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Entscheidung des OLG Koblenz sorgt für Unsicherheiten bei Rahmenvereinbarungen

Rahmenvereinbarungen zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmern sind beliebt in der Ausgestaltung öffentlicher Beschaffung. Sie bieten ein hohes Maß an Flexibilität, verlieren nach Auffassung des OLG Koblenz aber automatisch ihre Wirkung, wenn die vom Auftraggeber festgelegte Höchstgrenze überschritten wird.

In dem konkreten Fall ging es um ein EU-weites Vergabeverfahren, in welchem zwar eine Höchstgrenze angegeben war, jedoch nach Ansicht des OLG Koblenz nicht davon ausgegangen wurde, dass bei deren Überschreiten die Rahmenvereinbarung automatisch unwirksam würde. Vielmehr wurde explizit die Berechtigung des Auftraggebers festgeschrieben, die Rahmenvereinbarung bei Ausschöpfung des Gesamtbudgets kündigen zu können.

Das Verfahren kam zum OLG Koblenz, weil ein Bieter von der fehlenden Angabe einer Höchstgrenze ausging und dies nachprüfen lassen wollte. Die Beschwerde hatte Erfolg. Die Formulierung zum Kündigungsrecht des Auftraggebers enthalte zwar eine konkrete Zahl, jedoch sei das notwendiger Weise anzugebende Budget des Auftraggebers nicht transparent aufgestellt worden.

Durch das optionale Kündigungsrecht des Auftraggebers bei Budgetüberschreitung würde deutlich, dass der Auftraggeber nicht davon ausgegangen sei, dass die Leistungspflicht des Auftragnehmers bei Budgetüberschreitung automatisch erlischt.
Dies gerade sei aber der Fall und würde durch die Aufnahme eines Kündigungsrechtes verschleiert, sodass die Formulierungen des Auftraggebers nicht mehr den Anforderungen an die Transparenz entsprechen.

Das OLG knüpft damit an die Rechtsprechung des EuGH aus dem Jahre 2021, dass Rahmenvereinbarungen mit Erreichen ihrer Höchstgrenze ihre Wirkung verlören, an.

Es versteht das „Verlieren der Wirkung“ also als Automatismus des Erlöschens der gesamten Rahmenvereinbarung und nicht als Aufhebung der Bindungswirkung.

Die weiteren Ausführungen zur Entscheidung des EuGH lesen sich jedoch eher so, als wäre die dahinter stehende Motivation der Schutz des Auftragnehmers. Die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung solle bindend sein, damit der Auftraggeber nicht darüber hinaus Leistungen einfordern könne, die in den ursprünglichen Vergabeunterlagen noch nicht einkalkuliert waren. Dies soll also die einseitige Einforderung von Leistungen seitens des Auftraggebers über die vereinbarte Höchstgrenze hinaus verhindern. Eine individuelle Vereinbarung der Parteien über Leistungen darüber hinaus scheint jedoch nicht ausgeschlossen. Solche Vereinbarungen sind durchaus üblich und wurden in der Vergangenheit als dem Wesen einer Rahmenvereinbarung entsprechend und im Rahmen des § 132 GWB als zulässig angesehen. Dass die EuGH Rechtsprechung hieran etwas ändern wollte, ist nicht ersichtlich.

Somit schafft das Urteil des OLG Koblenz zunächst eher mehr Unsicherheiten als Klarheiten bezüglich der Handhabung von Rahmenvereinbarungen.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung könnte es empfehlenswert sein, bei beiderseitiger Einigkeit frühzeitig zu agieren und Abrufe über das ursprüngliche Budget hinaus zu vereinbaren, solange die Höchstgrenze noch nicht erreicht ist, sodass die Rahmenvereinbarung unstreitig noch wirksam ist und die Voraussetzungen des § 132 GWB, insbesondere das Merkmal „während der Vertragslaufzeit“ erfüllt sind.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

EU-ETS: Aktualisierter Leitfaden zur Erstellung von Überwachungsplänen und Emissionsberichten veröffentlicht

Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) hat den Leitfaden zur Erstellung von Überwachungsplänen und Emissionsberichten für stationäre Anlagen für die 4. Handelsperiode im europäischen Emissionshandel aktualisiert.

Die DEHSt ist im Rahmen des europäischen Emissionshandels (EU-ETS) insbesondere für die Genehmigung von Überwachungsplänen und abschließende Bewertung von Emissionsberichten der emissionshandelspflichtigen Anlagenbetreiber zuständig.

Ihren Leitfaden zur Erstellung von Überwachungsplänen und Emissionsberichten hat die DEHSt nun aktualisiert und um Informationen über Emissionen aus Biomasse ergänzt (Kapitel 8). 

In dem aktualisierten Leitfaden sind Vorkehrungen zur Anerkennung nachhaltiger Biomasse dargestellt. Diese ist Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit des Biomasseanteils der Emissionen. Handlungsleitende Fragen für Umsetzungsvorkehrungen sind nach dem DEHSt-Leitfaden insbesondere:

  • Verwendungszweck des Biomasse-Stoffstroms und Anforderungen für eine Reduzierung der Abgabepflicht,
  • Bestimmung des Biomasseanteils im Stoffstrom,
  • Zertifizierungspflichtigkeit der Anlage,
  • notwendige Änderungen im Überwachungsplan,
  • erforderliche Prozessschritte.

Im Leitfaden sind der Rechtsrahmen für die Nachweisführung der Nachhaltigkeit, die beteiligten Akteure und ihre Aufgaben dargestellt. Ein Fokus liegt auf den für die Abzugsfähigkeit des Biomasseanteils nachzuweisenden Kriterien. Auch die Abzugsfähigkeit von Emissionen aus Biomethan aus dem Erdgasnetz wird erläutert. Der Leitfaden enthält auch Hinweise zur Erfassung von Biomasse und Nachhaltigkeitsnachweisen im Überwachungsplan sowie zur Nachweisführung im Emissionsbericht.

Autoren: Sandra Horn
                Judith Zimmermann

Nach EuGH-Urteil soll der Einspeisevorrang auch – zumindest teilweise – für Strom aus gemischten Abfallverwertungsanlagen gelten

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob auch der Strom aus thermischen Abfallverwertungsanlagen, die nur teilweise biologisch abbaubare Abfälle verwerten, einen Einspeisevorrang hat. Der EuGH entschied, dass der vorrangige Netzanschluss zumindest für den aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stromanteil zu gewähren ist.

Die Klägerin, welche eine thermische Abfallverwertungsanlage betreibt, speist die Strommengen in das von der Beklagten betriebene Stromnetz ein. Nachdem die Klägerin infolge von Netzengpässen die Stromeinspeisung abregeln musste, machte diese Entschädigungsansprüche nach der sog. Härtefallregelung des EEG geltend. Da der durch sie erzeugte Strom jedoch nicht ausschließlich aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, versagte der Stromnetzbetreiber ihr diese Entschädigung. 

Der Fall liegt nun dem BGH zur Entscheidung vor, welcher im Wege eines Vorabentscheidungsgesuchs den EuGH hinzugezogen hat. Dieser hatte zu klären, ob auch solchen Erzeugungsanlagen Vorrang bei der Stromeinspeisung in das Netz zu gewähren ist, die Elektrizität aus gemischten Abfällen mit variablen Anteilen biologisch abbaubarer Abfälle erzeugen. Der EuGH urteilte nun zugunsten der hybriden Stromerzeugungsanlagen. Allerdings gelte der Vorrang nur für den aus erneuerbaren Energien erzeugten Stromanteil. Eine konkrete Ausgestaltung der Regelungen sei zudem den Mitgliedsstaaten vorbehalten.

Das Urteil des BGH steht zwar noch aus, allerdings ist zu vermuten das dieser der Rechtsauffassung des EuGH folgen wird. 

Das Urteil des EuGH finden Sie hier

Autoren: Dr. Franziska Lietz
                Sarah Schönlau

Industriestrompreis soll endlich kommen

Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf die Beschränkung des Industriestrompreises auf 4 ct/kWh als Ziel ausgerufen hatte, geht es nun um die Frage der konkreten Umsetzung eines Industriestrompreismodells. Vizekanzler Robert Habeck bekräftigte Anfang März noch einmal, dass – trotz stark gestiegener Energiepreise – zumindest ein Industriestrompreis von 5-9 ct/kWh angepeilt werden müsse und die Ampelkoalition dies möglichst noch im ersten Halbjahr 2023 in Angriff nehmen wolle.

Bereits Mitte 2022 wurde die Einführung einer Verordnungsermächtigung der Bundesregierung zur Einführung von Industriestrompreisen beschlossen. Diese findet sich nunmehr in § 96a WindSeeG. Weiterhin herrscht jedoch Unklarheit über die konkrete Umsetzung eines Industriestrompreismodells.

