LG Stuttgart: Irreführende „Greenwashing“-Werbung ist zu unterlassen!
Urteil vom 10.01.2022, Az.: 36 O 92/21 KfH
In dem vorstehenden Urteil, das Sie hier finden, hat das LG Stuttgart entschieden, dass die Werbung mit einer konkreten Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks durch Investment in einen Aktienfonds irreführend und zu unterlassen ist, wenn die suggerierte CO2-Einsparung nicht verbindlich erfüllt wird.
Im vorliegenden Fall konnten Kunden mithilfe eines „CO2-Rechners“ zunächst ihren eigenen CO2-Fußabdruck berechnen und laut der angegebenen Werbung abhängig von der Höhe ihrer Investition ihren CO2-Fußabdruck um ein konkretes Maß senken bzw. eine konkrete CO2-Menge einsparen. Dadurch wurde der Eindruck erweckt, die vom Fonds angestrebten Umweltziele seien verbindlich. Tatsächlich handelte es sich jedoch nur um „unverbindliche Anlageziele“, die beliebig unterschritten werden konnten. Das LG Stuttgart hat die Werbung deshalb als unzulässiges „Greenwashing“ eingestuft.
Wenn das betroffene Unternehmen die Werbung nicht unterlässt, droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €. Deutlich härter als durch das angedrohte Ordnungsgeld dürfte das Unternehmen durch den Imageverlust aufgrund des nachgewiesenen „Greenwashings“ getroffen sein.
Relevanz: Das Urteil ist für alle Unternehmen interessant, die mit Klimazielen bzw. dem Klimaschutz werben. Bei der Verwendung dieser und ähnlicher Begriffe ist ein hoher Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Es ist insbesondere zu vermeiden, konkrete Einsparziele o.ä. zu suggerieren, wenn das Unternehmen diese Ziele nicht nachweislich erfüllen kann.
Weil viele unserer Mandanten ihre Versorgungskonzepte beispielsweise durch den Abschluss langfristiger PPA-Verträge oder die Neuerrichtung von Erneuerbaren-Energien-Anlagen CO2-freundlich gestalten und diese Veränderungen auch kommunizieren möchten, werden wir schnellstmöglich einen RGC-Fokus zu der Frage auf die Beine stellen, wann unzulässiges „Greenwashing“ beginnt – und was erlaubt bleibt!
Hintergrund: Die Beklagte, eine Commerzbank-Tochter, die einen Finanzfonds vertrieb, warb auf ihrer Website mit einem „CO2-Rechner“. Mit diesem konnten User ihren eigenen CO2-Fußabdruck ermitteln. Dem wurde dann ein durch die Beklagte ermittelter „Ausgleich“ gegenübergestellt, den der User durch Investition in den Fonds erreichen können sollte. Suggeriert wurde hierbei, dass der Fonds eine konkrete CO2-Reduzierung erreichen würde. Erst im – separat aufzufindenden – „Informationsmemorandum“ fand sich der Hinweis, dass der avisierte CO2-Ausgleich nur ein unverbindliches Ziel darstellte und auch erheblich unterschritten werden konnte.
Das Gericht stellte fest, dass aufgrund der Unbestimmtheit von Begriffen im Zusammenhang mit CO2-Reduktionen oder Klima- bzw. „Umweltfreundlichkeit“ eine Irreführungsgefahr, insbesondere von Verbrauchern im Bereich der umwelt- und klimabezogenen Werbung besonders groß sei. Es bestünde daher ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis. Auch seien an aufklärende Hinweise strenge Anforderungen zu stellen, wenn die Irreführung vermieden werden soll. Versteckte Hinweise in separaten Dokumenten oder AGB genügen hierbei gerade nicht, um dem „Greenwashing“-Vorwurf entgegenzutreten.
Die Angabe eines absoluten CO2-Ausgleichs ist laut LG Stuttgart eine zur Täuschung geeignete Angabe gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, da Kunden diese Angaben als fixe Werte begreifen, die jedenfalls nicht unterschritten werden. Die entsprechende Werbung ist deshalb unlauter gemäß § 3 Abs. 1 UWG und somit zu unterlassen.
Autoren: Annerieke Walter
Jan Schlüpmann