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Neue unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten!

Das kürzlich vom Bundestag beschlossene Lieferkettengesetz zwingt deutsche Unternehmen bei der Herstellung von Produkten im Ausland, künftig stärker auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards zu achten. Sofern der Umweltschutz Menschenrechte berührt, ist auch dieser von den neuen Regelungen umfasst. Halten sich Unternehmen nicht an die neuen Regelungen, drohen Bußgelder.

Nach langem Streit in der großen Koalition wurde das Lieferkettengesetz bzw. nunmehr „Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG)“ kürzlich doch noch im Bundestag verabschiedet. Ziel ist es, dazu beizutragen, die Ausbeutung von Arbeiter:innen, Zwangsarbeit und die Arbeit von etwa 160 Millionen Kindern weltweit zu unterbinden. Hierzu sollen große deutsche Unternehmen für die Zustände bei ihren weltweiten Zulieferern künftig stärker in die Pflicht genommen werden.

Unternehmen mit mehr als 3000 Arbeitnehmer:innen müssen ab 2023 und Unternehmen mit mehr als 1000 Arbeitnehmer:innen ab 2024 gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei ihren ausländischen Zulieferern vorgehen. Tun sie dies nicht, drohen Bußgelder von bis zu zwei Prozent des jährlichen Umsatzes sowie ein Ausschluss von öffentlichen Aufträgen für bis zu drei Jahre. Das Gesetz gilt auch für Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland. Die Einhaltung des Gesetzes wird durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überprüft.

Eine zusätzliche zivilrechtliche Haftung ist nicht vorgesehen. Allerdings sollen deutsche Gewerkschaften oder NGO‘s (Nichtregierungsorganisationen) im Namen von Betroffenen in Entwicklungsländern nach internationalem Privatrecht in Deutschland klagen können. Zudem bleibt eine unabhängig vom Lieferkettengesetz begründete zivilrechtliche Haftung unberührt.

Die Sorgfaltspflichten der Unternehmen erstrecken sich auf die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt. Das Lieferkettengesetz sieht ein gestuftes Verfahren vor, bei dem unter anderem das Einflussvermögen auf den Verursacher der Menschenrechtsverletzungen sowie die unterschiedlichen Stufen in der Lieferkette (eigener Geschäftsbereich, unmittelbarer/mittelbarer Zulieferer) berücksichtigt werden. Zum eigenen Geschäftsbereich gelten auch kontrollierte Tochterunternehmen im Ausland.

Im eigenen Geschäftsbereich und beim unmittelbaren Zulieferer treffen Unternehmen folgende Pflichten:

  • Verabschiedung einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte
  • Durchführung einer Risikoanalyse zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte
  • Durchführung eines Risikomanagements (inklusive Präventions- und Abhilfemaßnahmen) zur Abwendung potentiell negativer Auswirkungen auf die Menschenrechte
  • Einrichtung eines Beschwerdemechanismus
  • Öffentliche Berichterstattung

Betriebsräte müssen über die Umsetzung des Gesetzes informiert werden.

Bei einer Verletzung im eigenen Geschäftsbereich müssen Unternehmen unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergreifen, die zwingend zur Beendigung der Verletzung führen. Bei einer Verletzung beim unmittelbaren Zulieferer ist ein konkreter Plan zur Minimierung und Vermeidung zu erstellen, wenn das Unternehmen die Verletzung nicht in absehbarer Zeit beenden kann. Bei mittelbaren Zulieferern gelten die Sorgfaltspflichten nur anlassbezogen und nur, wenn das Unternehmen Kenntnis von einem möglichen Verstoß erlangt. In diesem Fall sind unverzüglich eine Risikoanalyse durchzuführen, ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung umzusetzen und angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher zu verankern, wobei dies durch die Umsetzung von Brancheninitiativen erfolgen kann.

Abgesehen von der deutschen Regelung soll laut EU-Kommission im Sommer dieses Jahres auch eine europäische Lieferketten-Regelung auf den Weg gebracht werden. Diese wird voraussichtlich strengere Vorgaben enthalten als die im deutschen Lieferkettengesetz beschlossenen Pflichten. Viele Unternehmen, die die ESG-Kriterien-Konformität umsetzen, erfüllen bereits die im deutschen Lieferkettengesetz vorgesehenen Mindeststandards. Eine direkte Betroffenheit der Finanzbranche wird zudem als gering eingeschätzt, da etwa Finanzbeteiligungen und Kredite nicht als Teil der Lieferkette im Sinne des Gesetzes gelten.