Gleichzeitig verfolgt auch die Europäische Union das Ziel als Industriestandort attraktiver zu werden und daher EU-weit stabile Strompreise zu garantieren.

Die verschiedenen Ansätze und Modelle fassen wir Ihnen nachfolgend kurz zusammen:


1. Vorschlag der EU-Kommission

Am 15.03.2022 machte die EU-Kommission einen Vorschlag, wie die Strompreise möglichst auch in Krisenzeiten stabilisiert werden können. Für Industriekunden wäre das Ziel die Förderung langfristiger Verträge, um so Preisstabilität zu gewährleisten.

Die Staaten könnten entweder PPA-Hindernisse (PPA = Power Purchase Agreement) mit „marktbasierten Garantien“ beseitigen oder aber neue Stromerzeugungsanlagen über zweiseitige Differenzverträge (CfD) fördern. CfDs würden den Stromerzeugern bei niedrigen Preisen dennoch Einnahmen von gewisser Höhe garantieren, bei hohen Preisen würden Überschusserlöse dagegen abgeschöpft und an die Verbraucher zurückfließen. Das Risiko niedriger Preise würde also der Staat tragen.

Jeder Mitgliedsstaat soll – je nach örtlichen Besonderheiten und Marktlage – frei wählen können, welche Lösung er präferiert. Der Vorschlag muss allerdings noch vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten geprüft werden, sodass mit einer Entscheidung erst Ende dieses Jahres, vielleicht sogar erst nach den Europawahlen 2024, gerechnet werden kann.


2. Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums

Die Beratungsunternehmen Consentec, Enervis, Ecologic und das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung haben für das Wirtschaftsministerium dagegen ein etwas anderes Konzept erarbeitet, das aber auch über Differenzverträge funktionieren würde.

Ziel wäre es, Erzeuger von Offshore-Windenergie und industrielle Abnehmer zusammenzubringen. Hierfür solle der Staat – in von der BNetzA organisierten Ausschreibungen – Angebot und Nachfrage über Differenzverträge zusammenführen. Auf der Angebotsseite würde ein Höchstwert für die angebotene Offshore-Windenergie festgelegt. Auf der Nachfrageseite wird eine Auktion durchgeführt. Teilnehmen dürften nur Unternehmen, die gewisse Voraussetzungen – z.B. die der EU-Leitlinien für Energie- und Klimabeihilfen – erfüllen.

Der Staat wäre dann auf Angebots- und Nachfrageseite jeweils zentraler Vertragspartner. Er trüge das Risiko für die Differenz zwischen Vertrags- und Referenzpreis.

Doch die Ersteller des Konzepts sehen selbst bereits die Nachteile ihres Vorschlags. So könne mit der rechtlichen Umsetzung frühestens 2024 gerechnet werden. Das viel größere Problem wäre aber, dass dieses Modell keine bestehenden Offshore-Windparks nutzen würde, sondern nur neu zu errichtende Windparks auf extra ausgewiesenen Flächen. Die Errichtung neuer Windparks würde sich bis mindestens 2029/2030 hinziehen und ob die hier dann generierten Strommengen den industriellen Verbrauch auch nur ansatzweise abdecken, darf bezweifelt werden. Außerdem dürften die Teilnahmevoraussetzungen nicht zu streng sein, da sich sonst praktisch kein Vorteil für Deutschland als Industriestandort ergäbe, wenn ein Großteil der Industriekunden von der Teilnahme ausgeschlossen wäre.


3. Vorschlag der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK)

Deshalb kritisiert auch die DIHK den Vorschlag als realitätsfern. Sie schlägt stattdessen ein Modell vor, das sich am amerikanischen Inflation Reduction Act orientiert. Betreiber von Erneuerbaren-Energien-Anlagen sollten durch Steuervergünstigungen – wie z.B. schnellere Abschreibungen oder steuerliche Förderungen – für den Abschluss langfristiger und somit preisstabiler Stromlieferverträge belohnt werden.

Doch ganz gleich auf welches Modell die Bundesregierung sich am Ende festlegen wird, es tut sich jedenfalls etwas bezüglich der Einführung eines Industriestrompreismodells.

Besonders spannend ist in diesem Zusammenhang auch eine kleine Anfrage der Union zum Industriestrompreis vom 06.04.2023. Aus den Antworten könnten sich Klarstellungen zum deutschen Industriestrompreismodell sowie zum Fahrplan der Einführung eines solchen ergeben. Über Neuigkeiten – insbesondere eine Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage – werden wir Sie natürlich auf dem Laufenden halten.

