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Kabinett beschließt Erleichterungen für Verfahren nach BImSchG und Anforderungen nach diversen BImSchG-Verordnungen

Die Bundesregierung hat letzte Woche (31.08.2022) Änderungen im Immissionsschutzrecht beschlossen. Umfasst sind Ausnahmen von Ableitbedingungen für Abgase sowie für Anlagen zur Abfallaufbereitung. Für die Lagerung entzündlicher Gase soll das vereinfachte Genehmigungsverfahren angewandt werden können.

Mit den geplanten Änderungen sollen Sonderregelungen zur Bewältigung der Gasmangellage geschaffen werden. Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), die in einem spezifischen Zusammenhang mit der Gasmangellage durchzuführen sind, sollen erleichtert und beschleunigt werden.

So soll unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und vor Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Errichtung sowie dem Betrieb von Anlagen begonnen werden können (§ 31e BImSchG-E). Wenn dies zur Beschleunigung des Verfahrens beiträgt, sollen die Verfahrenserleichterungen auch für bereits begonnene Verfahren gelten (§ 31k BImSchG-E). Voraussetzungen sind insbesondere eine „ernste oder erhebliche Gasmangellage“ sowie die Beantragung der Genehmigung im Zusammenhang mit einem Brennstoffwechsel, einem Fehlen von Betriebsmitteln für Abgaseinrichtungen oder einer anderen „durch die ernste oder erhebliche Gasmangellage ausgelösten Notwendigkeit“.

Eine ernste bzw. erhebliche Gasmangellage liegt nach der überarbeiteten Gesetzesbegründung nunmehr explizit mit Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans Gas vor, sodass sie vom Anlagenbetreiber nicht erneut nachgewiesen werden muss.

Die Schwelle bis zu der Anlagen zur Lagerung entzündbarer Gase (insb. Erdgas, Flüssiggas und LNG) im vereinfachten Verfahren genehmigt werden, soll durch die Änderung der 4. BImSchV von 30 Tonnen auf 50 Tonnen angehoben werden. Sie entspricht damit i.d.R. der Schwelle, ab der das Störfallrecht auf die jeweiligen Anlagen anwendbar ist.

Weitere Erleichterungen sieht § 31f BImSchG-E im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Danach können die grundsätzlich erforderlichen Auslegungs- und Einwendungsfristen verkürzt werden. Auf die Durchführung eines Erörterungstermines soll grundsätzlich verzichtet werden.

Für bestimmte Anlagen, die in der Gasmangellage für max. zwei Jahre benötigt werden und ein Fassungsvermögen von nicht mehr als 200 Tonnen haben, soll eine befristete Genehmigung im vereinfachten Verfahren erteilt werden können (§ 31h BImSchG-E).

Die zuständigen Behörden sollen Ausnahmen von Emissionsgrenzwerten (TA Luft) und Immissionsrichtwerten (TA Lärm) erteilen können, ohne dass eine Änderungsanzeige oder Änderungsgenehmigung notwendig ist (§§ 31g, 31i, 31j BImSchG-E). Voraussetzung ist insbesondere, dass die Überschreitung der Werte im Zusammenhang mit einem Brennstoffwechsel steht oder notwendige Betriebsmittel für Abgaseinrichtungen wegen der Gasmangellage nicht ausreichend zur Verfügung stehen oder eine andere durch die Gasmangellage ausgelöste Notwendigkeit besteht. In jedem Fall ist eine ernste und erhebliche Gasmangellage erforderlich. Laut Gesetzesbegründung soll die Gewährung von Ausnahmen weit angewandt werden.

Bei Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Abluftreinigung wegen fehlendem Gas nur noch eingeschränkt funktionsfähig ist. Um Stilllegungen zu vermeiden, sieht der Entwurf zur Änderung der 30. BImSchV-E daher vor, dass auch bei diesen Anlagen Abweichungen von genehmigten Emissionswerten zugelassen werden können.

Mit der Änderung der 44. BImSchV-E soll eine weitere Möglichkeit für befristete Ausnahmen von Ableitbedingungen für Abgase eingeräumt werden. Dies betrifft insbesondere die erforderliche Höhe von Schornsteinen. Als möglicher Anwendungsbereich wird der kurzfristige Einsatz mobiler Wärmeerzeuger genannt, welche typischerweise nicht die nach der Verordnung erforderliche Schornsteinhöhe aufweisen.

