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Wie die Füllstände von Gasspeichern in Deutschland künftig gesetzlich abgesichert werden sollen

Ein Grund für die anhaltende Energiepreiskrise im Gasbereich sind die niedrigen Füllstände der Gasspeicher in Deutschland. Mit einem Gasspeichergesetz soll der Problemstellung jetzt für die Zukunft entgegengewirkt werden.

Am 25. März 2022 hat der Bundestag nach 2. und 3. Lesung dem „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen (Gasspeichergesetz)“ zugestimmt. Dieses führt einen neuen Teil 3a in das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ein, welcher die neuen Vorgaben für Gasspeichern enthält.

Bislang spielten Gasspeicher vor allem eine wichtige Rolle im Gashandel. Durch das Ausnutzen von Preisdifferenzen und dem Zeitversatz zwischen Ein- und Ausspeicherung konnten durch An- und Verkauf von Gasmengen Gewinne erzielt werden. Vielfach kauften Gashändler Gas im Sommer günstig ein, um es im Winter auszuspeichern und teuer zu verkaufen. Außerdem spielen Gasspeicher eine wichtige Rolle für den Strommarkt. Die Füllstände werden u.a. genutzt, wenn die Stromerzeugung (insb. aus Erneuerbaren) schwankt bzw. nicht ausreicht, um die Bedarfe zu decken.

Nach dem Gasspeichergesetz sollen die Betreiber von Erdgasspeichern in Deutschland verpflichtet werden, diese schrittweise zu füllen, um mit Blick auf den kommenden Winter die Gasversorgung sicherzustellen und heftige Preisschwankungen zu verhindern. Die Hintergründe des Gasspeichergesetzes erläutert das Bundeswirtschaftsministerium hier.

Künftig soll der sogenannte Marktgebietsverantwortliche, die Trading Hub Europe, verpflichtet werden, die Gasspeicher Schritt für Schritt bis auf 90 % zum 1. November 2022 zu füllen. Zum 1. Oktober soll der Füllstand 80 % betragen; am darauffolgenden 1. Februar 40%. Die Regelungen sollen zunächst bis April 2025 befristet sein.

Zur Erreichung dieser Füllstände sieht das Gasspeichergesetz ein dreistufiges Eskalationsszenario vor: Vorrangig soll die Speicherbefüllung marktbasiert erfolgen. Sollte dies nicht ausreichen, sind Anreize über Ausschreibungen vorgesehen. Dieses neue Instrument nennt sich „Strategic Storage Based Options – SSBO“. Sollte dies nicht ausreichen, werden in einem zweiten Schritt zusätzliche SSBO Sonderausschreibungen stattfinden. Reicht auch dies nicht aus, um die anvisierten Speicherstände zu erreichen, soll in einem dritten Schritt der Marktgebietsverantwortliche selbst Gas einkaufen und damit die Speicher füllen.

Die Mitwirkung der Speicherbetreiber soll außerdem streng sanktioniert werden. Um eine Kapazitätshortung zu vermeiden und die Pflicht-Füllstände sicherzustellen, spricht das Ministerium von einem „Use-it-or-loose-it“-Mechanismus. Das bedeutet, wer eine gebuchte Speicherkapazität nicht nutzt, dem kann sie entzogen und dem Marktgebietsverantwortlichen zur Verfügung gestellt werden, damit sie entweder im Rahmen einer SSBO-Ausschreibung von Dritten oder vom Marktgebietsverantwortlichen selbst befüllt werden können.

Zur Deckung der Kosten für diese Maßnahmen ist eine Umlage auf die Gasnetznutzer geplant. Laut dem Ministerium sei die Höhe dieser Umlage aktuell kaum zu prognostizieren, da nicht abschätzbar sei, inwieweit die Marktmechanismen funktionieren und inwieweit Eingriffe und tatsächlicher Gaseinkauf durch den Marktgebietsverantwortlichen erforderlich werden. Man könnte dies auch so deuten, dass bislang Unklarheit besteht, inwieweit insbesondere Speicherbetreiber, aber auch Gashandelsunternehmen, bei diesen Maßnahmen zur Kooperation bereit sind. Das Ministerium hält es sogar für möglich, dass bei einer Ausspeicherung in Hochpreisphasen, z.B. im Winter sogar Gewinne entstehen und so die Gaskunden entlastet werden können.

Werden solche Pflicht-Füllstände eingeführt, stehen allerdings den bisherigen Funktionen von Gasspeichern nur noch deutlich reduzierte Kapazitäten zur Verfügung. Die Reduzierung dieser Rolle der Gasspeicher als Flexibilitätsinstrument wird bereits von einigen Seiten kritisiert. Es ist außerdem denkbar, dass durch diese Inanspruchnahme der Gasspeicher deutlich höhere Aktivitäten im Strom-Redispatch erfolgen könnten, weil ein Ausgleich von Schwankungen über den Gasmarkt nur noch eingeschränkt möglich ist.

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                       Yvonne Hanke

Energieversorgung in der Krise – Kündigungen, Insolvenzen, Gasmangel

In unserem Workshop RGC-Fokus zur Energieversorgung in der Krise geben wir Ihnen in 1,5 Stunden einen Überblick über die wichtigsten Rechtsfragen und wichtige Tipps für Industrieunternehmen aus unserer Beratungspraxis.

Seit Monaten steckt der Energiemarkt in der Krise. Mit der gestrigen Ankündigung des Bundeswirtschaftsministeriums, das Verfahren für Nordstream 2 aufgrund der Ukraine-Krise zu stoppen, könnte sich diese Situation noch verschärfen.

Für Industrieunternehmen stellen sich daher aktuell völlig neue Herausforderungen. Wir haben für Sie die wichtigsten Fragestellungen identifiziert und werden diese in unserem RGC-Fokus „Energieversorgung in der Krise – Kündigungen, Insolvenzen, Gasmangel“ am 29.03.2022 von 9:30-11:00 Uhr für Sie einordnen und rechtlich bewerten.

Unseren Themen sind:

  • Energieverträge: Kündigungen, Lieferstopps, Vertrags- und Preisanpassungen:
    Manche Versorger versuchen aktuell, vertraglich ihre wirtschaftlich prekäre Situation – ausgelöst z.B. durch ungünstige langfristige Energieeinkäufe – zu verbessern. In diesem Fall haben sich Unternehmen oft damit auseinanderzusetzen, ob Kündigungen, Lieferstopps, Vertrags- oder Preisanpassungen wirksam sind. Anhand von Praxisbeispielen erläutern wir, welches Vorgehen in typischen Situationen sinnvoll ist.
  • To-Do´s für Industrieunternehmen bei Versorgerinsolvenzen:
    Andere Versorger sind über die Frage von vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten schon hinaus: Sie mussten Insolvenz anmelden, z.B. weil die aktuell extrem hohen Spotmarktpreise für sie nicht mehr zu stemmen sind. Kunden werden von dieser Situation oft überrascht und müssen sich in kürzester Zeit einen neuen Versorger suchen. Preisnachteile sind in diesem Fall die Regel. Wie entsprechende Schadensersatzansprüche verfolgt und ggf. noch nicht ausgezahlte Privilegien „gerettet“ werden können, werden wir ebenfalls im Rahmen der Veranstaltung behandeln.
  • Extremsituation Gasmangel:
    Was passiert, wenn Energieversorgung noch nicht einmal mehr eine Preisfrage ist, sondern die verfügbare Gasmenge nicht mehr zur Versorgung aller Gaskunden ausreicht? Die aktuelle geopolitische Lage macht leider erfoderlich, dass wir auch die Folgen dieses Szenarios einmal juristisch betrachten: Welche Regelungen gelten nach EU- und nationalem Recht für die Gasknappheit? Wer wird noch versorgt, wenn anderen schon das Gas ausgeht? Und was ist Unternehmen in diesen Fällen zu raten?

Hier geht’s zur Veranstaltung, weiteren Infos, Agenda und Online-Anmeldung.

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                        Yvonne Hanke
                        Michelle Hoyer, LL.M.

EU veröffentlicht Entwurf für neuen Lieferketten-Rechtsakt

Lange hat es sich angekündigt, jetzt wurde der Entwurf für einen EU-Lieferketten-Rechtsakt vorgelegt, der in einigen Punkten deutlich über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgeht.

Heute, am 23.02.2022, hat die EU einen Lieferketten-Rechtsakt veröffentlicht. Einige Details waren schon im Vorfeld durchgesickert (RGC berichtete).

Der Entwurf einer „DIRECTIVE OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL on Corporate Sustainability Due Diligence and amending Directive (EU) 2019/1937“ formuliert in Artikel 2 den Anwendungsbereich für

  • Unternehmen, die im Durchschnitt mehr als 500 Mitarbeiter und einen weltweiten Umsatz von mehr als 150 Mio. EUR im letzten Geschäftsjahr haben oder
  • Unternehmen, die im Durchschnitt mehr als 250 Mitarbeiter und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 40 Euro Mio. im letzten Geschäftsjahr haben, sofern mindestens 50 % dieses Nettoumsatzes in einer „Risikobranche“ erfolgt.

Besonders genannt werden diesbezüglich die (Risiko-)Branchen:

  • Herstellung von Textilien, Leder und verwandten Produkten (einschließlich Schuhen) und der Großhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen,
  • Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei (einschließlich Aquakultur),
  • Herstellung von Lebensmittel und Großhandel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen,
  • lebende Tiere, Holz, Lebensmittel und Getränke,
  • Gewinnung von Bodenschätzen, unabhängig davon, wo sie gewonnen werden (einschließlich Erdöl, Erdgas, Kohle, Braunkohle, Metalle und Metallerze sowie alle anderen, nichtmetallischen Mineralien und Steinbruchprodukte),
  • Herstellung von Grundmetallprodukten, anderen nichtmetallischen Mineralprodukten und verarbeitete Metallprodukte (außer Maschinen und Ausrüstung) und Großhandel mit mineralischen Rohstoffen, Grund- und Zwischenmineralien-Produkte (einschließlich Metalle und Metallerze, Baumaterialien, Brennstoffe, Chemikalien und andere Zwischenprodukte).

Zudem gelten die Regelungen unter bestimmten Bedingungen auch für größere Unternehmen, die in einem Drittstaat gegründet wurden und z.B. größere Umsätze in der EU erwirtschaften.

Der Richtlinienentwurf sieht insbesondere die folgenden Pflichten für die erfassten Unternehmen vor:

  • Einbeziehung der Lieferketten-Sorgfaltspflicht in ihre Politik, vgl. Artikel 5;
  • Ermittlung tatsächlicher oder potenzieller nachteiliger Auswirkungen der Aktivitäten des Unternehmens bzw. der Lieferkette auf Menschenrechte und der Umwelt, vgl. Artikel 6;
  • Vermeidung und Minderung potenzieller negativer Auswirkungen und Herbeiführung tatsächlicher negativer Auswirkungen;
  • Beendigung dieser Auswirkungen bzw. Minimierung ihres Ausmaßes, vgl. Artikel 7 und 8;
  • Einrichtung und Aufrechterhaltung eines Beschwerdeverfahrens, vgl. Artikel 9;
  • Überwachung der Wirksamkeit ihrer Sorgfaltspflichtpolitik und -maßnahmen, vgl. Artikel 10;
  • Öffentliche Kommunikation zur Sorgfaltspflicht, vgl. Artikel 11.

Der Pflichtenkanon und das Vorgehen des Richtlinien-Entwurfes sind daher dem deutschen Lieferkettengesetz nicht unähnlich. Im Detail ergeben sich – nicht nur durch den größeren Anwendungsbereich – aber weitreichende Unterschiede. Wir werden den Entwurf in den nächsten Tagen und Wochen weiter auswerten und an dieser Stelle bei Gelegenheit berichten.

Autorin: Dr. Franziska Lietz

Frist abgelaufen: Whistleblower-Richtlinie gilt jetzt unmittelbar

Weil der deutsche Gesetzgeber die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie bislang versäumt hat, gilt diese seit Ende Dezember 2021 nunmehr unmittelbar. Was das mit Energie-, Umwelt- und Klimarecht zu tun hat, erklären wir im Artikel.

EU-Richtlinien richten sich grundsätzlich nur an die Mitgliedstaaten, die diese dann in eigenständige, nationale Gesetze umsetzen müssen, bei denen ihnen grundsätzlich ein großer Umsetzungsspielraum, begrenzt von Mindestanforderungen der Richtlinie, zusteht. Schafft es ein Mitgliedstaat allerdings nicht, eine EU-Richtlinie innerhalb der Umsetzungsfrist in ein Gesetz zu gießen, dann ist die Richtlinie unmittelbar anwendbar, d.h. Bürger und Unternehmen in den Mitgliedstaaten können und müssen aus der Richtlinie nunmehr Rechte und Pflichten ableiten.

So geschehen auch bei der EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern, sog. EU-Whistleblower-Richtlinie (RL (EU) 2019/1937): Am 17.12.2021 ist die zweijährige Umsetzungsfrist abgelaufen. Viele Unternehmen haben schon freiwillige Formen von Hinweisgebersystemen installiert. Aber seit dem 17.12.2021 sind Unternehmen nunmehr unmittelbar verpflichtet, die Vorgaben zum Schutz von sog. „Whistleblowern“ oder „Hinweisgebern“ aus der EU-Richtlinie umzusetzen.

Wer ist betroffen?

Die Pflichten aus der Richtline bestehen im Grundsatz nur für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern. Für Unternehmen aus den Branchen Finanzdienstleistung, Verkehrssicherheit und Umweltschutz besteht die Pflicht jedoch für alle Unternehmen, unabhängig von der Mitarbeiterzahl. Kleinere Unternehmen zwischen 50 und 249 Beschäftigten haben bei der Umsetzung übrigens etwas mehr Zeit: Für sie gilt eine Übergangsfrist bis zum 17.12.2023.

Aus der Richtlinie ist übrigens nicht ganz eindeutig ersichtlich, ob es ausreicht, einen Meldekanal für alle Unternehmen eines Konzerns vorzuweisen, oder ob jede Konzerngesellschaft eine eigene Einrichtung bedarf. Dies bspw. hätte Gegenstand der Konkretisierung durch den deutschen Gesetzgeber sein sollen.

Was genau ist zu tun?

Die Richtlinie sieht u. a. vor, dass Meldekanäle und Verfahren für Meldungen zu Rechtsverstößen eingerichtet werden müssen. Es sind hierbei Prozesse für interne und externe Meldungen vorgesehen und auch bereits im Rahmen der Richtlinie relativ tiefgehend ausgestaltet geregelt.

Im Rahmen der internen Meldung muss zunächst ein den Richtlinienanforderungen genügender Meldekanal im Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, damit ein Hinweisgeber z.B. telefonisch oder schriftlich melden kann. Diese Meldung ist sodann intern durch eine unparteiische Person oder Abteilung zu prüfen. Zuerst ist eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen. So sollen Bagatellen und leicht zu klärende Vorwürfe herausgefiltert werden. Wenn die Vorwürfe fortbestehen, ist eine interne Untersuchung durchzuführen. Es muss zudem sichergestellt werden, dass der Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten Rückmeldung zu seinem Hinweis erhält.

Außerdem verpflichtet die Whistleblower-Richtlinie erstmals die Mitgliedstaaten dazu, dass Hinweisgeber neben einem internen Meldekanal auch einen externen behördlichen Kanal nutzen können. Bei diesem externen Meldekanal kann der Hinweisgeber seinen Hinweis auch dann äußern, wenn er den internen Meldekanal seines Unternehmens (noch) nicht genutzt hat. Auch seitens der Behörde muss wieder eine Plausibilitäts-/Stichhaltigkeitsprüfung stattfinden und – sollten sich die Hinweise erhärten – eine Untersuchung angestrengt werden.

Darüber hinaus sieht die Whistlelower-Richtlinie weitereichende Schutzvorschriften für Arbeitnehmer vor (sog. Verbot von „Vergeltungsmaßnahmen“), z.B. Kündigungsschutz und Verbot von sonstigen Maßnahmen, wie Beförderungsverweigerung oder Gehaltskürzung. Ebenfalls bedeutsam ist, dass die Vorgaben des (EU)-Datenschutzrechts auch im Rahmen des Hinweisgebersystems vom Arbeitgeber zwingend zu beachten sind.

Welche Verstöße sind betroffen?

Nach der Richtlinie sind zunächst einmal nur Hinweise zu Rechtsverstößen gegen bestimmte EU-Rechtsakte vom Hinweisgeberschutz umfasst. Aber dem deutschen Gesetzgeber steht es frei, in einem späteren Gesetz auch die Verletzung rein deutscher Regelungen ganz oder teilweise einzubeziehen. Dies war übrigens Hauptstreitpunkt, der letztlich zum Scheitern in der letzten Legislaturperiode geführt hat.

So erfasst die Richtlinie als einen Kernbereich auch gerade eine Reihe von Rechtsakten in den Gebieten Umweltschutz, Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit sowie Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz, vgl. Art. 2 der Whistleblower-Richtlinie. In der Anlage sind bspw. genannt:

  • die EU-Vorschriften zu Emissionsnormen für PKW und Kraftstoffe (in Deutschland umgesetzt durch eine Reihe von Regelwerken, z.B. mehrere BImSchVen),
  • Umwelthaftungs- und Umweltschadensrichtlinien (in Deutschland umgesetzt durch das UmweltHG und das USchadG),
  • die sog. PRTR-Richtlinie für ein Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister (in Deutschland geregelt im PRTR-Gesetz),
  • die FCKW-Verordnung (in Deutschland umgesetzt durch die Chemikalien-Ozonschicht-VO),
  • die MCP-Richtlinie (in Deutschland umgesetzt durch die 44. BImSchV),
  • die UVP-Richtlinie (in Deutschland umgesetzt durch das UVPG),
  • die REACH-Verordnung (direkt anwendbar in Deutschland, teilweise konkretisiert in deutschen Regelwerken, z.B. Chemikaliengesetz, Gefahrstoffverordnung),
  • die Regelungen über den EU-Emissionshandel (in Deutschland umgesetzt in diversen Rechtsakten, z.B. im TEHG),
  • die EU-Erneuerbare Energien Richtlinie,
  • die EU-Energieeffizienzrichtlinie

und etliche weitere.