Autoren: Dr. Franziska Lietz
                 Jan Schlüpmann

Red III: Nach knapp 2 Jahren endlich eine vorläufige Einigung über die Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie

Der Rat und das europäische Parlament haben am 30. März bekannt gegeben, dass eine vorläufige Einigung über den Inhalt der neuen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie erzielt wurde. 

Im Trilog-Verfahren haben sich die EU-Kommission, das EU-Parlament und der Europäische Rat nach fast zwei Jahren intensiver Auseinandersetzung auf eine umfassende Novelle der EU-Erneuerbaren-Richtlinie (sog. RED III) geeinigt. Einige besonders wesentliche Aspekte möchten wir hier für Sie zusammenfassen: 

Der Anteil erneuerbarer Energiequellen am Gesamtenergieverbrauch der EU soll demnach bis 2030 42,5% ausmachen und durch eine freiwillige indikative Steigerung von 2,5% soll einen Gesamtanteil von 45% erneuerbarer Energien am Bruttoenergieverbrauch erreicht werden. Gegenüber dem bisherigen 20% Ziel von 2020 ist dies in jedem Fall mehr als eine Verdopplung. 

Zudem wurden einige sektorspezifische Ziele in Bereichen beschlossen, in denen die Energiewende bisher nicht Schritt halten konnte. So wurden im Verkehrssektor verbindliche Zielvorgaben zur Senkung der Treibhausgasintensität bzw. des Anteils erneuerbarer Energiequellen aufgestellt. Es soll außerdem bis 2030 42% und bis 2035 60% des von der Industrie verwendeten Wasserstoffs aus erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs stammen. Der Anteil erneuerbarer Energieträger im Gebäudesektor soll bis 2030 mindestens 49% ausmachen. 

Es sind zudem diverse Regelungen vorgesehen, die künftig Beschleunigungen für Genehmigungsverfahren im Bereich der Erneuerbaren Energien vorsehen. Diese verstetigen die Regelungen aus der EU-Notfall-Verordnung und werden voraussichtlich insbesondere Verfahren im Bereich der Windenergie deutliche Vorteile bringen. So sollen bspw. sog. Beschleunigungsgebiete mit verkürzten Genehmigungsfristen von maximal 12 Monaten eingeführt werden. EE- und Netzausbau sollen künftig Belange sein, die im überragenden öffentlichen Interesse stehen. Darauf aufbauend soll man künftig in bestimmten Vorranggebieten auf zeitaufwendige Prüfschritte verzichten können (d.h. dass bspw. keine zweite Umwelt- und Artenschutzprüfung auf Projektebene mehr erfolgen muss, sofern eine solche auf der Planungsebene bereits erfolgt ist)

Darüber hinaus wurden strengere Anforderungen für Biomasse/Biogas beschlossen: 

Es sollen bspw. für Holz, welches zwar nach langen Auseinandersetzungen weiterhin als Energieträger den Status der Erneuerbaren Energie gilt, deutliche Verschärfungen greifen, die vor allem langfristig die Verbrennung von Holz in Großkraftwerken vermeiden sollen:  

  • Die Nachhaltigkeitskriterien werden verschärft, und zwar bereits für Anlagen mit einer Feuerungsleistung ab 7,5 MW
  • Förderfähigkeit für Strom aus Holz nicht mehr generell, sondern nur noch in wenigen Fällen
  • Herausnahme von bestimmten Holzkategorien, z.B. Säge-, Furnier-, Industrierestholz 

Darüber hinaus soll für Biogasanlagen > 2 MW, die vor dem 31.12.2020 in Betrieb genommen wurden, gelten, dass diese nach 15 Betriebsjahren, aber frühestens ab dem Jahr 2026 80 % Ihrer Treibhausgasemissionen einsparen müssen. Erneuerbare-Energien Verbände kritisieren an dieser Regelung, dass damit de facto strengere Voraussetzungen für Altanlagen als für Neuanlagen gelten würden. 

Die vorläufige Einigung muss zunächst noch den Vertretern der Mitgliedsstaaten und dem Parlament zur Billigung vorgelegt werden. Dies ist jedoch in der Regel eine reine Formsache. 

Mehr Einzelheiten zu dem Inhalt der Richtlinie finden Sie in der Pressemitteilung des Rates der EU.

