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Update III: Preisgleitklauseln im Bausektor weiterhin geboten

Ein Verlangen von Festpreiskalkulationen unter Ausschluss einer Preisgleitklausel durch den öffentlichen Auftraggeber ist im Bausektor weiterhin schwierig. Es handelt sich zumeist um ein vergaberechtswidriges Aufbürden eines ungewöhnlichen Wagnisses.

Ende 2022 hat die Vergabekammer des Bundes entschieden, dass es auch während des Fortdauerns des Krieges in der Ukraine keinen generellen Anspruch auf eine Preisgleitklausel gäbe.
So hat es auch der öffentliche Auftraggeber in dem nun von der Vergabekammer Niedersachsen überprüften Fall gesehen und einen Auftrag für Dachabdichtungsarbeiten und die folgende Instandhaltung ohne eine Preisgleitklausel ausgeschrieben.
In dem konkreten Fall lag der Auftragnehmer mit seiner Einschätzung der Situation jedoch falsch, weil es sich um eine Ausschreibung im Bausektor handelte: Denn im Gegensatz zu der VgV, auf welche sich die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes bezog, ist es im Bausektor durch die Anwendbarkeit der VOB/A, konkret des § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, verboten, den Bietern ungewöhnliche Wagnisse aufzubürden. Die Bedingungen, ab wann eine Preisgleitklausel einzuplanen ist, sind also geringer; ungewöhnliche Wagnisse aufgrund von Ereignissen, auf die sie keinen Einfluss haben, haben Bieter in der Baubranche gerade nicht hinzunehmen.

Genau ein solches Ereignis sieht die Vergabekammer Lüneburg vorliegend in dem Krieg in der Ukraine. Deutschlandweit kämen viele der benötigten Stoffe im Bausektor aus Russland. Eine Festpreiskalkulation mit diesen Stoffen sei damit sehr davon abhängig, wie sich die Verfügbarkeit und die Liefersituation in Russland entwickelten. Deren Unsicherheit bedeute im Moment ein ungewöhnliches Wagnis für Bieter, welche unter deren Einbeziehung Preise kalkulieren müssten.

Die Argumentation des Auftraggebers, die Preisentwicklung der konkret betroffenen Materialien sei aktuell stabil bzw. mit fallender Tendenz, weshalb es keiner Preisgleitklausel bedürfe, vermöge in diesem Falle nicht zu überzeugen. Diese Schlussfolgerung wäre nur ermessensfehlerfrei, handelte es sich um eine punktuell aufgetretene Krise oder wäre klar ein Abflauen der Situation erkennbar. Der Krieg in der Ukraine sei jedoch kein abgeschlossenes Ereignis, sondern fortlaufend, sodass unvorhergesehene Preisentwicklungen jederzeit möglich seien.

Welche Produkte bei kalkulationsrelevanter Menge tatsächlich ein ungewöhnliches Wagnis gemäß § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A darstellten, könne durch Abwägung unter Heranziehung der behördeninternen Erlasse des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen vom 27.03.2022 und des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung vom 07.03.2022 ermittelt werden.
Die von Erlassseite zunächst angesetzte Wesentlichkeitsschwelle, wieviel Prozent des Auftragswertes die von der Unsicherheit betroffenen Betriebsstoffe ausmachen müssten, liegt bei 0,5 %.

Die Vergabekammer Lüneburg hielt in vorliegendem Fall einen Anteil der Bitumenprodukte in Höhe von 12 % des Auftragswertes für ausreichend, wobei ca. 30% der Bitumenprodukte abhängig von Russland wären. Es bedürfe in diesem Falle der Einführung einer Preisgleitklausel. Allein momentan stabile Preise könnten nicht über die Unsicherheit einer anhaltenden Krisensituation hinweghelfen.
Das Verlangen des Auftraggebers zur Festpreiskalkulation bevorteile zudem solche Wettbewerber, welche kapitalstark genug seien, sich von Preisschwankungen unabhängig zu machen, indem sie Material auf Vorrat kauften. Dies wiederum verstoße gegen die Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber, mittelständische Unternehmen zu fördern, welche sich solches Handeln zumeist nicht leisten könnten (vgl. § 97 Abs. 4 GWB).

Darin sei ein zusätzlicher unzulässiger Eingriff in den Wettbewerb zu sehen.

Auch wenn die vorstehende Entscheidung die Ausschreibungen von Bauleistungen betrifft und in der VOB/A – anders als in VgV und UVgO – noch das Verbot der Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses enthalten ist, kann man die Entscheidung für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen heranziehen. Denn obwohl in diesem Bereich das Verbot des ungewöhnlichen Wagnisses schon vor einigen Jahren entfallen ist, heißt dies nicht, dass es dort nicht mehr gilt: Die Rechtsprechung löst die Thematik dort allerdings über das an Vergabestellen gerichtete Gebot, den Bietern eine „kaufmännisch vernünftige Kalkulation“ zu ermöglichen. Auch dieses Gebot kann im Einzelfall dazu veranlassen, eine (kosten- oder indexbasierte) Preisgleitklausel in die Vergabeunterlagen aufzunehmen.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Nachträglicher Verzicht auf die Nachforderung von Erklärungen der Bieter möglich

Ein öffentlicher Auftraggeber darf nach Veröffentlichung der Vergabeunterlagen nachträglich festlegen, dass die Bieter keine zweite Chance erhalten, ihr Angebot zu vervollständigen.