Wie geht es (voraussichtlich) weiter?

Nachdem ein früherer Gesetzesvorschlag bis zum Ende der letzten Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden konnte – auch weil die Anforderungen politisch sehr umstritten waren – ist zu erwarten, dass sich die neue Bundesregierung alsbald mit einem neuen Gesetzesentwurf zurückmeldet. Wir verfolgen die Rechtslage für Sie und berichten von interessanten weiteren Entwicklungen.

Bis dahin müssen Unternehmen die EU-Rechtslage gegen sich gelten lassen und die Vorgaben aus der Richtlinie insoweit umsetzen, dass die Arbeitgeberpflichten im Hinblick auf den Schutz von Hinweisgebern erfüllt sind.

Autorin: Dr. Franziska Lietz

ArbG Köln: Außerordentliche Kündigung trotz „Rotzlappenattest“

Urteil vom 17.06.2021, Az. 12 Ca 450/21

In dem vorstehenden Verfahren hat das Arbeitsgericht Köln entschieden, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer im Außendienst nach erfolgloser Abmahnung wegen des Nichttragens eines Mund-Nasen-Schutzes außerordentlich kündigen kann.

Relevanz:
Die Entscheidung hat Relevanz für die Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz für Beschäftigte im Außendienst mit Kundenkontakt.

Hintergrund: Ein Unternehmen wies aufgrund der Corona-Pandemie all seine angestellten Servicetechniker im Außendienst mit Kundenkontakt an, während der Arbeit bei den Kunden einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Einer der Servicetechniker widersetzte sich der Anweisung und wollte während der Arbeit keine Maske tragen. Der Servicetechniker weigerte sich daher, einen Serviceauftrag bei einem Kunden durchzuführen, der ausdrücklich auf das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes bestand.

Einige Monate später legte der Servicetechniker seinem Arbeitgeber ein als „Rotzlappenbefreiung“ bezeichnetes, auf Blankopapier ausgestelltes Attest vor, ausweislich dessen der Servicetechniker „aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der SARS-COV-2 Eindämmungsmaßnahmenverordnung zu tragen“. Der Arbeitgeber erkannte das Attest nicht an und verlangte weiterhin das Tragen eines von ihm gestellten medizinischen Mund-Nasen-Schutzes. Der Servicetechniker lehnte weitere Aufträge, bei denen er einen Mund-Nase-Schutz hätte tragen müssen, ab. Der Arbeitgeber mahnte den Servicetechniker zunächst ab und kündigte diesem daraufhin außerordentlich.

Der Servicetechniker legte Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Köln ein, welches die Klage abwies und dem Arbeitgeber recht gab. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Köln hat der Servicetechniker durch seine beharrliche Weigerung, eine Maske zu tragen, wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Hierfür gebe es auch keine Rechtfertigung, da es in dem vom Servicetechniker vorgelegten Attest an einer konkreten Diagnose eines Krankheitsbildes fehle. Das Arbeitsgericht äußerte außerdem Zweifel an der Ernsthaftigkeit der medizinischen Einschränkungen des Servicetechnikers, da er selbst Masken als „Rotzlappen“ bezeichnet und das Angebot, sich betriebsärztlich untersuchen zu lassen, nicht wahrgenommen hat.

LAG Düsseldorf: Fristlose Kündigung bei Diebstahl von Desinfektionsmittel am Arbeitsplatz

Urteil vom 14. Januar 2021, Az. 5 Sa 483/20

In dem vorstehenden Rechtsstreit zwischen dem Mitarbeiter eines Paketzustellunternehmens und dessen Arbeitgeber hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) u.a. entschieden, dass der Diebstahl von einem Liter Desinfektionsmittel, das aufgrund der Corona-Pandemie als Arbeitsschutzmaßnahme dienen sollte, zu einer fristlosen Kündigung des Mitarbeiters führen kann.

Relevanz: Das Urteil trifft Aussagen über die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung bei Diebstahl am Arbeitsplatz.

Hintergrund: Der Mitarbeiter war seit mehr als 15 Jahren bei einem Paketzustellunternehmen als Be- und Entlader sowie Wäscher für die Fahrzeuge beschäftigt. Die Wäsche der Fahrzeuge erfolgte in Nachtschicht mit sechs bis sieben Kollegen, wobei der Mitarbeiter sein privates Fahrzeug in der Nähe seines Arbeitsplatzes abstellen konnte. Bei einer stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle Ende März 2020, also zum Zeitpunkt des ersten Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie, fand der Werkschutz im Kofferraum des Mitarbeiters eine nicht angebrochene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle. Desinfektionsmittel waren zu dem Zeitpunkt aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie Mangelware, der Wert betrug zum damaligen Zeitpunkt ca. 40 €. Desinfektionsmittel wurden vom Arbeitgeber in den Waschräumen als Arbeitsschutzmaßnahme unter anderem auch zur Verhinderung von Ansteckungen mit dem Corona-Virus am Arbeitsplatz bereitgestellt.

