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LAG Düsseldorf: Bei verspäteter Lohnzahlung haften Arbeitgeber für geringeres Elterngeld

Urteil vom 27.04.2020, Az. 12 Sa 716/19 In dem vorstehenden Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) u. a. entschieden, dass Arbeitgeber haften, wenn sie einer Beschäftigten den ihr zustehenden Lohn verspätet zahlen und daher das von der Beschäftigten nach dem Mutterschutz beantragte Elterngeld geringer ausfällt.

Relevanz:
Das Urteil ist für alle Unternehmen von Interesse, die Beschäftigte haben, die Elterngeld beantragen.

Sachverhalt:
Einer schwangeren Beschäftigten wurde kurz nach Beginn eines Arbeitsverhältnisses vom Betriebsarzt ihres Arbeitsgebers ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot erteilt. Der Arbeitgeber hat daraufhin die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschäftigten erklärt, weil diese ihn nicht über die Schwangerschaft unterrichtet hatte. Er zahlte der Beschäftigten den ihr zustehenden monatlichen Bruttolohn für die drei Monate des Beschäftigungsverbots erst mit mehreren Monaten Verspätung aus. Aufgrund des verspätet ausgezahlten Lohnes wurden diese drei Monate für die Berechnung des Elterngeldes der Beschäftigten mit 0 Euro angesetzt. Der Grund für die Berechnung mit 0 Euro ist, dass gemäß § 2c Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz keine Einkünfte für die Berechnung des Elterngeldes zu Grunde gelegt werden, die lohnsteuerrechtlich sog. „sonstige Bezüge“ sind. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch für eine monatliche Lohnzahlung, wenn diese dem Beschäftigten später als drei Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres zufließt. Da der zu spät gezahlte Lohn nicht berücksichtigt wurde, betrug das monatliche Elterngeld der Beschäftigten nur 348,80 Euro anstatt monatlich 420,25 Euro.

Die Beschäftigte klagte gegen ihren Arbeitgeber auf Erstattung der so entstandenen monatlichen Elterngelddifferenz. Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Zunächst stellte das LAG fest, dass die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses unwirksam war. Da der Arbeitgeber sich mit dem der  Beschäftigten zustehenden Lohn in Verzug befand und schuldhaft handelte, schuldet der Arbeitgeber der Beschäftigten nach Ansicht des LAG Düsseldorf die Differenz als Schadenersatzanspruch. 

BAG: Tarifvertragsklausel über „arbeitsvertragliche Nachvollziehung“ der Tarifverträge unwirksam

Urteil vom 13. Mai 2020; Az. 4 AZR 489/19

In dem vorstehenden Rechtsstreit hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) u. a. entschieden, dass die Parteien eines Tarifvertrags in diesem nicht wirksam vereinbaren können, dass Ansprüche aus dem Tarifvertrag trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit nur dann bestehen sollen, wenn mit den einzelnen Beschäftigten die Einführung des Tarifwerks durch eine sog. Bezugnahmeklausel auch individualarbeitsvertraglich vereinbart wird. Eine solche Bestimmung liegt außerhalb der tariflichen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien.

Relevanz: Der Beschluss ist für alle Unternehmen und Beschäftigten von Interesse, die von dem Neuabschluss eines Tarifvertrags betroffen sind.