Mit der Änderung des BImSchG will sich der Bundestag noch im September befassen. Den Verordnungen muss der Bundesrat noch zustimmen. Mit einem Inkrafttreten der Vorschriften ist daher voraussichtlich im Oktober zu rechnen.

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                       Annika Rott
                       Yvonne Hanke

Preisanpassung nach § 24 EnSiG? Es gibt auch andere Möglichkeiten!

Nach der Ausrufung der Alarmstufe sind wir nur noch einen Schritt vom Eingreifen des Preisanpassungsrechts im EnSiG entfernt. Diesen drastischen Schritt gilt es unserer Ansicht nach, zu vermeiden! Es gibt zielführendere und weniger belastende Möglichkeiten!

Mit der Novelle des EnSiG (RGC berichtete) wurde in § 24 ein gesetzlich geregeltes Preisanpassungsrecht für Gasversorger eingeführt.

Danach sind Gasversorger berechtigt, ihre Gaspreise anzupassen – also zu erhöhen -, wenn die Alarm- oder die Notfallstufe ausgerufen ist und zugleich die Bundesnetzagentur eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen festgestellt hat. Die Lieferanten dürfen dann ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau“ anpassen.

Die Angemessenheit wird zwar durch die für die Lieferanten konkret entstandenen Mehrkosten beschränkt, dennoch handelt es sich hier um einen der weitreichendsten Eingriffe in die Vertragsfreiheit, der in Bezug auf Energielieferverträge denkbar ist. Es passiert hier nichts anderes, als dass das Preis- und Beschaffungsrisiko, welches die Lieferanten nach der vertraglichen Konzeption in vollem Bewusstsein der Konsequenzen auch bei Änderung der Marktlage übernommen haben, nun in vollem Umfang den Letztverbrauchern auferlegt wird.

Eine so drastische Verlagerung von Risiken führt dazu, dass vor allem Mittelständler ab Eintritt des Preisanpassungsrechts – trotz Bestrebungen wie Energiebeihilfen – in ernste wirtschaftliche Bedrängnis geraten können. Lieferketten könnten abreißen und ganze Branchen könnten ihre Produktion einstellen müssen, sodass insgesamt mit unkalkulierbaren volkswirtschaftlichen Folgen zu rechnen wäre. Außerdem wäre mit einer Prozessflut zu rechnen. Kein Unternehmen wird darauf verzichten können, die Rechtmäßigkeit der Preisanpassung gerichtlich überprüfen zu lassen.

Angesichts dieser dramatischen Folgen sollten unserer Ansicht nach dringend Alternativen geprüft werden, die zwar massenhafte Gasversorgerinsolvenzen verhindern, aber auch der ohnehin durch die Krise stark belasteten Wirtschaft nicht in den Rücken fallen und dazu noch die Gerichte übermäßig belasten. Damit ist niemandem geholfen!

Es sollten daher dringend andere Maßnahmen geprüft werden. Insbesondere käme eine umlagen- oder steuerfinanzierte Unterstützung von Gasimporteuren in Betracht, die infolge von Importausfälle durch hohe Kosten für die Ersatzbeschaffung wirtschaftlich gefährdet werden.

Autoren: Dr. Franziska Lietz
                 Yvonne Hanke
                  Prof. Dr. Kai Gent

Klimaklagen auf Landesebene haben beim Bundesverfassungsgericht keine Aussicht auf Erfolg.

Die Karlsruher Richterinnen und Richter nahmen die von der Deutschen Umwelthilfe unterstützten Verfassungsbeschwerden junger Menschen alle nicht zur Entscheidung an, Beschluss vom 22.01.2022, Az. 1 BvR 1565/21 u.a.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat Ende 2021 gemeinsam mit Kindern und jungen Erwachsenen weitere Klimaklagen gegen die Landesregierungen von zehn Bundesländern eingereicht. Die Klagen gegen die Länder schließen sich an die historische Klima-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Bundesklimaschutzgesetz aus dem Frühjahr 2021 an (Beschluss v. 24.03.2021, Az. 1 BvR 2656/18 u.a.). Damals bestätigte das BVerfG, dass Teile des zu diesem Zeitpunkt geltenden Bundesklimaschutzgesetzes verfassungswidrig seien. Das Gericht hatte erstmals entschieden, dass die Grundrechte jüngere Generationen auch davor schützen, durch zu zögerliche Klimaschutz-Maßnahmen in der Zukunft unverhältnismäßig belastet zu werden. Die Richterinnen und Richter leiteten dies aus dem Klimaschutzgebot des Art. 20a Grundgesetz (GG) sowie den grundrechtlichen Schutzpflichten gegen die Klimafolgen aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG ab (RGC berichtete).

