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Bundesrat sieht Notwendigkeit der Anhebung von EU-Schwellenwerten

Nach Auffassung des Bundesrates sind die Schwellenwerte der Europäischen Union, ab deren Erreichen öffentliche Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, seit langem nahezu unverändert. Dies sieht er als nicht mehr zeitgemäß an und hat nun einen diesbezüglichen Beschluss gefasst, der die Bundesregierung zum Handeln auffordert.

Der derzeitige EU-Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen liegt bei 215.000 €, für Bauleistungen bei 5.382.000 € (jeweils Nettobeträge). Bei Leistungen ab dieser Größenordnung wird eine Binnenmarktrelevanz angenommen und der Auftrag muss zur Förderung des europäischen Wirtschaftsraumes und dessen Zusammenwachsen europaweit ausgeschrieben werden.

Die Schwellenwerte sind 1994 auf Basis der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse beschlossen und seitdem zwar alle zwei Jahre angepasst, aber nicht grundlegend geändert worden. Die Inflation und gestiegene Marktpreise führen dazu, dass heute Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, die 1994 noch nicht als binnenmarktrelevant angesehen wurden und – nach Ansicht des Bundesrates – wohl auch heute nicht notwendiger Weise so zu bewerten sind.

Problematisch sei aus Sicht des Bundesrates insbesondere der bürokratische Aufwand, der mit einer europaweiten Ausschreibung einhergehe. Sowohl für die Auftraggeber-, als auch für die Auftragnehmerseite entstünde ein enormer Verwaltungs- und Kostenaufwand und schnelle Investitionen würden erschwert. Gerade in der föderal organisierten Bundesrepublik sei die Möglichkeit konjunkturstützender schneller Investitionen jedoch von besonderer Bedeutung. Deshalb werde dringender Handlungsbedarf gesehen, die EU-Schwellenwerte an die zwischenzeitliche Preisentwicklung anzupassen.
Nach Vorstellung des Bundesrates sollte diese Anpassung anschließend unter dem Gesichtspunkt des Inflationsausgleichs jährlich überprüft werden. Die momentane zweijährliche Überprüfung, welche sich auf die Anpassung an Wechselkursentwicklungen beschränke, wird als nicht ausreichend angesehen.
In seinem Beschluss erwähnt der Bundesrat speziell die Vergabe von Planungsleistungen und freiberuflichen Leistungen. Hier läuft gerade ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten bzgl. der nationalen Vorgaben für die Auftragswertschätzung solcher Leistungen (wir berichteten). Sollte die aktuelle deutsche Sonderregelung danach keinen Bestand haben, müssten schon verhältnismäßig kleine Aufträge europaweit ausgeschrieben werden. Auf dieses Risiko und die damit verbundenen Gefahren wiesen zuletzt auch die Verbände der planenden Berufe und die kommunalen Spitzenverbände in einer gemeinsamen Resolution hin. Der Bundesrat regt daher die Einführung eines Sonderschwellenwertes für diesen Leistungsbereich an. Sollte dies nicht erreichbar sein, sollten solche Leistungen als soziale und andere besondere Dienstleistungen gemäß Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU eingestuft werden, so dass hierfür der erhöhte EU-Schwellenwert von 750.000 € gelten würde.
Da die EU-Schwellenwerte auf Verpflichtungen der EU durch das Internationale Beschaffungsübereinkommen, dem Government Procurement Agreement (GPA) beruhen, ist der Beschluss des Bundesrates lediglich eine Aufforderung an die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für die im Beschluss genannten Ziele einzusetzen. Er hat keine unmittelbaren (vergabe-)rechtlichen Konsequenzen.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Auftragswertberechnung: Verbände wollen deutsche Regelung beibehalten

Bereits seit 2019 läuft ein die Auftragswertberechnung im Vergaberecht betreffendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Die Verbände fordern die Bundesregierung nun auf, dennoch an der jetzigen Regelung festzuhalten und es auf ein Verfahren vor dem EuGH ankommen zu lassen.

Bei der Beschaffung von Liefer-, Bau- und Dienstleistungen haben öffentliche Auftraggeber zunächst den Marktwert der benötigten Leistung zu schätzen, um die Entscheidung zu treffen, ob ein EU-weites Vergabeverfahren durchzuführen ist oder ob ein nationales Verfahren ausreicht. Die von der EU festgelegten Schwellenwerte sind in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung: Sie indizieren die sogenannte Binnenmarktrelevanz. Damit ein EU-weites Vergabeverfahren nicht dadurch vermieden werden kann, dass ein Auftrag in „mittelstandsfreundliche“ Lose aufgeteilt wird, gilt der Grundsatz, dass der Wert von Losen zu addieren ist (Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie (2014/24/EU)). In Deutschland gibt es in Bezug auf Planungsleistungen (Architekten- und Ingenieurleistungen) allerdings – wie in anderen EU-Mitgliedstaaten auch – eine Sonderregelung: Danach sind Lose von Planungsleistungen wertmäßig nur dann zu addieren, wenn es sich um Lose über „gleichartige“ Leistungen handelt (§ 3 Abs. 7 Satz 1 VgV).

Gegen diese Regelung des deutschen Gesetzgebers und entsprechende Rechtsvorschriften in 14 weiteren Mitgliedstaaten initiierte die EU-Kommission im Jahre 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren. Mit den in den Mitgliedstaaten angewandten Methoden würden mehr Auftragsausschreibungen vom europäischen Markt ferngehalten, als es die europäische Regelung erlaube.
Die Verbände der planenden Berufe und die kommunalen Spitzenverbände Deutschlands haben nun gemeinsam eine Resolution veröffentlicht, in der sie die Bundesregierung auffordern, dennoch an der aktuellen nationalen Regelung festzuhalten. Die europarechtliche Rechtslage sei nicht eindeutig, die möglichen negativen Folgen einer Anpassung jedoch enorm. Dementsprechend solle lieber eine Klärung vor dem EuGH abgewartet werden, als sich vermeintlich vorschnell dem Druck der EU-Kommission zu beugen.

Im Planungssektor wird allgemein häufig der Unmut über die Diskrepanz des Schwellenwertes für Bauvorhaben und dem für Planungsleistungen ausgedrückt. Während letzterer schon bei 215.000 € liegt, sind Bauvorhaben erst ab 5,382 Mio. € EU-weit auszuschreiben. Dies führt dazu, dass Planungsleistungen, für die ca. 20-30% der Baukosten anfallen, sehr häufig EU-weit auszuschreiben sind, während die Bauvorhaben noch unter dem Schwellenwert liegen und die Bauleistungen daher national ausgeschrieben werden können.
Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, wollen die Verbände außerdem eine Klarstellung erwirken, dass eine EU-weite Vergabe von freiberuflichen Leistungen/ Planungsleistungen ebenso wie bei der bereits geltenden Regelung für soziale und andere besondere Dienstleistungen grundsätzlich erst ab einem Auftragswert von 750.000 € netto erforderlich ist.

Sie weisen darauf hin, dass derart kleine Aufträge, wie sie hier zur Debatte ständen, keinen signifikanten Einfluss auf den Binnenmarkt hätten, ihre europaweite Ausschreibung jedoch wesentlich mehr Aufwand für die Auftragnehmer bedeuten würde und die Existenz insbesondere kleinerer Architekturbüros und die regionale Wirtschaft erheblich bedrohen würde. Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum Planungsvorhaben relativ gesehen niedrigschwelliger binnenmarktrelevant werden sollten, als komplette Bauvorhaben.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde