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AG Bottrop: Sonderkündigung unwirksam – Amtsgericht Bottrop verpflichtet Versorger zur Weiterbelieferung

Beschluss vom 27.10.2021, Az.: 11 C 333/21

Das Amtsgericht (AG) Bottrop hat per Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen die Regionale Energiewerke GmbH (BK) entschieden, dass die außerordentliche Kündigung des Strom- und Gaslieferanten unwirksam sei. Das Gericht verpflichtete die BK, den Antragssteller unverzüglich weiter mit Energie zu beliefern und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR an.


Relevanz:
Das Urteil ist für all jene Unternehmen von Relevanz, die von einer außerordentlichen Kündigung ihrer Gas- und Stromlieferverträge betroffen sind.

Hintergrund: Mit Ablauf des letzten Jahres haben eine Vielzahl von Verbrauchern die außerordentliche Kündigung ihres Gas- oder Stromliefervertrages erhalten. In einer Vielzahl von Fällen war die Kündigung gleichbedeutend mit dem Einstellungsstopp der Gas- und Stromlieferung. Gerechtfertigt wurden diese Kündigungen zumeist damit, dass eine Versorgung aufgrund der Beschaffungspreise unzumutbar geworden sei oder sogar die Insolvenz drohe.

So auch in diesem Fall vor dem AG Bottrop, wo die BK aufgrund der stark gestiegenen Gaspreise den mit dem Antragsteller bestehenden Gasliefervertrag außerordentlich gekündigt und die Belieferung eingestellt hat. Gegen diese Kündigung wendete sich der Antragsteller und beantragte im einstweiligen Verfügungsverfahren, der BK die Liefereinstellung zu untersagen und ihr unverzüglich die Weiterbelieferung aufzugeben.

Der Entscheidung wurden folgende Argumente zu Grunde gelegt:

  • Eine außerordentliche Kündigung der Gaslieferverträge auf Grundlage des § 314 BGB (Kündigung aus wichtigem Grund) wurde verneint.
  • Um eine rechtswirksame außerordentliche Kündigung aussprechen zu können, muss grundsätzlich ein derart wichtiger Umstand vorliegen, der es für eine Vertragspartei unzumutbar macht, das Vertragsverhältnis aufrecht zu erhalten.
  • Der Grund darf zudem nicht in der Sphäre des Kündigenden selbst liegen.
  • Nach Auffassung des Gerichts läge das Beschaffungsrisiko und das damit verbundene Preisrisiko im unternehmerischen Risiko des Energieversorgers und rechtfertige daher keine außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB.

Wichtig für aktuell laufende oder drohende Versorgerinsolvenzen (z.B. KEHAG):

Trotz der immensen Preissteigerung auf dem Energiemarkt scheint dies keine Ausnahme der Risikozuordnung zu rechtfertigen.

Hat auch Sie eine außerordentliche Kündigung Ihres Energielieferanten erreicht, unterstützen wir Sie gern bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Auch im Falle einer Versorgerinsolvenz sprechen Sie uns gern an.

Autoren: Yvonne Hanke
                 Pia Weber
                Joel Pingel
                 

LG Lübeck: Netzbetreiber können Netzentgelte auch noch nach 7 Jahren verlangen

Urteil vom 3. August 2020, Az.:

In dem vorstehenden Rechtsstreit zwischen einem Netzbetreiber und einem Energielieferanten hat das Landgericht Lübeck entschieden, dass das Zurückweisen einer Forderung nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip der GPKE dem Fällig werden der Forderung entgegensteht, sodass der Verjährungslauf nicht beginnt.

Relevanz: Das Urteil ist von Interesse für die Frage, in welchen Fällen Netzentgeltforderungen mit Ablauf des dritten Jahres nach Zugang der Rechnung verjähren. Nach Auffassung des Gerichtes ist dies nicht der Fall, wenn der Kunde die Forderungen wegen des Vorliegens eines Fehlers gänzlich zurückweist. Die Position der Netzbetreiber wird insoweit durch das Urteil wesentlich gestärkt.

Hintergrund: Der beklagte Energielieferant hatte eine Rechnung des Netzbetreibers aus dem Jahr 2011 über die Abrechnung der Netznutzung nach dem sog. Alles-oder-nichts-Prinzip vollständig zurückgewiesen. Dieses Prinzip sieht gemäß Festlegungen der Bundesnetzagentur rund um die Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität (GPKE) vor, dass Netznutzungsrechnungen entweder als vollumfänglich richtig zu akzeptieren oder komplett abzulehnen sind. Vier Jahre später – also im Jahr 2015 – versandte der Netzbetreiber eine erneuerte Rechnung. Der Energielieferant berief sich nun aber vorrangig auf die Verjährung der Forderung. Daraufhin erhob der Netzbetreiber im Jahr 2018 Klage gerichtet auf Zahlung der in Rechnung gestellten Netznutzungsentgelte.

Zu der Frage der Verjährung hat das LG Lübeck nun klargestellt, dass es gemäß § 14 Abs. 1 des Lieferantenrahmenvertrages auf den Zugang der Rechnung für die Fälligkeit der Netzentgeltforderung ankomme. Weist der Lieferant die Forderung aber nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip der GPKE zurück, so könne die zurückgewiesene Forderung nicht fällig werden. Der vom Lieferanten angegebene Grund sei hierbei unwirksam. IM Ergebnis konnte sich der Energielieferant damit nicht auf die Verjährung der Forderungen des Netzbetreibers berufen. Das Gericht gab der Klage des Netzbetreibers damit vollumfänglich statt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

EuG: Nord-Stream-Klagen gegen Änderung der Gasrichtlinie unzulässig

Beschlüsse vom 20. Mai 2020, Az.: T-530/19 und T-526/19 In dem vorstehenden Klageverfahren der Betreiber der Gasfernleitungen Nord Stream 1 und 2 hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) die Klagen gegen die Änderung der Gasrichtlinie 2009/73/EG als unzulässig abgewiesen, da die Betreiber der Gasfernleitungen durch die Richtlinie nicht unmittelbar betroffen seien. Erst durch die Umsetzung in nationales Recht durch die Mitgliedstaaten werden die Betreiber der Gasfernleitungen den Verpflichtungen aus der geänderten Richtlinie unterworfen. Zudem steht es den Mitgliedsstaaten bzw. den nationalen Regulierungsbehörden frei unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von einigen Vorschriften der geänderten Richtlinie, etwa für die neuen großen Gasinfrastrukturen oder für Gasfernleitungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, die bereits vor in Kraft treten der Änderungsrichtlinie am 23. Mai 2019 fertiggestellt waren, zu gewähren.

Relevanz: Die Umsetzung der Vorgaben aus der Änderungsrichtlinie (EU) 2019/692 ist in Deutschland durch das Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/692 erfolgt. Die erforderlichen Änderungen des EnWG hat der Deutsche Bundestag bereits am 13. November 2019 beschlossen. Im Zentrum der Änderung steht neben der Anpassung der Definition der Verbindungsleitung (§ 3 Nr. 34 EnWG) der neu eingefügte § 28b EnWG. Dieser sieht unter bestimmten Voraussetzungen eine Freistellung für Gasfernleitungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern vor, die bereits vor dem 23. Mai 2019 fertiggestellt wurden. Für diese lief bis zum 24. Mai 2020 ein Verfahren zur Freistellung von den Vorgaben des Regulierungsrechts.

Hintergrund: Durch die am 23. Mai 2019 in Kraft getretene Richtlinie zur Änderung der Gasrichtlinie 2009/73/EG wurden bestimmte Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt, u. a. Vorgaben zur Entflechtung der Eigentumsverhältnisse, auch auf Gasfernleitungen aus Drittländern erstreckt. Seit dem Inkrafttreten der Änderungsrichtlinie müssen Betreiber von Gasfernleitungen bzgl. des Leitungsabschnitts, der sich zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland bis zum Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder im Küstenmeer des Mitgliedstaats befindet, die Richtlinie 2009/73/EG sowie die jeweiligen nationalen Vorschriften zu ihrer Umsetzung beachten. Hieraus resultiert insbesondere die Pflicht, zur Entflechtung der Fernleitungsnetze und der Fernleitungsnetzbetreiber sowie zur Schaffung eines Systems für den nichtdiskriminierenden Zugang Dritter zum Fernleitungs- und Verteilernetz. Die Gasfernleitung Nord Stream 1 dient zur Durchleitung von Gas zwischen dem russischen Wyborg und Lubmin in Deutschland. Die parallel hierzu verlaufenden Gasfernleitung Nord Stream 2 befindet sich seit Januar 2017 in der Errichtung, war aber zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungsrichtlinie am 24. Februar 2020 zu etwa 95 % abgeschlossen. Mit ihrer Klage begehrten die Betreiber der Gasfernleitungen die Änderungsrichtlinie für nichtig zu erklären.

OLG Celle: Einstweiliger Rechtsschutz zur Durchsetzung des Anspruchs des Betreibers einer EEG-Anlage auf Stromabnahme

Beschluss vom 4. Juli 2019, Az.: 13 U 4/19

In dem vorstehenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren zwischen einem Erzeugungsanlagenbetreiber und einem Netzbetreiber hat das OLG Celle u.a. entschieden, dass der sachliche Anwendungsbereich des § 83 EEG (einstweiliger Rechtsschutz) die Geltendmachung eines isolierten Anspruchs aus dem Katalog des § 83 Abs.1 EEG auch dann erfasst, wenn der Anspruch nicht im Zusammenhang mit der Neuerrichtung bzw. der erstmaligen Inbetriebnahme von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien steht.

Relevanz: Das Urteil ist für Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas im Rahmen der Netzanschluss-, Netzoptimierungs-, Netzverstärkungs-, Netzausbau- Stromabnahmepflicht des vorgelagerten Netzbetreibers relevant. Das OLG Celle stellt hier klar, dass diese Regelung nicht nur dann gilt, wenn Ansprüche im Zusammenhang mit der Neuerrichtung bzw. erstmaligen Inbetriebnahme einer Anlage geltend gemacht werden, sondern sie erfasst auch Sachverhalte, bei denen es – wie hier – nach der Netztrennung einer EEG-Anlage um den Wiederanschluss und die Stromabnahme geht. 

Hintergrund: Die Antragstellerin hatte den Netzbetreiber im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichten wollen, ihre EEG-Anlage an das Netz anzuschließen und den Strom abzunehmen. Das Verfahren scheiterte im Ergebnis daran, dass die Antragstellerin das Vorliegen eines Verfügungsgrundes nicht darlegen konnte. Denn laut dem OLG Celle setzt auch § 83 Abs. 2 EEG voraus, dass ein Verfügungsgrund vorliegt. Es besteht insoweit aber eine widerlegliche tatsächliche Vermutung für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes, d.h. der Anlagenbetreiber wird von der Darlegung und Glaubhaftmachung einer Dringlichkeit befreit. Der Antragsgegner musste diese Vermutung widerlegen können, was ihm gelungen ist.

Zeitplan für die Zusammenlegung der Gasmarktgebiete steht

BNetzA veröffentlicht die Meilensteine des Zusammenlegungsprozesses

In Deutschland gibt es zwei Gas-Marktgebiete: NetConnect Germany und Gaspool. Während im Strombereich ein Handel und eine Lieferung über alle Netze deutschlandweit unproblematisch abgewickelt werden, sind diese Möglichkeiten im Gasbereich nur eingeschränkt verfügbar. Die unbeschränkte Nutzung der Netze, bei der eingespeistes Gas zu einem einheitlichen Preis an jeden beliebigen Entnahmepunkt desselben Marktgebietes geliefert werden und zwischen Marktteilnehmern über einen sog. virtuellen Handelspunkt gehandelt werden kann, war nur innerhalb des jeweiligen Marktgebietes gegeben. Marktgebietsübergangskapazitäten ebenso wie die Grenzübergangskapazitäten zu Nachbarländern sind knapp und haben den Handel zwischen den Marktgebieten beeinträchtigt, was teilweise zu unterschiedlichen Preisen für Erdgas führte.

Aus diesem Grund wurde bereits im Jahr 2017 die GasNZV geändert und die Zusammenlegung der beiden deutschen Marktgebiete angeordnet (RGC berichtete).

Nach der Planung der betroffenen Netzbetreiber sollen zum Beginn des Gaswirtschaftsjahres 2021/2022 die jetzigen Marktgebiete ein gemeinsames Marktgebiet unter dem Namen „Trading Hub Europe“ bilden. Den Prozess der Zusammenlegung begleitet eng die BNetzA. Diese hat nun auch die Meilensteine und den Zeitplan auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Auch die beiden Marktgebietsverantwortlichen haben Informationen über die Zusammenlegung und Antworten auf die wichtigsten auf einer Website veröffentlicht.

BNetzA-Festlegung zur Anpassung des Bilanzkreisvertrages Strom

Änderungen betreffen auch das Fahrplanmanagement

Die BNetzA hat am 12. April 2019 eine umfangreiche Festlegung (Az.: BK6-18-061) veröffentlicht, mit der die Bedingungen eines neuen Standard-Bilanzkreisvertrages (Strom) festgeschrieben werden. Mit Wirkung zum 1. Mail 2020 wird der neue Bilanzkreisvertrag Strom den derzeit gültigen Standard-Bilanzkreisvertrag (Az.: BK6-06-013, Festlegung vom 29. Juni 2011) ersetzen. Die bisherige BNetzA-Festlegung wird dann zum Ablauf des 30. April 2020 widerrufen.

Im Wesentlichen beruht der neue Bilanzkreisvertrag auf einer Weiterentwicklung des aktuell gültigen Standardbilanzkreisvertrages, dessen Überarbeitung bereits seit Dezember 2013 zwischen Bundesnetzagentur, Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB), Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) und Verbänden umfassend diskutiert wurde (RGC berichtete). Hintergrund ist u.a. der regelenergieintensive Missbrauch von Bilanzkreisen durch die Bilanzkreisverantwortlichen. Daher sieht der neue Vertrag nun bei erheblichen Über- und Unterdeckungen ein außerordentliches Kündigungsrecht vor, ebenso wenn sich aus den Fahrplanmeldungen ein Ausfallrisiko erkennen lässt.

Hinzu kam das Inkrafttreten der sog. Electricity Balancing Guideline, die in deutsches Recht umzusetzen war. Daher enthält der neue Bilanzkreisvertrag Strom neben dem konkreten Pflichtenverhältnis zwischen den Bilanzkreisverantwortlichen und den ÜNBs u.a. Regelungen zur finanziellen Verantwortung sowie Abrechnung von Bilanzkreisabweichungen, zur Bereitstellung von Daten und Informationen, zu Sanktionen für Pflichtverstöße sowie zum Fahrplanmanagement.

Hinsichtlich der Abwicklung des Austausches von Fahrplandaten, sind bereits Änderungen zum 1. Oktober 2019 nötig, da dann Fahrpläne mittels Signatur abzusichern sind und zusätzliche spezifische Kontaktdaten ausgetauscht werden müssen. Um das zu gewährleisten, werden die ÜNB wahrscheinlich kurzfristig auf die Bilanzkreisverantwortlichen zugehen und Anlage 2 des bestehenden Bilanzkreisvertrages gegen eine neue Version ersetzen.

Die Festlegung der BNetzA, die Prozessbeschreibung Fahrplanmanagement sowie weitere Informationen hat die BK6 auf Ihrer Internetseite veröffentlicht.