Der Arbeitgeber kündigte nach vorheriger Zustimmung des Betriebsrates und Anhörung von Zeugen den Mitarbeiter wenige Tage später fristlos. Der Mitarbeiter wehrte sich gerichtlich gegen die Kündigung. Er gab im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens u.a. an, dass er sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem privaten Fahrzeug begeben hatte, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. Er habe das Desinfektionsmittel für sich und eventuell seine Kollegen verwenden wollen, da dieses in den Waschräumen nicht immer verfügbar gewesen sei.

Der Arbeitgeber gab an, dass der Mitarbeiter dem Werkschutz bei der Kontrolle gesagt habe, dass er das Desinfektionsmittel habe mitnehmen dürfen, um sich unterwegs die Hände zu desinfizieren. Durch Aushänge im Sanitärbereich sei darauf hingewiesen worden, dass das Mitnehmen von Desinfektionsmitteln eine fristlose Kündigung und Anzeige zur Folge habe.

Die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters hatte keinen Erfolg und wurde vom LAG Düsseldorf abgewiesen, da ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorlag. Nach Ansicht des Gerichts waren die Angaben des Mitarbeiters nicht glaubhaft. Das Gericht ging davon aus, dass der Mitarbeiter das Desinfektionsmittel entwendet hat, um es selbst privat zu verbrauchen. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, dass er das Desinfektionsmittel auch für seine Kollegen verwenden wollte, da er ihnen weder gesagt hatte, wo er das Desinfektionsmittel aufbewahrt, noch ihnen den Autoschlüssel gegeben hatte, damit sie es benutzen können. Zudem war die im Kofferraum aufgefundene Flasche nicht angebrochen. Trotz der langen Beschäftigungszeit war nach Ansicht des LAG keine vorherige Abmahnung erforderlich. Wer in Zeiten einer weltweiten Pandemie, in welcher Desinfektionsmittel Mangelware sind und in Kenntnis davon, dass auch der eigene Arbeitgeber mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hat, eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel entwendet und zugleich in Kauf nimmt, dass Kollegen leer ausgehen, dem muss nach Auffassung des LAG klar sein, dass mit der Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel der Bestand des eigenen Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

Scherze über Corona-Regeln? Da ist der Job schnell weg!

Ein scherzhaft gemeintes Selfie bei WhatsApp über die (Nicht-) Einhaltung von Corona-Regeln hat einen Beschäftigten den Job gekostet.

März 2020, Corona kommt offiziell in Deutschland an, Social Distancing ist in aller Munde und soll möglichst von allen praktiziert werden. Aber haben sich wirklich alle an Kontaktverbote gehalten?

Mindestens ein Beschäftigter eines niedersächsischen Unternehmens hat Ende März 2020 die Notwendigkeit von Social Distancing nicht erkannt und bei WhatsApp ein Selfie von sich und fünf weiteren Personen gepostet, auf dem sie gemeinsam auf dem Fußboden saßen und Karten spielten. Der Beschäftigte schrieb zu dem Foto „Quarantäne bei mir“. Zu dem Zeitpunkt galten umfangreiche Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, unter anderem ein Versammlungsverbot von mehr als zwei Personen.

Kurze Zeit vorher hatte der Arbeitgeber eine Betriebsversammlung abgehalten, bei der es um Covid-19-Sicherheitsbestimmungen ging. Er hat damit den Schutz seiner Beschäftigten vor einer Infektion bezweckt. Der Arbeitgeber nahm das Bild bei WhatsApp zum Anlass, den Beschäftigten fristlos zu kündigen. Aus seiner Sicht habe der Beschäftigte durch das Bild und sein Verhalten gezeigt, dass er die Corona-Sicherheitsbestimmungen nicht ernst nehme und so unter anderem auch Risikopersonen im Betrieb gefährdet.

Der Beschäftigte klagte gegen die fristlose Kündigung. Aus seiner Sicht war die Kündigung unbegründet, da es sich bei dem Bild lediglich um einen Scherz gehandelt haben soll und außerdem vorher auch keine Abmahnung erfolgt war. Er behauptete außerdem, dass das Foto Anfang März entstanden sei, als die Kontaktbeschränkungen noch nicht gegolten haben. 

Das Arbeitsgericht Osnabrück (Az. 2 Ca 143/20) musste die Frage, ob das Verhalten des Beschäftigten für eine fristlose Kündigung ausreichend war, jedoch nicht mehr entscheiden.