In dem im Januar 2023 von der Berliner Vergabekammer entschiedenen Fall ging es um die Vergabe von Landschaftsbauarbeiten. 

Der Nachprüfungsantrag eines Bieters, dessen Angebot aufgrund fehlender Unterlagen vom Verfahren ausgeschlossen worden war, wurde zurückgewiesen.

Der Beschluss stützt sich auf den gesetzlich festgeschriebenen Grundsatz, der es öffentlichen Auftraggebern per se erlaubt, eine Vergabeentscheidung zu treffen, ohne fehlende Unterlagen nachgefordert zu haben. Es steht öffentlichen Auftraggebern frei, keinen Gebrauch von der Nachforderungsmöglichkeit zu machen (§ 16 a Abs. 3 VOB/A). 

Einen solchen Verzicht auf das Nachforderungsrecht kann ein öffentlicher Auftraggeber auch noch nachträglich, d. h. nach Veröffentlichung, in den Vergabeunterlagen festlegen. 

Die Berliner Vergabekammer bestätigt dies noch einmal sehr deutlich in ihrem Beschluss:

Es sei für Bieter im Allgemeinen erkennbar, dass das Fehlen von Unterlagen zum Ausschluss eines Angebotes führe. Der Auftraggeber sei nicht verpflichtet, auf diesen Umstand explizit hinzuweisen. Gerade weil dies für jeden, der sich im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe bewege, eine ganz logische Schlussfolgerung sei, sei es dem Auftraggeber auch erlaubt, einen Ausschluss der Nachforderung nachträglich in die Vergabeunterlagen einzuführen. Diese Änderung der Vergabeunterlagen müsse, wenn zuvor eine Nachforderung explizit angekündigt worden war, lediglich erkennbar und transparent geschehen. Abzustellen sei dabei auf einen sorgfältig handelnden Bieter, der mit den wichtigsten Regeln des Vergaberechts vertraut sei. 

Bietern kann nur empfohlen werden, auf die Vollständigkeit ihrer Angebote großes Augenmerk zu legen, dabei auch die Mindestanforderungen des Auftraggebers zu beachten, und sich nicht auf eine zweite Chance zur Vervollständigung des Angebots zu verlassen. 

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Umweltfreundliche Beschaffung von Telefongeräten – Leitfaden des UBA

Ein neuer Leitfaden des Umweltbundesamts (UBA) stellt öffentlichen Auftraggebern Informationen und Empfehlungen zur Verfügung, wie sie Umweltaspekte bei der Beschaffung von Telefongeräten in ihren Vergabe- und Vertragsunterlagen berücksichtigen können.

In der öffentlichen Verwaltung erfolgt ein Großteil der Kommunikation über Telefonanlagen. Diese können aus mehreren tausend Endgeräten wie Telefonen oder Faxgeräten bestehen. Bisher waren sie meist analog oder über das digitale Telekommunikationsnetz angeschlossen. Zunehmend werden die Telefonanlagen in der öffentlichen Verwaltung auf die sogenannte „Voice over IP“-Technik umgestellt, deren Anschluss über Internetleitungen (IP, d.h. Internet Protokoll) erfolgt. Der Austausch der Technik hat zur Folge, dass Vergabeverfahren zur Beschaffung durchgeführt werden müssen.

Moderne Telefonanlagen mit einer Vielzahl von Endgeräten können einen hohen Energie- und Ressourcenbedarf aufweisen. Zum einen benötigen sie eine erhebliche Menge an Hardware, die oft aus wertvollen und knappen Materialien besteht. Zum anderen können die modernen „Voice over IP“-Telefone aufgrund erweiterter Funktionen bis zu fünfmal mehr Energie verbrauchen als herkömmliche Telefonanlagen. Da die Berücksichtigung von umweltbezogenen Aspekten bei der Beschaffung von energieverbrauchsrelevanten Waren im Vergaberecht vorgeschrieben ist, müssen öffentliche Auftraggeber diese Aspekte bei der Beschaffung von Telefonanlagen einbeziehen.

Unterstützung und Hilfe dabei bietet ein Leitfaden des UBA, der im Frühjahr 2022 erschienen ist. Er enthält Empfehlungen für die umweltfreundliche Beschaffung von Telefonanlagen und „Voice over IP“-Telefonen. Unter den Gesichtspunkten Energieeffizienz, Ressourcenschonung, Langlebigkeit, Kompatibilität und Materialanforderungen liefert er Hinweise sowie Vorschläge, die ein öffentlicher Auftraggeber in seine Leistungsbeschreibung einbeziehen kann. Zum Beispiel kann gefordert werden, dass Telefonanlagen so aufgebaut sein müssen, dass sie durch den einfachen Austausch einzelner funktionsuntüchtiger Teile repariert werden können. Es kann weiterhin vorgegeben werden, dass die Anlage recycelbar sein muss und nicht aus bestimmten Kunststoffen bestehen darf. Durch die Vorgabe einer Ausbau- und Erweiterungsfähigkeit der Hard- und Software kann die Langlebigkeit der Anlage sichergestellt werden. Ferner kann den Bietern aufgegeben werden, den Energieverbrauch in einer Übersicht darzustellen. Ergänzend zu dem Beschaffungsleitfaden stellt das UBA zudem einen online zugänglichen Anbieterfragebogen zur Verfügung, den die öffentlichen Auftraggeber als Anlage zum Leistungsverzeichnis nutzen können.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autor: Florian Bretzel