Sachverhalt: Eine Beschäftigte, welche Mitglied der IG Metall ist, hat mit ihrem Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag geschlossen, welcher keine Bezugnahme auf Tarifverträge enthält. Der Arbeitgeber war zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsabschlusses nicht tarifgebunden, schloss aber im Nachhinein mit der IG Metall einen Mantel- und einen Entgeltrahmentarifvertrag, wonach „Ansprüche aus diesem Tarifvertrag [voraus]setzen […], dass die Einführung des Tarifwerks auch arbeitsvertraglich nachvollzogen wird“. Hierfür sollte mit den jeweiligen Beschäftigten eine sog. Bezugnahmeklausel mit dem Inhalt vereinbart werden, dass sich das Arbeitsverhältnis „nach dem jeweils für den Betrieb aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers […] geltenden Tarifwerk“ richtet. Die Beschäftigte nahm das Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags, welcher u. a. eine Bezugnahmeklausel entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen vorsah, nicht an. Sie verlangte jedoch auch ohne neuen Arbeitsvertrag die Zahlung des Differenzentgelts auf der Grundlage der Bestimmungen des Mantel- und Entgeltrahmentarifvertrags von ihrem Arbeitgeber und klagte diesen Betrag schließlich vor dem Arbeitsgericht ein.
Die Klage der Beschäftigten hatte Erfolg. Das BAG ist der Ansicht, dass der Beschäftigten schon aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit Ansprüche aus den Tarifverträgen zustehen. Diese Ansprüche können nicht von dem vorgesehenen individualrechtlichen Neuabschluss von Arbeitsverträgen abhängig gemacht werden (§ 4 Abs. 1 TVG). Auch das durch § 4 Abs. 3 TVG geschützte Günstigkeitsprinzip steht einer solchen Regelung entgegen. Tarifvertragliche Bestimmungen, die eine „arbeitsvertragliche Nachvollziehung“ verlangen, sind unwirksam.

Ohne Moos nix los: Das Kurzarbeitergeld wird erhöht

Nach einem Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutz-Paket II) soll u.a. das Kurzarbeitergeld erhöht werden.

Was ist Kurzarbeitergeld?
Die Beschäftigten arbeiten bei Kurzarbeit weniger oder überhaupt nicht und erhalten für den mit der Kurzarbeit einhergehenden Verdienstausfall ein sog. Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit. Dies gleicht den Verdienstausfall teilweise aus.

Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld derzeit?
Bezüglich der Höhe des Kurzarbeitergeldes gilt § 105 SGB III, wonach

  • Beschäftigte 60 Prozent des während der Kurzarbeit ausgefallenen Nettolohns und
  • Beschäftigte, die mindestens 1 Kind haben, 67 Prozent des ausgefallenen Nettolohns, erhalten.

Wer wird ein erhöhtes Kurzarbeitergeld erhalten?
Beschäftigte sollen das erhöhte Kurzarbeitergeld für Monate, in denen der Entgeltausfall mindestens 50 Prozent beträgt, erhalten. Es werden jedoch nur Monate mit Kurzarbeit ab März 2020 berücksichtigt.

Wie hoch wird das Kurzarbeitergeld nach der Erhöhung sein?

Das Kurzarbeitergeld wird für die Monate, in denen der Entgeltausfall mindestens 50 Prozent beträgt, bis zum 31. Dezember 2020 gestaffelt ab dem vierten und ab dem siebten Monat des Bezugs erhöht.

Für Beschäftigte mit Kindern soll zukünftig folgendes gelten :
Monat 1 – 3 = 67 Prozent des ausgefallenen Nettolohns
Monat 4 – 6 = 77 Prozent des ausgefallenen Nettolohns
Ab Monat 7 = 87 Prozent des ausgefallenen Nettolohns

Für Beschäftigte ohne Kinder soll zukünftig folgendes gelten :
Monat 1 – 3 = 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns
Monat 4 – 6 = 70 Prozent des ausgefallenen Nettolohns
Ab Monat 7 = 80 Prozent des ausgefallenen Nettolohns

Nach dem Entwurf sollen mit der anvisierten Erhöhung Einkommenseinbußen, die Beschäftigte insbesondere bei einem erheblichen Ausfall der Arbeit und damit des Entgelts erfahren, abgefedert werden.

Weiterhin sieht der Entwurf vor, für Beschäftigte in Kurzarbeit befristet bis zum Jahresende  die bestehenden Hinzuverdienstmöglichkeiten mit einer Hinzuverdienstgrenze bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens für alle Berufe zu eröffnen. Dies galt bislang nur, wenn der Hinzuverdienst aus einem systemrelevanten Beruf oder einer systemrelevanten Branche resultierte.

Zudem wird der Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung verbessert: Für Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld sich in der Zeit vom 1. Mai 2020 bis zum 31. Dezember 2020 erschöpfen würde, wird die Anspruchsdauer einmalig um drei Monate verlängert.