Die Klagen gegen die Länder schließen sich an diese historische Klima-Entscheidung des BVerfG an. Allen Klagen gemeinsam war, dass die Kläger von den beklagten Bundesländern jeweils Landesklimaschutzgesetze fordern bzw. Anpassungen bereits bestehender fordern, die dem Pariser Klimaschutzabkommen sowie dem Grundgesetz entsprechen.

Der Argumentation der Beschwerdeführer, ihre zukünftige Freiheit werde nicht ausreichend geschützt, da zu hohe Belastungen auf sie zukommen könnten, weil die Länder die Reduzierung von Treibhausgasen nicht gut genug geregelt hätten, folgte das BVerfG jedoch nicht.

Die Richter bestätigten zwar, dass Menschen klagen können, wenn zu befürchten ist, dass der Staat zu wenig für den Klimaschutz tut. Aber das Gericht sagte gleichzeitig, dass auch erkennbar sein muss, um welche Gesamt-CO2-Menge es insgesamt geht. Wenn hier geklagt wurde, dass die Bundesländer nicht genug tun, müsse feststehen, welches Bundesland wann wieviel CO2 einzusparen hat. Solch eine Regel gebe es aber nicht, hieß es in dem Beschluss, weshalb in diesen Fällen die Verfassungsbeschwerden scheitern. Darüber hinaus erklärte das Gericht, dass das Fehlen eines solchen Gesetzes auf Landesebene die Schutzpflicht aus dem Leib- und Lebensschutz sowie der Eigentumsgarantie nicht verletze, da bereits auf Bundesebene ein Klimagesetz existiere.

Ob diese Entscheidung nach dem letztjährigen Paukenschlag aus Karlsruhe, einen Rückschritt in der Rechtsprechung zum Klimaschutz bedeutet, werden die Ausgänge der aktuell anhängigen Klimaklagen zeigen. Die aktuellste Verfassungsbeschwerde wurde im Januar dieses Jahres eingereicht. Hier wird vor allem mit dem verbleibenden Budget an Treibhausgas-Emissionen, das Deutschland rein rechnerisch noch zustünde, argumentiert. Zudem hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Greenpeace juristische Schritte gegen vier deutsche Konzerne eingeleitet, um sie zu mehr Klimaschutz zu verpflichten.

Autoren: Pia Weber
                 Joel PIngel

Der Sound der E-Mobilität: Neue EU-Verordnung sieht Geräuschpflicht für Elektroautos vor

Mit Inkrafttreten der EU-Verordnung 540/2014 am 1. Juli 2021 müssen alle neuen Batterie-Elektroautos, Hybridmodelle oder Wasserstofffahrzeuge über ein „Acousitc Vehicle Alerting System“ (AVAS) verfügen. Galt das beinahe geräuschlose Fahren der Elektroautos lange als einer ihrer größten Vorzüge, so birgt es dennoch Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer. Diese Gefahren sollen künftig durch zukunftsorientierte Sounds minimiert werden.

Da E-Autos viel leiser als herkömmliche Autos sind, standen sie lange für den Traum eines geräuscharmeren Straßenverkehrs. Gerade in Städten mit viel Stop-and-Go-Verkehr wäre ein nahezu geräuschloser Verkehr möglich, da die strombetriebenen Fahrzeuge erst ab 20 km/h aufgrund von Abrollgeräuschen der Reifen deutlich zu hören sind. Doch dieser erst gedachte Vorteil hat einen großen Haken: Geräuschlose Fahrzeuge stellen gerade für sehbehinderte oder blinde Menschen eine Gefahr dar, da diese auf die aktustischen Signale parallel fahrender oder kreuzender Fahrzeuge angwiesen sind, um sich sicher im Straßenverkehr bewegen zu können. Auch Kinder, Radfahrer und ältere Menschen sind auf die Geräusche des Verkehrs angewiesen, um sich orientieren zu können.

