Beiträge

Industriestrompreis: Und was ist mit den KWK-Eigenerzeugern?

KWK-Eigenerzeuger müssten massive Wettbewerbs- und Kostennachteile hinnehmen.

Wir haben über das Arbeitspapier zum Industriestrompreis schon berichtet und müssen schon wieder nachlegen.

Zu recht wies heute der Geschäftsführer eines großen Industrieverbandes in einem Gespräch mit Lena Ziska und Kai Gent darauf hin, dass in dem Arbeitspapier die Eigenerzeuger vollständig vergessen wurden. Da Eigenerzeuger ihren erzeugten Strom nicht geliefert bekommen, sondern nun mal selbst erzeugen, fallen sie bei den aktuellen Überlegungen im Arbeitspapier durch das Raster. 

Das darf natürlich nicht sein! Jahrelang wurden energieintensive Unternehmen und öffentliche Körperschaften (dabei auch sehr viele Krankenhäuser, Universitäten, Schwimmbäder etc.) dazu getrieben, KWK-Eigenerzeugungsanlagen zu errichten.

In nur wenigen Fällen liegen die Gestehungskosten hierbei – auch bei Erhalt eines KWK-Bonus – unter dem Grenzpreis des „Brückenpreises“ in Höhe von 6 ct/kWh, der nach dem Arbeitspapier bis 2030 gelten soll. Damit würden die betroffenen KWK-Eigenerzeuger massiv gegenüber denjenigen Unternehmen benachteiligt, die ohne zu investieren, den Strom nur von Dritten beziehen.

Autor: Prof. Dr. Kai Gent

Arbeitspapier zu Industriestrompreis gefährdet aktuelle PPA-Projekte!

Es bedarf einer schnellstmöglichen Klarstellung aus dem Bundeswirtschaftsministerium!

Wir haben über das Arbeitspapier zu Industriestrompreisen von Wirtschaftsminister Habeck bereits berichtet. Auf einen sehr wichtigen Punkt möchten wir ergänzend hinweisen:

Das Arbeitspapier gefährdet die aktuellen Verhandlungen und den aktuellen Abschluss von PPAs!

Das Arbeitspapier schweigt nämlich dazu, ob Unternehmen von dem Industriestrompreis beim Bezug von PPA-Strom profitieren können und ob dies ggf. auch für die Fälle gilt, in denen PPA-Verträge vor der Einführung des Industriestrompreises abgeschlossen wurden. In Betracht käme auch eine nur teilweise Geltung für PPAs, wie z.B. im Rahmen der Strompreisbremse, die ausschließlich für PPA-Netzlieferungen, aber nicht für PPA-Lieferungen über einen Direktanschluss oder innerhalb einer Kundenanlage gilt.

Solange diese Fragen nicht geklärt sind, kann man keinem Unternehmen den kurzfristigen Abschluss von PPAs empfehlen. Dies zumindest dann nicht, wenn sich der PPA-Anbieter auf keine Sonderkündigungsrechte im Zusammenhang mit dem Industriestrompreis einlässt. Anderenfalls drohen dem Unternehmen während der – üblicherweise sehr langen – Vertragslaufzeit ganz erhebliche Wettbewerbsnachteile.

Das Bundeswirtschaftsministerium muss hier daher schnellstmöglich Klarheit schaffen!

Autor: Prof. Dr. Kai Gent

Habeck legt Arbeitspapier zum Industriestrompreis vor

2-Stufen-Modell mit höchst idealistischen Zielsetzungen und Voraussetzungen sowie ungeklärter Finanzierung!

Wirtschaftsminister Habeck hat am Freitag das erwartete Arbeitspapier für einen Industriestrompreis vorgelegt, das hier heruntergeladen werden kann. Das Papier soll als Grundlage für einen Austausch etwa mit dem Bündnis Zukunft Industrie, den Energie- und Wirtschaftsministerien der Länder und Parlamentsvertretern dienen.

Die Intention des Industriestrompreises ist uneingeschränkt zu befürworten: „Energieintensive Unternehmen in Deutschland sollen dauerhaft, aber auch in mittlerer Frist in unserem Land wettbewerbsfähig bleiben.“

Dies soll in einem 2-Stufen-Modell erreicht werden, und zwar über einen mittelfristigen Brückenstrompreis (begrenzt bis 2030) und einen langfristigen Transformationsstrompreis.

Einige Fakten zum Brückenstrompreis:

  • Begünstigte = Energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, und neue energieintensive Transformationsindustrie
  • Antragsverfahren = Nutzung der erprobten Besonderen Ausgleichsregelung (BesAR)
  • Höhe/Erstattung =  Erstattung des Strommehrpreises > 6 ct/kWh
  • Menge = 80 % des Verbrauchs (Ziel: Sparanreiz)
  • Finanzierung = 25 bis 30 Mrd. Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (bereits ausdrücklich abgelehnt aus dem Bundesfinanzministerium)
  • Voraussetzungen: Transformationsverpflichtung (klimaneutral bis 2045), Tariftreue und Standortgarantie

Einige Fakten zum Transformationsstrompreis:

  • Ziel: Wettbewerbsfähiger erneuerbarer Industriestrompreis in Nähe der Gestehungskosten
  • Erneuerbare Energien (EE): Weitere Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus von EE mit Kapitalkostenreduzierung durch Staatsbürgschaften und Zinsverbilligungen
  • Förderung: EE-Anlagen, zuerst Off-Shore-Wind, dann On-Shore-Wind und PV, über Contracts for Difference (CfD)
  • Grünstrombezug: Industrie schließt PPAs mit EE-Anlagenbetreiber und Staatsbürgschaften sowie ggf. mit Haftungsfreistellung von kreditgebenden Banken ab
  • Mittelstand: Zugang zu PPAs soll verbessert werden
  • Netzentgelte: Reduzierung bei Grünstrombezug aus räumlicher Nähe

Eines ist sicher: Das Arbeitspapier wird die Diskussionen um einen Industriestrompreis befeuern. Leider enthält das Papier wenig tatsächlich greifbare oder konkretisierte Inhalte. Wir hätten uns gerade nach den Erfahrungen mit der schlussendlich (nach lautem Tamtam) abgesagten Gasspeicherumlage, den gesetzestechnisch missglückten Preisbremsen und der nicht abreißenden Auseinandersetzungen um die Ölheizungen eine andere Grundlage für die Befassung mit dem wichtigen Thema eines Industriestrompreises gewünscht. Strategisch besser wäre es auch, den skeptischen bis ablehnenden Bundesfinanzminister von vornherein mit einzubeziehen. Ein gemeinsames Arbeitspapier wäre ein erfreuliches Signal für den Industriestandort Deutschland gewesen!

Möchte man einzelne Punkte aus dem Arbeitspapier kritisieren, dann müssen die realitätsfremden Voraussetzungen insb. der Tariftreue und Standortgarantien, die ungenügende Berücksichtgung des Mittelstandes beim Brückenstrompreis sowie das unüberschaubare Risiko für den Staatshaushalt und die ungeklärte Finanzierung genannt werden.

Und sollte der Industriestrompreis in der angedachten Weise kommen, bleibt vom Wettbewerb auf dem Strommarkt nicht mehr viel übrig. Wir springen in eine weitgehende Regulierung. Aber dieses politische/gesetzgeberische Mittel scheint in Berlin ja immer populärer zu werden.

Autor: Prof. Dr. Kai Gent

Industriestrompreis soll endlich kommen

Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf die Beschränkung des Industriestrompreises auf 4 ct/kWh als Ziel ausgerufen hatte, geht es nun um die Frage der konkreten Umsetzung eines Industriestrompreismodells. Vizekanzler Robert Habeck bekräftigte Anfang März noch einmal, dass – trotz stark gestiegener Energiepreise – zumindest ein Industriestrompreis von 5-9 ct/kWh angepeilt werden müsse und die Ampelkoalition dies möglichst noch im ersten Halbjahr 2023 in Angriff nehmen wolle.

Bereits Mitte 2022 wurde die Einführung einer Verordnungsermächtigung der Bundesregierung zur Einführung von Industriestrompreisen beschlossen. Diese findet sich nunmehr in § 96a WindSeeG. Weiterhin herrscht jedoch Unklarheit über die konkrete Umsetzung eines Industriestrompreismodells.

Gleichzeitig verfolgt auch die Europäische Union das Ziel als Industriestandort attraktiver zu werden und daher EU-weit stabile Strompreise zu garantieren.