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                       Sandra Schönlau

Neues aus dem Klima-Chemikalienrecht: EU-Parlament stimmt Novellierung der F-Gase-Verordnung zu und öffentliche Anhörung zur Beschränkung von PFAS läuft

Am 30.03.2023 hat das EU-Parlament der umstrittenen Novellierung der F-Gase-Verordnung zugestimmt. Damit sollen Kältemittelmengen in den nächsten Jahren noch schneller und drastischer reduziert werden. Außerdem läuft seit dem 22.03.2023 die öffentliche Anhörung zur geplanten EU-weiten Beschränkung von PFAs, zu denen auch viele F-Gase gehören.

Bereits am 05.04.2022 veröffentlichte die EU-Kommission einen ersten Vorschlag zur Novellierung der F-Gase-Verordnung (EU VO 517/2014 und RL 2019/1937), um Kältemittelmengen zu reduzieren und dem Ziel der europäischen Treibhausgasneutralität näher zu kommen. F-Gase – die unter anderem in Klimaanlagen und Wärmepumpen verwendet werden – sind mehrere hundert Mal schädlicher für das Klima als eine äquivalente Menge CO2. Am 07.03.2023 veröffentlichte der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments dann einen Änderungsvorschlag, der den bisherigen Vorschlag noch einmal deutlich verschärfte. Diesen neuen Vorschlag finden Sie hier.
Konkret sieht der Vorschlag folgenden Zeitplan zur schrittweisen Beschränkung der Mengen verwendeter F-Gase vor:
1. Ab 2024: 
  • Verbot der Wartung oder Instandhaltung von stationären Klimaanlagen (ausgenommen Kühler) mittels F-Gasen mit einem Treibhauspotenzial (GWP) von >150
  • Verbot der Wartung oder Instandhaltung von Klimaanlagen, Wärmepumpen und Kühlern mittels F-Gasen mit einem GWP von >2500
2. Ab 2025: Verbot von neuen stationären Klimaanlagen mit fluorierten Kältemitteln
3. Ab 2026: Verbot von steckfertigen Raumklimageräten, Monoblock- und anderen in sich geschlossenen Klimaanlagen und Wärmepumpengeräten mit F-Gasen
4. Ab 2027: Verbot von stationären Split-Klimaanlagen und -Wärmepumpen mit einer Füllmenge von <3kg F-Gase
5. Ab 2028:
  • Verbot von Split-Klimaanlagen und -Wärmepumpen mit F-Gasen bei einer Nennleistung von <12 kW
  • Verbot von F-Gasen in Split-Anlagen mit einer Nennleistung von >200 kW
  • Beschränkung von Split-Anlagen mit einer Nennleistung zwischen 12-200 kW auf Kältemittel mit einem GWP <750
6. Bis Ende 2029: Möglichkeit der Verwendung von aufbereiteten oder recycelten F-Gasen mit einem GWP <2500 für Wartungszwecke
Gegen die Novellierung gab es – vor allem von Kälte- und Klimaverbänden – erhebliche Kritik. Diese bemängelten vor allem:
1. Die Lebensdauer der Anlagen bleibe unberücksichtigt. Bei einer 2023 allen Anforderungen entsprechend errichteten Anlage könne es bereits ab 2024 zu Wartungsproblemen und -staus kommen.
2. Ausnahmen seien zu eng begrenzt und teilweise schwammig formuliert. In der Regel gelten Ausnahmen nur bei technischer Alternativlosigkeit des Einsatzes von F-Gasen. Die Wirtschaftlichkeit werde vollständig außer Acht gelassen. Auch sei unklar, was genau „technisch alternativlos“ bedeute und ob eine Verschlechterung der Anlage hingenommen werden müsse. In vielen Anlagen könnten alternative Kältemittel zwar verwendet werden, würden aber beispielsweise den Anwendungsbereich der Anlage verkleinern, da alternative Mittel weniger hitze- oder kältebeständig wären.
3. Die Kälte- und Klimaanlagenbranche werde durch starre Fristen unnötig unter Druck gesetzt. Liefer-, Montage- und Kapazitätsprobleme, die auftreten können, wenn alle Industrien gleichzeitig F-Gase reduzieren müssen, blieben unberücksichtigt.
Trotzdem stimmte das EU-Parlament dem Vorschlag in einer Sitzung am 30.03.2023 zu. Stimmt jetzt auch noch der EU-Rat zu, dann kann die neue F-Gase-Verordnung bereits im 3. Quartal 2023 in Kraft treten.
Außerdem ist am 22.03.2023 die öffentliche Anhörung zu einer geplanten EU-weiten Beschränkung von PFAS (per- und polyfluorierte Chemikalien) gestartet. PFAS – zu denen viele der meistverwendeten F-Gase gehören – werden auch als „ewige Chemikalien“ bezeichnet, da sie sich faktisch gar nicht abbauen und sich deshalb nach und nach überall auf der Welt ablagern. PFAS wurden am Südpol bereits genauso nachgewiesen, wie im Blut von Neugeborenen. Zur Beschränkung dieser gesamten Gruppe von Chemikalien bedarf es einer Novellierung der EU-Chemikalienverordnung (REACH). Hierzu veröffentlichte die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) am 07.02.2023 einen entsprechenden Vorschlag, den Sie hier finden können.
Vorgeschlagen wird das vollständige Verbot von PFAS (und damit auch der gängigsten F-Gase) in Neuanlagen mit 18-monatiger Übergangszeit nach Inkrafttreten der Verordnung, sodass hiermit ab Mitte/Ende 2027 gerechnet werden könnte. Für einige Anlagen, u.a. Autoklimaanlagen, soll eine 5-jährige Übergangsfrist gelten. Die Wartung und der Service von Bestandsanlagen mittels PFAS soll noch weitere zwölf Jahre erlaubt sein.
Autoren: Dr. Franziska Lietz
                Jan Schlüpmann