Arbeitgeber und Beschäftigter haben sich auf einen Vergleich geeinigt: Das Arbeitsverhältnis wird unter Lohnfortzahlung zu Ende August aufgelöst und der Beschäftigte erhält eine Abfindung.

Seinen Job ist er also los – ob sich dieser Scherz trotz Abfindung gelohnt hat, bleibt fraglich.

Nein! Doch! Oh!

Dieser mittlerweile kultige Dialog der Schauspieler Louis de Funés und Bernard Biller stammt aus dem 1971 erschienenen Film „Camouflage – Hasch mich, ich bin der Mörder“. Was dieser Dialog mit einer Abmahnung zu tun haben könnte, erläutern wir im nachfolgenden Beitrag.

Der Dialog „Nein! Doch! Oh!“ passt auch gut zu der Frage, ob die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ohne Abmahnung möglich ist. In der Bevölkerung lautet die stark verbreitete Meinung: „Nein!“. Die Rechtsprechung sieht dies in bestimmten Fällen jedoch ganz anders und sagt dazu: „Doch!“. Kristallisiert sich in einem Gerichtsverfahren heraus, dass eine Kündigung auch ohne Abmahnung möglich war, reagieren Arbeitnehmer in der Regel mit einem betroffenen „Oh!“.

„Oh!“ dachte sich vermutlich auch ein Arbeitnehmer, der wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz fristlos gekündigt wurde. Die Rechtmäßigkeit der Kündigung wurde vom Arbeitsgericht und vom Landesarbeitsgericht festgestellt – obwohl der Arbeitnehmer vorab keine Abmahnung erhalten hatte und das Arbeitsverhältnis bereits 16 Jahre ohne Beanstandungen existierte.

Nach der Beweisaufnahme sahen es die Gerichte als erwiesen an, dass der Arbeitnehmer erst einer Kollegin und dann sich selbst in den Schritt gefasst hatte. Weiterhin soll er anschließend geäußert haben, „da tut sich was“. All dies geschah ohne die Einwilligung der Kollegin, welche die Belästigung später ihren Vorgesetzten schilderte.

Angesichts der Schwere der festgestellten Pflichtverletzung sei eine vorhergehende Abmahnung nach Einschätzung der Gerichte nicht erforderlich gewesen. Der Arbeitnehmer habe nicht ernsthaft damit rechnen können, dass der Arbeitgeber sein Verhalten tolerieren werde. Der Arbeitgeber ist außerdem nach § 12 Abs. 3 AGG verpflichtet, seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor sexuellen Belästigungen wirksam zu schützen. Das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist (in diesem Fall betrug die Kündigungsfrist 6 Monate) sei dem  Arbeitgeber daher nicht zuzumuten gewesen.

Fazit:
Eine Abmahnung ist für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung nicht immer erforderlich. Sie ist entbehrlich,

  • wenn mit einer an sich möglichen Verhaltensänderung des Arbeitnehmers in der Zukunft nicht gerechnet werden kann oder
  • bei schweren Vertragsverletzungen, bei denen dem Arbeitnehmer klar sein musste, dass der Arbeitgeber diese nicht hinnimmt und mit einer Kündigung reagieren wird, oder
  • wenn durch das Fehlverhalten das Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien so erschüttert worden ist, dass es auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann.

LAG Schleswig-Holstein: Den Weinkeller des Chefs plündern? Das wird teuer!

Urteil vom 03.02.2020, Az.: 1 Sa 401/18

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) hat in dem Rechtsstreit u.a. entschieden, dass eine Beschäftigte für zwei von ihr entwendete Flaschen Wein Schadensersatz in Höhe von 39.500,00 € an ihre Arbeitgeberin zahlen muss. 

Relevanz: Das Urteil ist für Arbeitgeber von Interesse, die von ihren Beschäftigten Ersatz für entwendete Gegenstände haben möchten.

Hintergrund: Eine Beschäftigte eines Hotels entwendete aus dem Betrieb ihrer Arbeitgeberin zwei 6-Liter-Flaschen „Chateau Petrus Pommerol“, Jahrgang 1999. Diese Weine hatte die Arbeitgeberin vorher zu einem Gesamtpreis von 13.757,60 € an einen ihrer Kunden verkauft und die Flaschen bei sich im Hotel eingelagert. Die Beschäftigte verkaufte die Weinflaschen für 9.000 € pro Flasche an einen Händler. Nachdem die Arbeitgeberin dies bemerkt hatte, kündigte sie der Beschäftigten fristlos. Die Beschäftigte wollte sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen, jedoch ohne Erfolg: Die Kündigungsschutzklage blieb durch alle Instanzen erfolglos.