LAG Düsseldorf: Fristlose Kündigung bei Diebstahl von Desinfektionsmittel am Arbeitsplatz

Urteil vom 14. Januar 2021, Az. 5 Sa 483/20

In dem vorstehenden Rechtsstreit zwischen dem Mitarbeiter eines Paketzustellunternehmens und dessen Arbeitgeber hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) u.a. entschieden, dass der Diebstahl von einem Liter Desinfektionsmittel, das aufgrund der Corona-Pandemie als Arbeitsschutzmaßnahme dienen sollte, zu einer fristlosen Kündigung des Mitarbeiters führen kann.

Relevanz: Das Urteil trifft Aussagen über die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung bei Diebstahl am Arbeitsplatz.

Hintergrund: Der Mitarbeiter war seit mehr als 15 Jahren bei einem Paketzustellunternehmen als Be- und Entlader sowie Wäscher für die Fahrzeuge beschäftigt. Die Wäsche der Fahrzeuge erfolgte in Nachtschicht mit sechs bis sieben Kollegen, wobei der Mitarbeiter sein privates Fahrzeug in der Nähe seines Arbeitsplatzes abstellen konnte. Bei einer stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle Ende März 2020, also zum Zeitpunkt des ersten Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie, fand der Werkschutz im Kofferraum des Mitarbeiters eine nicht angebrochene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle. Desinfektionsmittel waren zu dem Zeitpunkt aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie Mangelware, der Wert betrug zum damaligen Zeitpunkt ca. 40 €. Desinfektionsmittel wurden vom Arbeitgeber in den Waschräumen als Arbeitsschutzmaßnahme unter anderem auch zur Verhinderung von Ansteckungen mit dem Corona-Virus am Arbeitsplatz bereitgestellt.

Der Arbeitgeber kündigte nach vorheriger Zustimmung des Betriebsrates und Anhörung von Zeugen den Mitarbeiter wenige Tage später fristlos. Der Mitarbeiter wehrte sich gerichtlich gegen die Kündigung. Er gab im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens u.a. an, dass er sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem privaten Fahrzeug begeben hatte, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. Er habe das Desinfektionsmittel für sich und eventuell seine Kollegen verwenden wollen, da dieses in den Waschräumen nicht immer verfügbar gewesen sei.

Der Arbeitgeber gab an, dass der Mitarbeiter dem Werkschutz bei der Kontrolle gesagt habe, dass er das Desinfektionsmittel habe mitnehmen dürfen, um sich unterwegs die Hände zu desinfizieren. Durch Aushänge im Sanitärbereich sei darauf hingewiesen worden, dass das Mitnehmen von Desinfektionsmitteln eine fristlose Kündigung und Anzeige zur Folge habe.

Die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters hatte keinen Erfolg und wurde vom LAG Düsseldorf abgewiesen, da ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorlag. Nach Ansicht des Gerichts waren die Angaben des Mitarbeiters nicht glaubhaft. Das Gericht ging davon aus, dass der Mitarbeiter das Desinfektionsmittel entwendet hat, um es selbst privat zu verbrauchen. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, dass er das Desinfektionsmittel auch für seine Kollegen verwenden wollte, da er ihnen weder gesagt hatte, wo er das Desinfektionsmittel aufbewahrt, noch ihnen den Autoschlüssel gegeben hatte, damit sie es benutzen können. Zudem war die im Kofferraum aufgefundene Flasche nicht angebrochen. Trotz der langen Beschäftigungszeit war nach Ansicht des LAG keine vorherige Abmahnung erforderlich. Wer in Zeiten einer weltweiten Pandemie, in welcher Desinfektionsmittel Mangelware sind und in Kenntnis davon, dass auch der eigene Arbeitgeber mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hat, eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel entwendet und zugleich in Kauf nimmt, dass Kollegen leer ausgehen, dem muss nach Auffassung des LAG klar sein, dass mit der Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel der Bestand des eigenen Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

Auch ohne Einigung mit Betriebsrat über den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard muss gearbeitet werden

Der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard soll dem Schutz der Beschäftigten während der Corona-Pandemie dienen. Dass dieser aber nur bedingt geeignet ist, Betriebsschließungen zu erzwingen, zeigt ein Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm.

Wie weit geht das Mitbestimmungsrecht von Betriebsräten in dem Spannungsfeld COVID 19, Gefährdungsbeurteilung und Kurzarbeit? Darf der Betriebsrat eine Betriebsschließung verlangen, wenn vom Arbeitgeber noch keine (neue) Gefährdungsbeurteilung unter Berücksichtigung des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards durchgeführt wurde?
Mit diesen Fragen musste sich das Arbeitsgericht Hamm kürzlich auseinandersetzen.