Recycling-Baustoffe auf dem Vormarsch

Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen mit Lieferengpässen und Preissteigerungen basierend auf weltweiten Folgen der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine, werden preiswerte und vor allem verfügbare Lösungen in allen Wirtschaftsbereichen gesucht.

Im Baubereich könnte eine dieser Lösungen der verstärkte Einsatz von Recycling-Baustoffen sein. Dies hat auch die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion erkannt und einen entsprechenden Antrag zur Stärkung des Einsatzes von Recycling-Baustoffen in den Bundestag eingebracht.
Sie weist darauf hin, dass momentan ein hoher Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bestände. Hier bedürfe es einer kurzfristigen, nicht zu teuren, aber gleichzeitig nachhaltigen Lösung.

Denn die Baubranche könne nicht nur mehr produzieren ohne nach links und rechts zu schauen. Als Verantwortliche für 60% des Ressourcenverbrauches und 50% des Abfallaufkommens weltweit sei sie eine Schlüsselbranche zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele.

Ein reines Aufstocken der Bautätigkeit scheitere gerade aufgrund dieser Schlüsselrolle auch an preislichen Überlegungen. Die Einhaltung immer strengerer Umweltauflagen sei teuer und bedürfe häufig eines hohen Ressourcenaufwandes, durch welchen trotz des Zieles Gebäude energieeffizienter zu machen, zunächst enorm viel CO² freigesetzt würde.
Gerade hier sieht die CDU/CSU Fraktion aber großes Potenzial. Der enorme Ausstoß von Treibhausgasen, welcher insbesondere bei dem Neubau eines Gebäudes entstünde, könne durch die Schonung von Primärrohstoffen reduziert werden.

Die von der Fraktion angedachte Richtung wird für die öffentliche Hand bereits durch § 45 Abs. 2 KrWG vorgegeben, welcher dazu verpflichtet, unter anderem bei Bauvorhaben, rohstoffschonende, energiesparende, abfallarme Produkte zu bevorzugen und Recyclingfähigkeit und Umweltfreundlichkeit in den Fokus zu setzen.

Sekundärrohstoffe haben jedoch bislang häufig noch den Ruf qualitativ minderwertig und auch nur begrenzt und mit viel vorheriger Anpassung einsetzbar zu sein.
Um die Nutzung von Recycling-Baustoffen zu fördern bittet die Fraktion in ihrem Antrag deshalb darum, mineralische Abfälle rechtlich nicht mehr als Abfälle zu klassifizieren, sondern den Primärbaustoffen gleich zu stellen.

Rechtsunsichere Grenzwerte für Recyclingstoffe sollten zu rechtssicheren Grenzen werden und Genehmigungsverfahren für Flächen zur Materialaufbereitung vereinfacht.
Das Vergaberecht solle insgesamt so modifiziert werden, dass Primär- und Sekundärrohstoffe bei der Erfüllung der erforderlichen bautechnischen und umweltrechtlichen Anforderungen explizit gleichbehandelt würden.
Dies klingt nach einer vielversprechenden Initiative, die Nutzung von Recycling-Baustoffen attraktiver zu gestalten und möglichst klimaschonend neuen Wohnraum zu schaffen. Es verbleibt abzuwarten, inwieweit die Umsetzung gelingen wird.

Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.

Autor:  Prof. Dr. Angela Dageförde

CBAM – Überblick und aktueller Stand

Die Einführung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus „CBAM“ (EU Carbon Border Adjustment Mechanism) steht in den Startlöchern. Ein kurzer Überblick zu Zielsetzung, Funktionsweise und aktuellem Stand.

Mit dem CBAM werden Unternehmen, die bestimmte Waren aus dem EU-Ausland in die EU importieren, verpflichtet, sog. CBAM-Zertifikate zu erwerben und abzugeben (RGC berichtete). Welche Grundstoffe/Grunderzeugnisse und damit im Zusammenhang stehende Treibhausgase CBAM-pflichtig sein sollen, ergibt sich aus Anhang I zur CBAM-Verordnung, die noch im Jahr 2023 in Kraft treten soll. Betroffen sind insbesondere Waren wie Zement, Elektrizität, Eisen, Stahl, Aluminium und Wasserstoff, bei deren Produktion klimaschädliche Treibhausgase emittiert werden.

Zum Hintergrund: Unternehmen, die diese Waren innerhalb der EU produzieren, unterfallen mit ihren Produktionsanlagen in vielen Fällen dem Europäischen Emissionshandel (EU ETS) und sind in diesem Kontext verpflichtet, EU-ETS-Zertifikate zu erwerben, was die Produktionskosten erhöht. Solange diese Waren zu einem günstigeren Preis aus dem Nicht-EU-Ausland importiert werden können, besteht aufgrund des EU-ETS für EU-Produzenten ein finanzieller Nachteil. Um zu vermeiden, dass die Produktion und damit die Emissionen ins weniger stark regulierte Nicht-EU-Ausland verlagert werden (sog. „Carbon Leakage“), wird der CBAM eingeführt.

Im Mittelpunkt des CBAM wird das CBAM-Register stehen, das alle Vorgänge im Zusammenhang mit dem CBAM abbildet. In diesem Kontext müssen diejenigen, die CBAM-pflichtige Waren in die EU einführen möchten, eine Zulassung beantragen.

Für den Import CBAM-pflichtiger Waren muss der Importeur jährlich CBAM-Zertifikate abgeben – parallel zum EU-ETS spiegelt ein Zertifikat eine Tonne THG-Emission wider, die im Produktionsprozess des importierten Produkts freigesetzt wurde. Der Preis der CBAM-Zertifikate soll an den Preis der EU-ETS-Zertifikate gekoppelt sein.

Nach dem aktuellen Zeitplan ist die Einführung des CBAM ab Oktober 2023 vorgesehen. In einer bis Ende 2025 andauernden Übergangsphase werden Importeure von verschiedenen Dokumentations- und Berichtspflichten getroffen. Erst ab 2026 tritt dann die Pflicht zum Erwerb bzw. zur Abgabe der CBAM-Zertifikate hinzu. Die Einführung des CBAM wird parallel zum Auslaufen der kostenlosen Zuteilung von EU-ETS-Zertifikaten für die dem CBAM unterliegenden Waren erfolgen.

Autorinnen: Sandra Horn
                       Lena Ziska

Update: Deutsches Modell der Auftragswertberechnung soll angepasst werden

In dem seit 2019 laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, die Auftragswertberechnung von Planungsleistungen betreffend, scheint die Bundesregierung jetzt nachzugeben.

Bislang gilt in Deutschland eine Sonderregelung, die es bei Vergabeverfahren im Planungssektor ermöglicht, den Gesamtauftragswert niedrig zu halten, indem nur der Wert gleichartiger Leistungen zusammen zu rechnen ist. Damit können mehr Aufträge unter dem Schwellenwert gehalten werden, ab welchem eine europarechtliche Ausschreibung von Aufträgen notwendig ist.
Erst Ende letzten Jahres riefen die Kommunalen Spitzenverbände und Verbände der planenden Berufe dazu auf, trotz des diesbezüglich eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission an dieser Regelung festzuhalten. Sie wiesen darin auf die enormen Vorteile der deutschen Regelung hin und vertraten die Ansicht, dass ein Verfahren vor dem EuGH keineswegs zwangsläufig gegen die deutsche Sonderregelung entschieden werden müsse (wir berichteten).

