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Update: Deutsches Modell der Auftragswertberechnung soll angepasst werden

In dem seit 2019 laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, die Auftragswertberechnung von Planungsleistungen betreffend, scheint die Bundesregierung jetzt nachzugeben.

Bislang gilt in Deutschland eine Sonderregelung, die es bei Vergabeverfahren im Planungssektor ermöglicht, den Gesamtauftragswert niedrig zu halten, indem nur der Wert gleichartiger Leistungen zusammen zu rechnen ist. Damit können mehr Aufträge unter dem Schwellenwert gehalten werden, ab welchem eine europarechtliche Ausschreibung von Aufträgen notwendig ist.
Erst Ende letzten Jahres riefen die Kommunalen Spitzenverbände und Verbände der planenden Berufe dazu auf, trotz des diesbezüglich eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission an dieser Regelung festzuhalten. Sie wiesen darin auf die enormen Vorteile der deutschen Regelung hin und vertraten die Ansicht, dass ein Verfahren vor dem EuGH keineswegs zwangsläufig gegen die deutsche Sonderregelung entschieden werden müsse (wir berichteten).

Nichtsdestotrotz scheint die Bundesregierung es nicht auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lassen zu wollen.

Dies klingt an in dem Referentenentwurf einer Verordnung zur Anpassung des deutschen Vergaberechts an neue europäische Regelungen. Dort heißt es unter anderem, dass § 3 Abs. 7 S. 2 VgV, welcher eben genau die viel diskutierte deutsche Sonderregelung ist, aufgehoben werden solle (Art. 1 Nr. 2 des Verordnungsentwurfes). Aus der Begründung wird deutlich, dass die Bundesregierung auch nicht anderweitig an der Sonderregelung festhalten möchte. Vielmehr solle zukünftig eine Zusammenrechnung der Los-Werte schon erfolgen, wenn in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität der Lose zu erkennen sei. Dass in allen anderen Fällen noch immer eine Wertberechnung nach Einzellosen erfolgen soll, vermag dabei kaum ins Gewicht zu fallen.
So äußerten sich auch der Verband Beratender Ingenieure und die Kammern und Verbände der planenden Berufe sowie des Bundesverbandes der freien Berufe und forderten die Bundesregierung auf, den Referentenentwurf so nicht in die Praxis umzusetzen.
Dass sie hiermit Erfolg haben und die Bundesregierung ihre Meinung trotz laufendem Vertragsverletzungsverfahren bis zum geplanten Inkrafttreten der Verordnung selbst am 25. Oktober 2023 noch ändert, erscheint jedoch unwahrscheinlich.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Auftragswertberechnung: Verbände wollen deutsche Regelung beibehalten

Bereits seit 2019 läuft ein die Auftragswertberechnung im Vergaberecht betreffendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Die Verbände fordern die Bundesregierung nun auf, dennoch an der jetzigen Regelung festzuhalten und es auf ein Verfahren vor dem EuGH ankommen zu lassen.

Bei der Beschaffung von Liefer-, Bau- und Dienstleistungen haben öffentliche Auftraggeber zunächst den Marktwert der benötigten Leistung zu schätzen, um die Entscheidung zu treffen, ob ein EU-weites Vergabeverfahren durchzuführen ist oder ob ein nationales Verfahren ausreicht. Die von der EU festgelegten Schwellenwerte sind in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung: Sie indizieren die sogenannte Binnenmarktrelevanz. Damit ein EU-weites Vergabeverfahren nicht dadurch vermieden werden kann, dass ein Auftrag in „mittelstandsfreundliche“ Lose aufgeteilt wird, gilt der Grundsatz, dass der Wert von Losen zu addieren ist (Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie (2014/24/EU)). In Deutschland gibt es in Bezug auf Planungsleistungen (Architekten- und Ingenieurleistungen) allerdings – wie in anderen EU-Mitgliedstaaten auch – eine Sonderregelung: Danach sind Lose von Planungsleistungen wertmäßig nur dann zu addieren, wenn es sich um Lose über „gleichartige“ Leistungen handelt (§ 3 Abs. 7 Satz 1 VgV).

Gegen diese Regelung des deutschen Gesetzgebers und entsprechende Rechtsvorschriften in 14 weiteren Mitgliedstaaten initiierte die EU-Kommission im Jahre 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren. Mit den in den Mitgliedstaaten angewandten Methoden würden mehr Auftragsausschreibungen vom europäischen Markt ferngehalten, als es die europäische Regelung erlaube.
Die Verbände der planenden Berufe und die kommunalen Spitzenverbände Deutschlands haben nun gemeinsam eine Resolution veröffentlicht, in der sie die Bundesregierung auffordern, dennoch an der aktuellen nationalen Regelung festzuhalten. Die europarechtliche Rechtslage sei nicht eindeutig, die möglichen negativen Folgen einer Anpassung jedoch enorm. Dementsprechend solle lieber eine Klärung vor dem EuGH abgewartet werden, als sich vermeintlich vorschnell dem Druck der EU-Kommission zu beugen.

Im Planungssektor wird allgemein häufig der Unmut über die Diskrepanz des Schwellenwertes für Bauvorhaben und dem für Planungsleistungen ausgedrückt. Während letzterer schon bei 215.000 € liegt, sind Bauvorhaben erst ab 5,382 Mio. € EU-weit auszuschreiben. Dies führt dazu, dass Planungsleistungen, für die ca. 20-30% der Baukosten anfallen, sehr häufig EU-weit auszuschreiben sind, während die Bauvorhaben noch unter dem Schwellenwert liegen und die Bauleistungen daher national ausgeschrieben werden können.
Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, wollen die Verbände außerdem eine Klarstellung erwirken, dass eine EU-weite Vergabe von freiberuflichen Leistungen/ Planungsleistungen ebenso wie bei der bereits geltenden Regelung für soziale und andere besondere Dienstleistungen grundsätzlich erst ab einem Auftragswert von 750.000 € netto erforderlich ist.

Sie weisen darauf hin, dass derart kleine Aufträge, wie sie hier zur Debatte ständen, keinen signifikanten Einfluss auf den Binnenmarkt hätten, ihre europaweite Ausschreibung jedoch wesentlich mehr Aufwand für die Auftragnehmer bedeuten würde und die Existenz insbesondere kleinerer Architekturbüros und die regionale Wirtschaft erheblich bedrohen würde. Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum Planungsvorhaben relativ gesehen niedrigschwelliger binnenmarktrelevant werden sollten, als komplette Bauvorhaben.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde