arbeitnehmerin als Telefonserviceberaterin im Servicecenter erneut eingestellt. Das Arbeitsverhältnis wurde sachgrundlos befristet, zunächst bis zum 30. Juni 2015 und später bis zum 30. Juni 2016 verlängert. Mit ihrer Klage begehrte die Arbeitnehmerin die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung am 30. Juni 2016 geendet hat. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin Recht.
Die Arbeitgeberin wehrte sich gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, wonach aus dem befristeten Arbeitsverhältnis ein unbefristetes Arbeitsverhältnis werden sollte. Das BAG gab der Arbeitgeberin Recht und entschied, dass eine Vorbeschäftigung, die 22 Jahre zurückliegt, als eine „sehr lange zurückliegende Vorbeschäftigung“ im Sinne des Bundesverfassungsgerichts gilt.
Denn, so das BAG, das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann unzumutbar sein, wenn
- eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und
- das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.
Unter diesen Gesichtspunkten kann das Verbot der sachgrundlosen Befristung daher unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt. Und dies nahm das BAG an, wenn eine Vorbeschäftigung bei der erneuten Einstellung 22 Jahre zurücklag.
Ob die unterlegene Arbeitnehmerin Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil einlegt, ist bislang nicht klar. Wir halten Sie in jedem Fall auf dem Laufenden.
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