Was war passiert?

Ein Arbeitgeber (Betreiberin eines Einzelhandelsgeschäfts in einem Einkaufszentrum) hatte aufgrund der Corona-Pandemie bedingten Beschränkungen mit dem Betriebsrat Anfang April eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit „Null“ mit einer Geltungsdauer bis zum 31.5.2020 geschlossen. Daraufhin wurde das Geschäft geschlossen. Ende April teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, dass das Geschäft in wenigen Tagen doch wieder geöffnet werden solle und die sich in Kurzarbeit befindlichen Beschäftigten mit einem Umfang zwischen 20 % und 80 % wieder zur Arbeit eingesetzt werden sollen. Hierzu erstellte der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats einen Personaleinsatzplan und wies seinen Beschäftigten Arbeitszeiten zu. Auch gab es zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat keine Verhandlungen zur Umsetzung des Gesundheitsschutzes entsprechend des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 16.04.2020 veröffentlichten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard.

Der Betriebsrat war mit der Wiedereröffnung des Geschäfts ohne Umsetzung des Arbeitsschutzstandards nicht einverstanden, berief sich auf seine angeblich nicht berücksichtigten Mitbestimmungsrechte und begehrte beim Arbeitsgericht Hamm (ArbG) Eilrechtsschutz. Nach Auffassung des Betriebsrates durfte der Arbeitgeber den Beschäftigten aufgrund der bis zum 31.05.2020 vereinbarten Kurzarbeit nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats Arbeitszeiten zuweisen. Außerdem -so der Betriebsrat- hätte sich der Arbeitgeber mit ihm über den Arbeitsschutzstandard beraten und eine Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung schließen müssen. Aufgrund dieser Versäumnisse müsste das Geschäft nach Ansicht des Betriebsrates geschlossen bleiben und die Beschäftigten dürften nicht arbeiten.

Wie entschied das Arbeitsgericht?

Das Arbeitsgericht Hamm (Beschluss vom 4. Mai 2020, Az.: 2 BVGa 2/20) hat sehr differenziert entschieden und den Rechtstreit in die beiden Problemfelder „Betriebsvereinbarung Kurzarbeit“ und „Arbeitsschutzstandard“ getrennt.

Aufgrund der Betriebsvereinbarung Kurzarbeit untersagte das ArbG dem Arbeitgeber, seinen Beschäftigten ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats Arbeitszeiten zuzuweisen. Der Betriebsrat hat einen Anspruch auf Durchführung der Betriebsvereinbarung und der Arbeitgeber durfte ohne die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats keine Arbeitszeiten durch den Personaleinsatzplan „abrufen“. Das ArbG stellte außerdem fest, dass der Betriebsrat auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und in Bezug auf die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit hat.

Hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung unter Berücksichtigung des Arbeitsschutzstandards hat der Betriebsrat nach Ansicht des Gerichts jedoch kein Mitbestimmungsrecht.  Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 hat der Betriebsrat (soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht) zwar über Regelungen (…) zum Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften, mitzubestimmen.

Das Gericht befand jedoch, dass es sich bei dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard nicht um eine Vorschrift zum Gesundheitsschutz im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG handele. Doch selbst wenn man § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auf die Umsetzung des Arbeitsschutzstandards für anwendbar hielte, könne der Betriebsrat keine Betriebsschließung verlangen. In diesem Fall könnte der Arbeitgeber Dritte beschäftigen und seinen Betrieb mit diesen fortführen.
 

ArbG Wesel: Ohne Beteiligung des Betriebsrats keine Nutzung von Kameraaufnahmen zur Überwachung der Corona-bedingten Abstandsregelungen

Beschluss vom 24. April 2020, Az.: 2 BVGa 4/20 In dem vorstehenden Rechtsstreit zwischen einem Logistik- und Versandunternehmen (Unternehmen) und dem Betriebsrat dieses Unternehmens hat das Arbeitsgericht Wesel (ArbG) u.a. entschieden, dass das Unternehmen es unterlassen muss, Kamerabilder oder Videos zu nutzen, um zu messen oder zu überwachen, ob die Arbeitnehmer die Corona-bedingten Abstandsregelungen einhalten.

Relevanz: Der Beschluss ist für alle Unternehmen von Interesse, die planen, technische Einrichtungen zur Überwachung des Verhaltens ihrer Beschäftigten einzusetzen und bei denen ein Betriebsrat existiert

Sachverhalt: Ein Logistik- und Versandunternehmen kontrollierte mittels Bildaufnahmen der Arbeitnehmer die Einhaltung der aufgrund der Corona-Pandemie empfohlenen Sicherheitsabstände von mindestens 2 Metern auf dem Betriebsgelände. Dazu verwendete das Unternehmen die im Rahmen der betrieblichen Videoüberwachung erstellten Aufnahmen, die es auf im Ausland gelegenen Servern mittels einer Software anonymisiert. Der Betriebsrat sah dadurch seine Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6 sowie Nr. 7 BetrVG als verletzt an und ist der Auffassung, die Maßnahme verstoße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften, da die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer fortlaufend verletzt würden. Der Betriebsrat hat das Unternehmen im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte auf Unterlassung der Nutzung der Kameraaufnahmen in Anspruch genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrates teilweise stattgegeben. Nach Beschluss des Arbeitsgericht muss das Unternehmen es unterlassen, Bilder oder Videos von Arbeitnehmern zu nutzen, um Abstandsmessungen oder Abstandsüberwachung von Arbeitnehmern vorzunehmen, ohne dass zuvor mit dem Betriebsrat über die Einführung und Anwendung der Nutzung eine Einigung erzielt wird. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts widerspricht die Übermittlung der Daten ins Ausland der im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung zur Installation und Nutzung von Überwachungskameras. Darüber hinaus sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 und 7 BetrVG verletzt. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig.

Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit

Die Corona-Pandemie fordert der Wirtschaft so einiges ab. Eine Möglichkeit, um auf Auftragsrückgänge und damit einhergehenden Arbeitsausfall aufgrund der Corona-Pandemie zu reagieren, ist die Einführung von Kurzarbeit.

In unserem letzten Beitrag haben wir darüber berichtet, dass der Arbeitgeber für die Einführung von Kurzarbeit eine sog. Ermächtigungsgrundlage benötigt. Das kann eine Regelung im Tarifvertrag sein. Enthält der Tarifvertrag keine Kurzarbeitsklausel, kann durch eine Betriebsvereinbarung Kurzarbeit eingeführt werden. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat bei der Einführung von Kurzarbeit ein Mitbestimmungsrecht. Nachfolgend wollen wir Ihnen die notwendigen Bestandteile einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit näherbringen.  

Notwendige Inhalte einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit sind folgende:

  • Beginn der Kurzarbeit
  • Dauer der Kurzarbeit; Achtung, diese muss vorrübergehend sein! Das Merkmal „vorrübergehend“ liegt vor, wenn für einen überschaubaren Zeitraum von dem allgemein geltenden Zeitvolumen abgewichen wird, um anschließend zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit zurückzukehren (BAG, Beschluss 01.07.2003, Az.: 1 ABR 22/02)

  • Lage und Verteilung der verkürzten Arbeitszeit
  • Benennung der betroffenen Arbeitnehmer; Achtung, dem genügt eine Betriebsvereinbarung nicht, wenn dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt wird, allein darüber zu entscheiden, welche Arbeitnehmer zusätzlich zu den in der Betriebsvereinbarung Genannten wegen ihrer Aufgabenstellung von der Kurzarbeit ausgenommen werden können (BAG, Urteil vom 18.11.2015, Az.: 5 AZR 491/14).

Achtung: Erfüllt die Betriebsvereinbarung diese Voraussetzungen nicht, liegt keine wirksame Ermächtigungsgrundlage vor. Dann können die Arbeitnehmer ungekürzte Beschäftigung und Lohnzahlung verlangen, d.h. der Arbeitgeber befindet sich im Annahmeverzug (BAG, Urteil vom 18.11.2015, Az.: 5 AZR 491/14). 

Kann der Betriebsrat die Fachkraft für Arbeitssicherheit (FaSi) feuern?

In einem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg waren sich Betriebsrat und FaSi „nicht grün“. Der Betriebsrat wollte daher ein Verfahren einleiten, welches das Ziel hatte, die FaSi abzuberufen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ist jedoch der Ansicht, dem Betriebsrat stehe kein Initiativrecht zur Abberufung der FaSi zu (Beschluss v. 03.09.2010, 30 BV 10381/19).

Der Betriebsrat ist nach § 9 Abs. 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes wie folgt zu beteiligen:

Bei der „internen“ FaSi, d.h. bei der FaSi, die im Betrieb angestellt ist, muss der Arbeitgeber vor der Ernennung und Abberufung die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Dies gilt auch, wenn deren Aufgaben erweitert oder beschränkt werden. 

Bei der „externen“ FaSi, d.h. die FaSi gehört nicht dem Betrieb an, muss der Arbeitgeber  den Betriebsrat vor Ernennung und Abberufung einer externen FaSi lediglich anhören. 

Bis dahin ist alles klar. In dem Rechtsstreit wollte der Betriebsrat jedoch mehr, nämlich aktiv die Abberufung der FaSi erreichen, obwohl der Arbeitgeber dies nicht wollte. Dies ist nur möglich, wenn man dem Betriebsrat hinsichtlich der Abberufung ein sog. Initiativrecht zugesteht. Der Betriebsrat argumentierte, es gebe vereinzelt Stimmen in der juristischen Literatur, die von einem Initiativrecht des Betriebsrats ausgehen würden. Der Betriebsrat berief sich weiterhin auf einen Autor, welcher behauptet, die FaSi müsse das Vertrauen des Betriebsrats besitzen. Dieses Vertrauen liege nicht (mehr) vor. 

Das Landesarbeitsgericht war jedoch der Ansicht, dass für den Fall der Abberufung ausdrücklich nur die „Zustimmung“ des Betriebsrats vorgesehen sei. Eine “Zustimmung“ setze aber bereits begrifflich eine Maßnahme des Arbeitgebers voraus; nur einer solchen Vorgabe durch den Arbeitgeber könne der Betriebsrat „zustimmen“. Und selbst wenn man annehmen würde, dass die FaSi das Vertrauen des Betriebsrats besitzen müsse, sei dem schon damit Rechnung getragen, dass dem Betriebsrat bei der Bestellung und Abberufung durch den Arbeitgeber ein Zustimmungsrecht eingeräumt werde. Auf diesem Weg sei sichergestellt, dass keine Person berufen werden kann, deren Bestellung der Betriebsrat nicht zugestimmt hätte. Ebenso könne eine FaSi nicht abberufen werden, ohne dass der Betriebsrat dies mittragen würde. Dass eine Vertrauenssituation zwischen FaSi und Betriebsrat aber nur dann angenommen werden könnte, wenn dem Betriebsrat das Initiativrecht zu deren jederzeitige Abberufung zustehen würde, sei nicht anzunehmen. 

Fazit:

Die FaSi kann nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung nur durch den Arbeitgeber abberufen werden. Der Betriebsrat kann der Abberufung zustimmen oder seine Zustimmung verweigern, er hat jedoch kein Initiativrecht. 

LAG Baden-Württemberg: „Ich mache Sie fertig!“ reicht nicht für fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds aus

Urteil vom 21.01.2020, Az. 8 Sa 30/19

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) hat in dem Rechtsstreit u.a. entschieden, dass eine gegenüber der Personalleiterin getätigte bedrohende Äußerung ohne vorherige Abmahnung nicht für eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes ausreiche, da es an einer vorherigen Abmahnung fehlte. 

Relevanz: Das Urteil ist für Unternehmen und Arbeitgeber von Interesse, die Betriebsratsmitglieder, die bedrohende Äußerungen tätigen, ohne vorherige Abmahnung fristlos kündigen. 

Hintergrund: Ein Ingenieur war über 20 Jahre bei seinem Arbeitgeber beschäftigt und seit über 10 Jahren Mitglied des Betriebsrates. Der Arbeitgeber kündigte dem Ingenieur fristlos, nachdem er die Personalleiterin in einem Personalgespräch beschimpft und bedroht haben soll („Ich mach Sie fertig. Sie sind sehr mutig, dass Sie sich mit mir anlegen.“). Hintergrund des Personalgesprächs war der Vorwurf, dass sich der Ingenieur unberechtigt im Bereich der Damenumkleiden aufgehalten und trotz Aufforderung nicht entfernt haben soll. Kurze Zeit danach soll der Ingenieur einen Arbeitskollegen ebenfalls bedroht haben („Sie krieg ich auch noch“). Der Betriebsrat hatte der außerordentlichen Kündigung zuvor seine Zustimmung erteilt. Ordentliche Kündigungen unter Einhaltung der Kündigungsfrist sind bei Betriebsratsmitgliedern nach dem Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich ausgeschlossen. Der Ingenieur hat Kündigungsschutzklage erhoben.

Nach Auffassung des LAG war die fristlose Kündigung unwirksam, da es an einer vorherigen Abmahnung fehlte. Ohne vorherige Abmahnung reiche die streitige Äußerung des Ingenieurs gegenüber der Personalleiterin nicht für eine außerordentliche Kündigung aus.

Trotz der unwirksamen Kündigung hat der Ingenieur im vorliegenden Fall jedoch keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, da der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in der Zwischenzeit noch einmal außerordentlich gekündigt habe und diese Kündigung nicht offensichtlich unwirksam sei.