Kann die Bundesnetzagentur im Falle eines Gasmangels ohne IT-Unterstützung ermessensfehlerfrei entscheiden?
Die Bundesnetzagentur hat angekündigt, dass bei zeitnahem Eintritt eines Gasmangels nur pauschale Entscheidungen ohne Berücksichtigung des Einzelfalls getroffen werden können. Wir fragen uns: Darf eine Behörde das?
Wir stehen gerade vor einer bespiellosen Herausforderung: Im Falle eines kriegsbedingten Gasmangels muss die Bundesnetzagentur entscheiden, welche von tausenden deutschen Industrieunternehmen reduziert bzw. ganz abgeregelt werden sollen.
Hierbei sind viele Aspekte zu berücksichtigen: Relevanz der Güter, Branche, Lieferkette, Drohende Schäden an Anlagen und der Umwelt, Substitutionsmöglichkeiten, An- und Abfahrkosten und -zeiten und vieles mehr. Diese Aspekte hat die Bundesnetzagentur zumindest bei den Unternehmen, die über eine oder mehrere Abnahmestellen mit einer Anschlusskapazität ab 10 MWh besitzen, über eine groß angelegte Datenabfrage abgefragt (RGC berichtete). Damit verfügt die Bundesnetzagentur bereits jetzt über einen gigantischen Datensatz.
Allerdings hat die Bundesnetzagentur in ihrem Infoschreiben vom 17.5. angekündigt, dass mangels Kapazitäten zur Verarbeitung und Auswertung der vorliegenden Daten jedenfalls bis Herbst nur ratierliche Entscheidungen (also z.B. alle reduzieren um 30%) erfolgen können:
„Soweit bereits innerhalb der kommenden Wochen die Notfallstufe ausgerufen würde, könnten Maßnahmen gegenüber Letztverbrauchern nur im Wege von Allgemeinverfügungen und nur ratierlich erfolgen. Hierbei kann allenfalls eine Unterscheidung nach Branchen erfolgen. Einzelverfügungen für bestimmte Letztverbraucher sind mit den derzeit verfügbaren bzw. den kurzfristig erhältlichen Daten allenfalls in außergewöhnlichen Einzelfällen möglich.“
Aber ist es wirklich unmöglich, eine solche Datenmenge erst mit einem Vorlauf von mehreren Monaten auszuwerten? Kann die Bundesnetzagentur also auf diesen Ressourcenengpass verweisen und so auf eine Entscheidung mit ordnungsgemäß ausgeübtem Ermessen verzichten?
Dies erscheint uns gerade in dieser Situation äußerst problematisch, weil bei einem Gasmangel schnelle Entscheidungen zur Vermeidung von möglicherweise irreparablen Schäden unverzichtbar sind!
Wir meinen: In einer solchen Engpass-Lage könnten auch Behörden verpflichtet sein, sich aller Mittel zu bedienen, um möglichst umfassend Ermessenserwägungen abbilden zu können. Hierzu gehört auch der Einsatz innovativer IT-Lösungen, in der die entwickelten Kriterien abzubilden und zu bepunkten bzw. zu gewichten sind. Die gesammelten Daten der betroffenen Unternehmen stehen bereits digital zur Verfügung. Zudem sind bereits diverse Legaltech-Software-Lösungen am Markt verfügbar, um größere Entscheidungsbäume bzw. umfassende Entscheidungs-Prozesse interessengerecht abzubilden. Selbstverständlich können auch diese die Kriterien in einem ersten Schritt nicht bis ins kleinste Detail abbilden. Aber denkbar wäre bspw. eine schrittweise Näherung, indem zunächst rudimentäre Aspekte, wie Blöcke, drohende Schäden und Relevanz der Güter softwaregestützt gewichtet werden.
Ein weiterer Aspekt einer softwaregestützten Massenentscheidung wäre die Möglichkeit für die Betroffenen die größtmögliche Transparenz einer entsprechenden Behördenentscheidung abzubilden. Denn auch dies erscheint uns bei einer händischen bzw. pauschale Entscheidung kaum möglich.
Sollte der Verzicht auf eine solche Software-Unterstützung dazu führen, dass vorhandene Daten nicht ausgewertet werden und stattdessen ohne weitere Ermessensausübung pauschale Entscheidungen getroffen werden, könnte dies die Angreifbarkeit jeder einzelnen Reduzierungsentscheidung zur Folge haben.
Wir behalten uns daher vor, für unsere Mandanten das entsprechende Anliegen, softwaregestützte Entscheidungsprozesse einzusetzen, rechtlich zu verfolgen. Sollten Sie hierzu mehr erfahren wollen, melden Sie sich gern bei uns.
Wir werden zu diesen Aspekten außerdem in unserer kostenfreien 2. Veranstaltung zum Gasmangel am 2.6. um 9:30 – 11 Uhr (Infos und Anmeldung hier) berichten.