ArbG Emden: Arbeitszeiterfassung? Arbeitsgerichte sind schneller als Gesetzgeber

Urteil vom 20. Februar 2020, Az.: 2 Ca 94/19 Das Arbeitsgericht Emden (ArbG Emden) hat in dem Rechtsstreit u.a. entschieden, dass Arbeitgeber bereits jetzt unmittelbar zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Zeiterfassungssystems verpflichtet sind.

Relevanz: Das Urteil ist für alle Arbeitgeber von Interesse, die die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten bisher nicht systematisch erfassen.

Hintergrund: Ein Bauhelfer war im Jahr 2018 mehrere Wochen lang für seinen Arbeitgeber tätig. Nachdem das Arbeitsverhältnis geendet und der Arbeitgeber bereits 183 Arbeitsstunden vergütet hatte, machte der Bauhelfer u.a. weitere Vergütungsansprüche gerichtlich geltend. Hierfür legte er selbst geführte Aufzeichnungen und sog. „Stundenrapporte“ vor und behauptete, insgesamt 195,05 Arbeitsstunden für seinen ehemaligen Arbeitgeber tätig gewesen zu sein. Sein ehemaliger Arbeitgeber bestritt dies und legte als Nachweis das Bautagebuch vor, in welchem stets Arbeitsbeginn und -ende dokumentiert wurden und für den Bauhelfer lediglich eine Arbeitsleistung von insgesamt 183 Stunden auswies.

Das ArbG Emden hat der Klage des Bauhelfers hinsichtlich der geltend gemachten Vergütungsansprüche stattgegeben und seinen ehemaligen Arbeitgeber zur Zahlung verurteilt.

Das ArbG Emden legte die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in Überstundenprozessen zugrunde. Danach muss zunächst der Beschäftigte konkret die von ihm geleisteten Arbeitsstunden vortragen. Erst danach hat der Arbeitgeber substantiiert zu erklären und darzulegen, welche Arbeiten er dem Beschäftigten zugewiesen hat und an welchen Tagen der Beschäftigte von wann bis wann diesen Weisungen (ggfs. nicht) nachgekommen ist (sog. sekundäre Darlegungslast).

Nach Auffassung des ArbG Emden ist der Bauhelfer seiner Darlegungslast nachgekommen; Der Vortrag des ehemaligen Arbeitgebers habe den vom BAG aufgestellten Anforderungen demgegenüber nicht entsprochen.

Auch wenn eine allgemeine Aufzeichnungspflicht von Arbeitsstunden im deutschen Recht bislang nicht existiert, so folgt die Verpflichtung zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit nach Auffassung des ArbG Emden jedoch unmittelbar aus den unionsrechtlichen Vorschriften. Dies ergibt sich insbesondere aus Art. 31 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (GRCh), welcher jedem Arbeitnehmer der EU das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten gewährt. Dieses Grundrecht werde nach der Rechtsprechung des EuGH durch die Regelungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie (Art. 3, 5 und 6 der Richtlinie 2003/88/EG) konkretisiert. Die Einhaltung der Arbeitszeitregeln könne nur bei einer vollständigen Erfassung der täglichen und wöchentlichen Arbeitsstunden gewährleistet werden, das ArbG Emden verweist hierzu insbesondere auf das dementsprechende Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019.

Die aus Art. 31 Abs. 2 GRCh folgende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung sei nach Ansicht des ArbG Emden eine vertragliche Nebenpflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, nach der die Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen verpflichtet seien. Das ArbG Emden ist der Ansicht, dass Arbeitgeber bereits seit der Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 zur Einrichtung eines entsprechenden Zeiterfassungssystems verpflichtet sind und es hierfür keine konkrete Umsetzung des EuGH-Urteils durch den deutschen Gesetzgeber bedürfe.

Müssen Arbeitszeitguthaben vor Einführung der Kurzarbeit aufgebraucht werden?

Eine Möglichkeit, um auf Auftragsrückgänge und damit einhergehenden Arbeitsausfall aufgrund der Corona-Pandemie zu reagieren, ist die Einführung von Kurzarbeit. Da viele Unternehmen in Deutschland zum ersten Mal mit Kurzarbeit in Berührung kommen, wollen wir über häufige Fragen zur Kurzarbeit informieren.

In unseren letzten Beiträgen haben wir über Kurzarbeit im Allgemeinen, dem Erfordernis einer sog. Ermächtigungsgrundlage zur Einführung der Kurzarbeit  und den Anforderungen an eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit, berichtet. 

In diesem Beitrag geht es um die Frage, ob Arbeitszeitguthaben auf Arbeitszeitkonten vollständig verbraucht werden müssen, bevor die Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld bezahlt. Grundsätzlich gilt, dass der Anspruch auf Kurzarbeitergeld nur entsteht, wenn die sog. „betrieblichen Voraussetzungen“ vorliegen. Welche dies sind, regelt § 95 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Zu diesen Voraussetzungen gehört u.a., dass ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt. Erheblich ist ein Arbeitsausfall nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 SGB III dann, wenn er unvermeidbar ist. 

Die „Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls“ wird dann angenommen, wenn der Arbeitgeber im Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Als vermeidbar gilt ein Arbeitsausfall, wenn die Regelbeispiele in § 96 Abs. 4 Nr. 1 – 3 SGB III vorliegen. Eines dieser Regelbeispiele besagt, dass ein Arbeitsausfall vermeidbar ist, wenn er durch die Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen ganz oder teilweise vermieden werden kann

Doch Rettung naht, der Gesetzgeber stellt Arbeitszeitguthaben in bestimmten Fällen unter Schutz. Welche Fälle dies sind, verrät § 96 Abs. 4 S. 3 SGB III. 

§ 96 Abs. 4 S. 3 SGB III regelt, dass die Auflösung eines Arbeitszeitguthabens nicht verlangt werden kann, soweit es 

  1. vertraglich ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetterzeit (§ 101 Absatz 1) bestimmt ist und den Umfang von 50 Stunden nicht übersteigt,
  2. ausschließlich für die in § 7c Absatz 1 des Vierten Buches genannten Zwecke bestimmt ist (z.B. Elternzeit, Pflegezeit, Altersteilzeit, usw.),
  3. zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kurzarbeitergeld angespart worden ist und den Umfang von 150 Stunden nicht übersteigt,
  4. den Umfang von 10 Prozent der ohne Mehrarbeit geschuldeten Jahresarbeitszeit einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers übersteigt oder
  5. länger als ein Jahr unverändert bestanden hat.

Weiterhin regelt § 96 Abs. 4 S. 4 SGB III, dass in einem Betrieb, in dem eine Vereinbarung über Arbeitszeitschwankungen gilt, nach der mindestens 10 Prozent der ohne Mehrarbeit geschuldeten Jahresarbeitszeit je nach Arbeitsanfall eingesetzt werden, ein Arbeitsausfall, der im Rahmen dieser Arbeitszeitschwankungen nicht mehr ausgeglichen werden kann, als nicht vermeidbar.

Für die betriebliche Praxis sind insbesondere § 96 Abs. 4 S. 3 Fall 4. und 5., sowie die Regelung in § 96 Abs. 4 S. 4 SGB III von Bedeutung.

§ 96 Abs. 4 S. 3 Fall 4: 

Arbeitszeitguthaben, das 10% der geschuldeten Jahresarbeitszeit (ohne Mehrarbeit) übersteigt, muss nicht verbraucht werden. 

Bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 h pro Woche sind 10% der jährlichen Arbeitszeit ca. 170 h. Die jährliche Arbeitszeit wird wie folgt berechnet = 40 h x 42,6 Wochen = 1.704 h. Eine bestimmte Anzahl von Tagen ist aufgrund von Urlaub, Wochenende und Feiertagen arbeitsfrei. Nach Abzug der arbeitsfreien Tage bleiben von 365 Tagen ca. 213 Tage übrig, bei 5 Arbeitstagen pro Woche ergibt dies 42,6 Wochen im Jahr.

§ 96 Abs. 4 S. 3 Fall 5: 

Arbeitszeitguthaben, die länger als ein Jahr unverändert bestehen, sind geschützt.

Die Auflösung eines Arbeitszeitguthabens kann nicht verlangt werden, soweit es länger als ein Jahr unverändert bestanden hat. Unverändert bedeutet nicht, dass das Guthaben keinerlei Schwankungen aufweisen darf. Geschützt ist der innerhalb eines Jahres vor Beginn der Kurzarbeit erreichte, niedrigste Stand. Wird die Kurzarbeit zum 01.04.2020 eingeführt, betrifft der maßgebliche Zeitraum die Zeitspanne vom 01.04.2019 bis zum 31.03.2019. Gab es bspw. im Jahr 2019 Schwankungen zwischen 200 h (Höchststand Mai 2019) und 100 h (niedrigster Stand November 2019), beträgt das geschützte Arbeitszeitguthaben 100 h. 

Eine weitere Privilegierung gilt für Gleitzeitguthaben, die nicht entgeltlich abgegolten werden. Bei einer Gleitzeitregelung muss das vor der Kurzarbeit angesammelte Zeitguthaben von den Arbeitnehmern zur Vermeidung/Verringerung des Arbeitsausfalls nicht abgebaut werden, wenn 

  • es im Rahmen des vereinbarten Gleitzeitrahmens verbleibt und
  • eine entgeltliche Abgeltung nicht vorgesehen ist. 

§ 96 Abs. 4 S. 4 SGB III: Arbeitszeitschwankungen für einen unterschiedlichen Arbeitsanfall 

Die Vorschrift des § 96 Abs. 4 Satz 4 privilegiert die Betriebe, in denen in einem bestimmten Mindestumfang (10% der Jahresarbeitszeit) Arbeitszeitschwankungen vereinbart sind, um die Arbeitszeit an die jeweilige Produktionskapazität anzupassen. Damit wird einer Minderauslastung der Kapazitäten entgegengewirkt und Kurzarbeit vermieden. Besteht eine solche Flexibilisierungsregelung und kann diese nicht mehr zur Vermeidung des Arbeitsausfalls genutzt werden, gilt die Annahme, dass in dem Betrieb alle betriebsorganisatorischen und urlaubsbezogenen Vorkehrungen getroffen wurden, um den Arbeitsausfall zu vermeiden. 

§ 96 Abs. 4 S. 3 Fall 4 und Fall 5 liegen gleichermaßen vor: 

Beim Zusammentreffen von Fall 4. und Fall 5. ist die für den Arbeitnehmer günstigere Berechnung maßgebend.

Positiver Saldo im Arbeitszeitkonto vor Einführung der Kurzarbeit 300 Stunden

10 % der Jahresarbeitszeit (von z. B. 1.700 Stunden) sind einzusetzen 170 Stunden

Geschütztes Guthaben nach § 96 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 SGB III (= restliches Arbeitszeitguthaben, dass 10% der Jahresarbeitszeit überschreitet) 130 Stunden

Kleinster unveränderter Monatswert des Guthabens in den letzten 12 Monaten 100 Stunden

Geschützes Guthaben nach § 96 Abs. 4 Satz 3 Nr. 5 SGB III 100 Stunden

Zur Vermeidung von Kurzarbeit sind einzubringen (300h – 130h) 170 Stunden

Fazit: 

Die pauschale Behauptung: „Bevor man Kurzarbeit einführen darf, müssen alle Arbeitszeitkonten auf 0 sein!“, ist somit nicht richtig. Unternehmen sollten daher unbedingt prüfen, ob die Arbeitszeitguthaben ihrer Beschäftigten nach § 96 Abs. 4 S. 3 u. 4 SGB III vollständig oder zumindest zu einem Teil geschützt sind. 

BAG: Vergütung von Fahrtzeiten – Außendienstmitarbeiter

Urteil vom 18. März 2020, Az. 5 AZR 36/19

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in dem Rechtsstreit u.a. entschieden, dass Regelungen in einer Betriebsvereinbarung, die die vergütungspflichtigen Fahrtzeiten eines Außendienstmitarbeiters verkürzen, unwirksam sind, wenn die betreffenden Zeiten nach den Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags uneingeschränkt der entgeltpflichtigen Arbeitszeit zuzurechnen und mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sind.

Relevanz: Das Urteil ist für Arbeitgeber, Betriebsräte und auch für Beschäftigte von Interesse, wenn Betriebsvereinbarungen über die Vergütungspflicht von Fahrtzeiten bestehen.

Hintergrund: Zwischen einem im Außendienst tätigen Servicetechniker und seinem Arbeitgeber war streitig, inwiefern Fahrtzeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählen. Der Arbeitgeber ist an die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen gebunden. Kraft dynamischer Bezugnahme im Arbeitsvertrag finden diese Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. In einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2001 ist geregelt, dass Anfahrtszeiten zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, wenn sie 20 Minuten nicht überschreiten. Sofern An- und Abreise länger als jeweils 20 Minuten dauern, zählt die 20 Minuten übersteigende Fahrtzeit zur Arbeitszeit. In das Arbeitszeitkonto des Servicetechnikers hat der Arbeitgeber Reisezeiten von dessen Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden nach Hause bis zu einer Dauer von jeweils 20 Minuten nicht als Zeiten geleisteter Arbeit eingestellt und dafür auch keine Vergütung geleistet.

Der Servicetechniker verlangte von seinem Arbeitgeber, dass seinem Arbeitszeitkonto Fahrtzeiten für März bis August 2017 im Umfang von 68 Stunden und 40 Minuten gutgeschrieben werden bzw. hilfsweise, dass der Gegenwert dieser geleisteten Stunden an ihn ausgezahlt wird. Sein Arbeitgeber weigerte sich mit Verweis auf die Betriebsvereinbarung, nach welcher ein solcher Anspruch wirksam ausgeschlossen sei.

In der letzten Instanz obsiegte der Servicetechniker. Nach Auffassung des BAG kann der Servicetechniker von seinem Arbeitgeber die Gutschrift der umstrittenen Fahrtzeiten verlangen, soweit unter ihrer Berücksichtigung die vertraglich geschuldete regelmäßige Arbeitszeit überschritten wurde. Der Servicetechniker erfüllte mit den Fahrten von seiner Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. 

Zu dieser Einschätzung kam das BAG wegen einer in Deutschland geltenden arbeitsrechtlichen Besonderheit: Dem sog. Tarifvorrang. Nach dem Tarifvorrang ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in den sozialen Angelegenheiten dort ausgeschlossen, wo eine tarifliche Regelung besteht („Tarifsperre“). Gibt es einen Tarifvertrag, geht dieser daher immer vor. Will ein Unternehmen gemeinsam mit dem Betriebsrat durch eine Betriebsvereinbarung von Regelungen des Tarifvertrages abweichen, brauchen die Betriebsparteien hierfür eine tarifvertragliche „Erlaubnis“, auch „Öffnungsklausel“ genannt.

Nach dem in dem Rechtstreit einschlägigen Manteltarifvertrag (MTV), waren sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten. Dazu gehört bei Außendienstmitarbeitern die gesamte für An- und Abfahrten zum Kunden aufgewendete Fahrtzeit. Da der MTV keine Öffnungsklausel zugunsten abweichender Betriebsvereinbarungen enthält, war die entsprechende Regelung der Betriebsvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG unwirksam. Arbeitsentgelte, die durch Tarifvertrag geregelt sind, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Auf Grund der Bindung des Arbeitgebers an die fachlich einschlägigen Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen, welche die Vergütung für geleistete Arbeit auch in Bezug auf Fahrtzeiten der Außendienstmitarbeiter abschließend regeln, bestand im vorliegenden Rechtstreit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Die Betriebsvereinbarung konnte daher keine bindende Regelung zum Thema „Vergütung von Fahrzeiten“ treffen. 

Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit

Die Corona-Pandemie fordert der Wirtschaft so einiges ab. Eine Möglichkeit, um auf Auftragsrückgänge und damit einhergehenden Arbeitsausfall aufgrund der Corona-Pandemie zu reagieren, ist die Einführung von Kurzarbeit.

In unserem letzten Beitrag haben wir darüber berichtet, dass der Arbeitgeber für die Einführung von Kurzarbeit eine sog. Ermächtigungsgrundlage benötigt. Das kann eine Regelung im Tarifvertrag sein. Enthält der Tarifvertrag keine Kurzarbeitsklausel, kann durch eine Betriebsvereinbarung Kurzarbeit eingeführt werden. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat bei der Einführung von Kurzarbeit ein Mitbestimmungsrecht. Nachfolgend wollen wir Ihnen die notwendigen Bestandteile einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit näherbringen.  

Notwendige Inhalte einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit sind folgende:

  • Beginn der Kurzarbeit
  • Dauer der Kurzarbeit; Achtung, diese muss vorrübergehend sein! Das Merkmal „vorrübergehend“ liegt vor, wenn für einen überschaubaren Zeitraum von dem allgemein geltenden Zeitvolumen abgewichen wird, um anschließend zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit zurückzukehren (BAG, Beschluss 01.07.2003, Az.: 1 ABR 22/02)

  • Lage und Verteilung der verkürzten Arbeitszeit
  • Benennung der betroffenen Arbeitnehmer; Achtung, dem genügt eine Betriebsvereinbarung nicht, wenn dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt wird, allein darüber zu entscheiden, welche Arbeitnehmer zusätzlich zu den in der Betriebsvereinbarung Genannten wegen ihrer Aufgabenstellung von der Kurzarbeit ausgenommen werden können (BAG, Urteil vom 18.11.2015, Az.: 5 AZR 491/14).

Achtung: Erfüllt die Betriebsvereinbarung diese Voraussetzungen nicht, liegt keine wirksame Ermächtigungsgrundlage vor. Dann können die Arbeitnehmer ungekürzte Beschäftigung und Lohnzahlung verlangen, d.h. der Arbeitgeber befindet sich im Annahmeverzug (BAG, Urteil vom 18.11.2015, Az.: 5 AZR 491/14). 

Was hat das Sturmtief „Sabine“ mit dem Arbeitsentgelt zu tun?

Das Sturmtief „Sabine“ sorgt seit Montag in Deutschland für erhebliche Behinderungen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr und legte diesen teilweise völlig lahm. Viele Beschäftigte „strandeten“ an Flughäfen und Bahnhöfen und konnten ihre Arbeit am Montagmorgen nicht aufnehmen. Müssen Beschäftigte in solchen Fällen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen? Und haben sie dennoch Anspruch auf Vergütung, obwohl sie nicht zur Arbeit erschienen sind?

Juristen nennen diesen Sachverhalt „nicht zu vertretende Unmöglichkeit“. Die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung hat der  Beschäftigte nicht zu vertreten, da nicht er selbst, sondern höhere Gewalt die Erbringung der Arbeitsleistung zur rechten Zeit am rechten Ort verhindert. 

Arbeitsrechtliche Konsequenzen?

Da die Nichterbringung der Arbeitsleistung unverschuldet ist, kann der Arbeitgeber keine Abmahnung oder verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Denn diese setzen i.d.R. ein vorwerfbares, steuerbares Verhalten des Beschäftigten voraus. Daran fehlt es jedoch, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung durch einen Umstand verhindert wird, auf den der Beschäftigte keinen Einfluss hat. 

Anspruch auf Vergütung?

Kurz gesagt: Der Arbeitgeber muss nicht zahlen. Denn, liegt ein Fall der „nicht zu vertretenden Unmöglichkeit“ vor, wird der Beschäftigte von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt. Im Gegenzug verliert er aber auch seinen Anspruch auf Vergütung. Dies resultiert aus dem Grundsatz  „Ohne Arbeit kein Lohn“. Dieser Grundsatz wird nur bei einer kürzeren Arbeitsverhinderung aus persönlichen Gründen durchbrochen, § 616 BGB. Eine kürzere Arbeitsverhinderung aus persönlichen Gründen liegt aber nicht bei Flug- oder Bahnverspätungen vor, sondern bei Sachverhalten wie der eigenen Hochzeit oder einer Beerdigung eines Angehörigen. 

Was können Arbeitgeber und Beschäftigter tun?

Die Beschäftigten können zunächst auf die Kulanz ihrer Arbeitgeber hoffen, welche oftmals nicht „Spitz auf Knopf rechnen“ und in Fällen der unverschuldeten Arbeitsverhinderung den betroffenen Tag dennoch vergüten. Weiterhin können Beschäftigter und Arbeitgeber vereinbaren, dass Überstunden abgebaut werden oder Urlaub gewährt wird. Grundsätzlich kann der Beschäftigte aber weder verpflichtet werden, Urlaub zu nehmen, noch muss der Arbeitgeber den Fehltag bezahlen. Es muss daher eine Einigung zwischen Beschäftigtem und Arbeitgeber vorliegen. Es besteht auch die Möglichkeit, arbeitsvertraglich zu regeln, welche Folgen der unverschuldete Nichtantritt zur Arbeit haben soll. 

Fazit: Sturmtief Sabine entwurzelt nicht nur Bäume, sondern birgt auch Streitpotential für Arbeitsverhältnisse. 

BAG: Überstunden erlöschen nach Kündigung nicht automatisch durch Freistellung

Urteil vom 20.11.2019, Az. 5 AZR 578/18

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in dem Rechtsstreit u.a. entschieden, dass Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto vom Arbeitgeber in Geld abzugelten sind, wenn diese bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden können. Die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht in einem gerichtlichen Vergleich ist nur dann geeignet, den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau von Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu erfüllen, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich von der Arbeitspflicht freistellen will. Hierfür genügt die Klausel, der Arbeitnehmer werde unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt, nicht.

Relevanz: Das Urteil ist für Unternehmen und Arbeitgeber von Interesse, die Arbeitnehmer nach ausgesprochener Kündigung unwiderruflich von der Arbeit freistellen. Die Entscheidung verdeutlicht, wie wichtig Formulierungen in Aufhebungsverträgen und gerichtlichen Vergleichen sind. 

Hintergrund: Die Klägerin war als Sekretärin beschäftigt. Nachdem ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte, schlossen sie im Kündigungsschutzprozess einen gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des übernächsten Monats endete. Bis dahin stellte der Arbeitgeber die Klägerin unwiderruflich von ihrer Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung frei. In diesem Zeitraum sollte auch der Resturlaub eingebracht sein. Eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel enthält der Vergleich nicht.

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte die Klägerin von ihrem ehemaligen Arbeitgeber die Abgeltung von Gutstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto in Geld. 

Nach Auffassung des BAG sind Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto in Geld abzugelten, da in dem geschlossenen Vergleich weder ausdrücklich, noch konkludent hinreichend deutlich festgehalten sei, dass die Freistellung auch dem Abbau des Arbeitszeitkontos dienen solle.

BAG: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – Einheit des Verhinderungsfalls

Urteil vom 11.12.2019, Az. 5 AZR 505/18

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in dem Rechtsstreit u.a. entschieden, dass bei einer neuen, auf einem anderen Grundleiden beruhenden Krankheit kein erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht, wenn die vorhergehende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit noch nicht beendet war. Der gesetzliche Anspruch ist auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Der Arbeitnehmer ist hinsichtlich der Beendigung der Ersterkrankung darlegungs- und beweisbelastet.

Relevanz: Das Urteil ist sowohl für Unternehmen und Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer von Interesse, wenn Arbeitnehmer aufgrund verschiedener Krankheiten in einem engen zeitlichen Zusammenhang arbeitsunfähig sind.  

Hintergrund: Eine Arbeitnehmerin war mehr als 3 Monate infolge eines psychischen Leides arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber leistete für die ersten sechs Wochen Entgeltfortzahlung, im Anschluss bezog die Arbeitnehmerin auf der Grundlage von Folgebescheinigungen ihres Hausarztes von der Krankenkasse Krankengeld. Am Tag nach dem Ablauf der letzten Folgebescheinigung für das psychische Leiden unterzog sich die Arbeitnehmerin einer länger geplanten Operation, aufgrund derer ihr von ihrer Fachärztin mit einer Erstbescheinigung eine Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde. Eine erneute Vorstellung beim Hausarzt bezüglich des psychischen Leidens fand nicht statt. Nach Ablauf der OP-bedingten Arbeitsunfähigkeit erbrachte die Arbeitnehmerin keine Arbeitsleistung mehr, sondern begann eine Psychotherapie bei einem Neurologen. Arbeitgeber und Arbeitnehmerin stritten um die erneute Entgeltfortzahlung.

Nach Auffassung des BAG hat die Arbeitnehmerin bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der weiteren Arbeitsunfähigkeit bereits geendet hat. Dies ist der Arbeitnehmerin im vorliegenden Fall nicht gelungen, so dass kein erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung entstanden ist.