Nichtsdestotrotz scheint die Bundesregierung es nicht auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lassen zu wollen.

Dies klingt an in dem Referentenentwurf einer Verordnung zur Anpassung des deutschen Vergaberechts an neue europäische Regelungen. Dort heißt es unter anderem, dass § 3 Abs. 7 S. 2 VgV, welcher eben genau die viel diskutierte deutsche Sonderregelung ist, aufgehoben werden solle (Art. 1 Nr. 2 des Verordnungsentwurfes). Aus der Begründung wird deutlich, dass die Bundesregierung auch nicht anderweitig an der Sonderregelung festhalten möchte. Vielmehr solle zukünftig eine Zusammenrechnung der Los-Werte schon erfolgen, wenn in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität der Lose zu erkennen sei. Dass in allen anderen Fällen noch immer eine Wertberechnung nach Einzellosen erfolgen soll, vermag dabei kaum ins Gewicht zu fallen.
So äußerten sich auch der Verband Beratender Ingenieure und die Kammern und Verbände der planenden Berufe sowie des Bundesverbandes der freien Berufe und forderten die Bundesregierung auf, den Referentenentwurf so nicht in die Praxis umzusetzen.
Dass sie hiermit Erfolg haben und die Bundesregierung ihre Meinung trotz laufendem Vertragsverletzungsverfahren bis zum geplanten Inkrafttreten der Verordnung selbst am 25. Oktober 2023 noch ändert, erscheint jedoch unwahrscheinlich.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

EU-Gaspreisdeckel: Marktkorrekturmechanismus kann ab sofort aktiv werden

Die Verordnung zur Einführung eines Marktkorrekturmechanismus zum Schutz der Bürger und der Wirtschaft vor übermäßig hohen Preisen ist bereits in Kraft getreten. Mit dem europäischen Schutzmechanismus können ab sofort die Gaspreise auf EU-Ebene gedeckelt werden.

Im Dezember erzielte der Rat der EU eine Einigung über einen befristeten Marktkorrekturmechanismus zur Begrenzung übermäßig höher Gaspreise. Die entsprechende Verordnung trat bereits zum 1. Februar 2023 in Kraft, während der Marktkorrekturmechanismus seit dem 15. Februar 2023 automatisch aktiviert werden kann.

Hintergrund des Verordnungserlasses war die extreme Schwankung des europäischen Erdgasmarktes mit rekordverdächtigen Preisen im vergangenen Jahr. Mit dem Marktkorrekturmechanismus soll konkret verhindert werden, dass die Großhandelspreise über einen längeren Zeitraum erheblich über den Weltmarktpreisen liegen.

Der automatische Marktkorrekturmechanismus greift für Derivatekontrakte mit einer Laufzeit von einem Monat, drei Monaten und einem Jahr, wenn zwei Bedingungen eintreten:

  • der TTF-Month-Ahead-Preis übersteigt drei Tage lang 180 €/MWh

und 

  • der TTF-Month-Ahead-Preis liegt während desselben 3-Tage-Zeitraumes 35 € über dem Referenzpreis für LNG auf den Weltmärkten.

Überwacht wird die Preisentwicklung von der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER). Während eines aktiven Mechanismus dürfen keine Transaktionen im Zusammenhang mit unter den Marktkorrekturmechanismus fallenden Erdgas-Terminkontrakten über einer sogenannten „dynamischen Gebotsobergrenze“ durchgeführt werden. Diese berechnet sich dabei aus dem Referenzpreis für LNG auf den Weltmärkten plus 35 €/MWh. Liegt der Referenzpreis für LNG unter 145 €, bleibt die dynamische Gebotsobergrenze die Summe aus 145 € und 35 €.

Nach der Aktivierung gilt die dynamische Gebotsobergrenze für mindestens 20 Arbeitstage und wird automatisch deaktiviert, wenn die dynamische Gebotsgrenze an mindestens drei aufeinanderfolgenden Arbeitstagen wieder unter 180€/MWh liegt.

Aktuell kann weder die ACER, noch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) sichtbare Auswirkungen des Marktkorrekturmechanismus auf den europäischen Gasmarkt feststellen. Im Bericht der ACER wird jedoch betont, dass dadurch Auswirkungen in der Zukunft nicht auszuschließen sind. Wir werden Sie über weitere Entwicklungen gern an dieser Stelle auf dem Laufenden halten.

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Jacqueline Rothkopf