Die verschiedenen Ansätze und Modelle fassen wir Ihnen nachfolgend kurz zusammen:


1. Vorschlag der EU-Kommission

Am 15.03.2022 machte die EU-Kommission einen Vorschlag, wie die Strompreise möglichst auch in Krisenzeiten stabilisiert werden können. Für Industriekunden wäre das Ziel die Förderung langfristiger Verträge, um so Preisstabilität zu gewährleisten.

Die Staaten könnten entweder PPA-Hindernisse (PPA = Power Purchase Agreement) mit „marktbasierten Garantien“ beseitigen oder aber neue Stromerzeugungsanlagen über zweiseitige Differenzverträge (CfD) fördern. CfDs würden den Stromerzeugern bei niedrigen Preisen dennoch Einnahmen von gewisser Höhe garantieren, bei hohen Preisen würden Überschusserlöse dagegen abgeschöpft und an die Verbraucher zurückfließen. Das Risiko niedriger Preise würde also der Staat tragen.

Jeder Mitgliedsstaat soll – je nach örtlichen Besonderheiten und Marktlage – frei wählen können, welche Lösung er präferiert. Der Vorschlag muss allerdings noch vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten geprüft werden, sodass mit einer Entscheidung erst Ende dieses Jahres, vielleicht sogar erst nach den Europawahlen 2024, gerechnet werden kann.


2. Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums

Die Beratungsunternehmen Consentec, Enervis, Ecologic und das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung haben für das Wirtschaftsministerium dagegen ein etwas anderes Konzept erarbeitet, das aber auch über Differenzverträge funktionieren würde.

Ziel wäre es, Erzeuger von Offshore-Windenergie und industrielle Abnehmer zusammenzubringen. Hierfür solle der Staat – in von der BNetzA organisierten Ausschreibungen – Angebot und Nachfrage über Differenzverträge zusammenführen. Auf der Angebotsseite würde ein Höchstwert für die angebotene Offshore-Windenergie festgelegt. Auf der Nachfrageseite wird eine Auktion durchgeführt. Teilnehmen dürften nur Unternehmen, die gewisse Voraussetzungen – z.B. die der EU-Leitlinien für Energie- und Klimabeihilfen – erfüllen.

Der Staat wäre dann auf Angebots- und Nachfrageseite jeweils zentraler Vertragspartner. Er trüge das Risiko für die Differenz zwischen Vertrags- und Referenzpreis.

Doch die Ersteller des Konzepts sehen selbst bereits die Nachteile ihres Vorschlags. So könne mit der rechtlichen Umsetzung frühestens 2024 gerechnet werden. Das viel größere Problem wäre aber, dass dieses Modell keine bestehenden Offshore-Windparks nutzen würde, sondern nur neu zu errichtende Windparks auf extra ausgewiesenen Flächen. Die Errichtung neuer Windparks würde sich bis mindestens 2029/2030 hinziehen und ob die hier dann generierten Strommengen den industriellen Verbrauch auch nur ansatzweise abdecken, darf bezweifelt werden. Außerdem dürften die Teilnahmevoraussetzungen nicht zu streng sein, da sich sonst praktisch kein Vorteil für Deutschland als Industriestandort ergäbe, wenn ein Großteil der Industriekunden von der Teilnahme ausgeschlossen wäre.


3. Vorschlag der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK)

Deshalb kritisiert auch die DIHK den Vorschlag als realitätsfern. Sie schlägt stattdessen ein Modell vor, das sich am amerikanischen Inflation Reduction Act orientiert. Betreiber von Erneuerbaren-Energien-Anlagen sollten durch Steuervergünstigungen – wie z.B. schnellere Abschreibungen oder steuerliche Förderungen – für den Abschluss langfristiger und somit preisstabiler Stromlieferverträge belohnt werden.

Doch ganz gleich auf welches Modell die Bundesregierung sich am Ende festlegen wird, es tut sich jedenfalls etwas bezüglich der Einführung eines Industriestrompreismodells.

Besonders spannend ist in diesem Zusammenhang auch eine kleine Anfrage der Union zum Industriestrompreis vom 06.04.2023. Aus den Antworten könnten sich Klarstellungen zum deutschen Industriestrompreismodell sowie zum Fahrplan der Einführung eines solchen ergeben. Über Neuigkeiten – insbesondere eine Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage – werden wir Sie natürlich auf dem Laufenden halten.

Autoren: Dr. Franziska Lietz
                 Jan Schlüpmann