Die Arbeitgeberin erwarb als Ersatz für den Kunden zwei andere 6-Liter-Flaschen „Chateau Petrus Pommerol“, Jahrgang 1999, für zusammen 39.500 € und verlangte diesen Betrag als Schadensersatz von ihrer Beschäftigten. Die Beschäftigte weigerte sich zu zahlen, da sie u.a. den Kaufpreis für überteuert hielt. 

Nach Einholung eines Gutachtens hielt das LAG diesem folgend den Preis von 39.500 € für angemessen und verurteilte die Beschäftigte zur Zahlung. Nach Auffassung des LAG müssen Beschäftigte, die aus dem Betrieb ihres Arbeitgebers Weinflaschen eines Kunden entwenden, ihrem Arbeitgeber den Betrag ersetzen, den dieser benötigt, um auf dem Markt Ersatz für den Kunden zu beschaffen. Die Arbeitgeberin konnte daher von der Beschäftigten Schadensersatz verlangen, und zwar den Haftungsschaden in Form der Ersatzbeschaffung der Weinflaschen.

LAG Düsseldorf: Deutliche Kritik an Personalabteilung bei berechtigtem Anlass kein Kündigungsgrund

LAG Düsseldorf, 04. Februar 2020, Az. 8 Sa 483/19

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) hat in dem Rechtsstreit u.a. entschieden, dass eine deutliche Kritik von einem Mitarbeiter an der Personalabteilung in Form einer internen Dienstaufsichtsbeschwerde an den Vorstand bei berechtigtem Anlass kein Kündigungsgrund ist. 
Relevanz: Das Urteil ist sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer von Interesse, wenn Arbeitnehmer mittels interner Dienstaufsichtsbeschwerden Kritik an der Personalabteilung üben und die Arbeitgeber diese im Anschluss deswegen kündigen wollen. 
Hintergrund: Ein Arbeitnehmer (Straßenbahnfahrer) eines Nahverkehrsunternehmens erlitt 2017 während der Arbeit einen Unfall, bei dem er verletzt wurde und seitdem arbeitsunfähig erkrankt war. Eine Tätigkeit als Straßenbahnfahrer kam danach dauerhaft nicht mehr in Betracht. Er ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. 
Der Arbeitnehmer verlangte von seinem Arbeitgeber Ende 2018 die Bezahlung von Mehrarbeitsstunden aus dem Jahr 2017. Anfang März 2019 wurde ihm eine Auszahlung zugesagt. Nachdem eine Zahlung nicht erfolgte, rief der Arbeitnehmer eine Mitarbeiterin der Personalabteilung an und verlangte die Auszahlung noch am selben Tag. Die Mitarbeiterin teilte mit, dass sie dies mit einem anderen Mitarbeiter abklären müsse. Darauf ließ sich der Arbeitnehmer nicht ein, sondern fragte, was denn passieren würde, wenn der andere Mitarbeiter sterbe; dann müsse ja jemand anderes die Entscheidung treffen. Erhalte er keine Rückmeldung, dann würde er am gleichen Tag Dienstaufsichtsbeschwerde erheben. Am Abend desselben Tages reichte der Mitarbeiter bei seinem Arbeitgeber Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Mitarbeiterin der Personalabteilung und den stellvertretenden Leiter der Personalabteilung ein. Darin stellte er den Sachverhalt der nicht bezahlten Mehrarbeit dar und wies auf eine – aus seiner Sicht mögliche – Strafbarkeit wegen Untreue hin. Im April 2019 bezahlte der Arbeitgeber die Überstunden.
Nach Beteiligung von Inklusionsamt, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zunächst fristlos und anschließend ordentlich. 
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat in erster Instanz u.a. entschieden, dass die Kündigung unwirksam sei. Das LAG hat in der mündlichen Verhandlung der zweiten Instanz mitgeteilt, dass die Berufung des Arbeitgebers keine Erfolgsaussichten habe. Es habe für den Arbeitnehmer ein berechtigter Anlass bestanden, sich über seine Vorgesetzten zu beschweren. Dies durfte er grundsätzlich in Form der internen Dienstaufsichtsbeschwerde an den Vorstand machen und musste nicht den gerichtlichen Klageweg beschreiten. Es war eindeutig erkennbar, dass es dem Arbeitnehmer wertend um den Ausdruck seiner Unzufriedenheit mit der verzögerten Zahlung gegangen sei und nicht darum, Vorgesetzte wider besseren Wissens einer Straftat zu bezichtigen. Aufgrund der rechtlichen Einschätzung des LAG haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis durch einen gerichtlichen Vergleich beendet. Ein Urteil des LAG erging somit nicht.