Um eine notwendige Orientierung auch mit E-Fahrzeugen zu ermöglichen, müssen diese ab dem 1. Juli 2021 bis zur Grenze von 20 km/h ein deutliches Geräsuch von sich geben, das beim Anfahren des Autos lauter wird. Dieser Ton soll dem eines Verbrennungsmotors gleicher Bauart ähnlich, jedoch nicht identisch sein. Musikstücke, abstrakte Sounds und Naturgeräusche sind verboten. Weiterhin muss der Ton beim Neustart eines Autos aktiviert werden und auch beim Rückwärtsfahren erklingen. Eine „Pausenfunktion“, wie sie zurzeit zum Teil existiert, ist nicht mehr gestattet. Der Ton muss sich laut Verordnung zwischen 56 und 75 Dezibel bewegen. Zur Orientierung: Das ist etwas lauter, als das Brummen eines herkömmlichen Kühlschranks, aber leiser als eine Waschmaschine im Schleudergang.

Die Hersteller nutzen die neue Vorgabe, um ihren Elektromodellen einen modernen und individuellen Sound zu verleihen und haben dabei häufig bekannte Unterstützung. So entwickelte beispielsweise Volkswagen seinen originellen Sound für den ID.3 mit dem Komponisten Leslie Mandoki, der mit der Band „Dschingis Khan“ berühmt wurde. BMW sicherte sich für ihr neues Soundkonzept den Filmkomponisten Hans Zimmer („Fluch der Karibik“, „König der Löwen“). Teilweise erinnern die neuen Autosounds dabei eher an den Flug eines Raumschiffs, als die Fahrt eines Autos.

In den USA ist eine ähnliche Verordnung bereits sei 2020 in Kraft. Laut der US-amerikanischen Verkehrsbehörde (NHSTA) können durch das AVAS-Warnsystem in Zukunft circa 24000 Fußgängerunfälle pro Jahr verhindert werden.

Kritische Stimmen halten die neue Verordnung dennoch für fragwürdig. Neue Technologien, wie ein Notbremsassistent seien bei modernen Autos Standard und würden für einen sicheren Straßenverkehr ausreichen. Zudem sei bei einem Test festgestellt worden, dass einige E-Autos auch ohne Zusatzsound lauter als Verbrenner seien.

Achtung: Bei unterlassener Registrierung und Systembeteiligung nach VerpackG drohen Sanktionen!

Diesen Herbst hat die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) in zwei neuen Fallberichten die Sanktionen bei Unterlassung der Pflichterfüllung nach VerpackG verdeutlicht.

Aus zwei Fallberichten, die in diesem Herbst veröffentlicht wurden, geht hervor, wie streng die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) mittlerweile Verstöße gegen das Verpackungsgesetz (VerpackG) sanktioniert.

Im Fallbericht 03/2020 „IT-Systemhaus – unterlassene Systembeteiligung“ vom 21.09.2020 ging es um ein IT-Systemhaus mit Direktvertrieb, welches es bis zur Aufforderung durch die ZSVR unterlassen hatte, sich als systembeteiligungspflichtiges Unternehmen im LUCID-Register zu registrieren und auch keinen Vertrag mit einem System abgeschlossen hatte. Die Unternehmensgruppe habe dies trotz eigener Rechtsabteilung, Compliance-Officer und entgegen dem durch Veröffentlichung einer Reihe von Nachhaltigkeitsberichten erweckten Anschein gelebter Produktverantwortung offenbar über Jahre praktiziert, so die ZSVR. Die Pflichterfüllung sei erst im Jahr 2020 nach Anmahnung durch die ZSVR wahrgenommen worden.

In ihrem Fallbericht stellt die ZSVR zunächst klar: „Verkaufs-, Um- und Versandverpackungen von Geräten der Informationstechnik (z. B. Bildschirme, Tastaturen, Mäuse, Drucker, Notebooks, Desktop-PCs, Server, Speichereinheiten wie Festplatten, Memory Cards, USB-Sticks) fallen weit überwiegend bei privaten Endverbrauchern und diesen vergleichbaren Anfallstellen (wie Verwaltungen, Behörden und Bürobereichen des Großgewerbes) i. S. d. § 3 Absatz 11 VerpackG an. Entsprechend sind sie nach dem Verpackungsgesetz fast ausnahmslos systembeteiligungspflichtig, siehe auch Katalog systembeteiligungspflichtiger Verpackungen der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) (Produktblatt 28-030-0030).“ Das Unternehmen wäre darüber hinaus auch bereits nach der Vorgängervorschrift, der Verpackungsverordnung, systembeteiligungspflichtig gewesen.

Außerdem betont die ZSVR, dass es nicht genüge, sich bei Erkennen eines solchen Compliance-Mangels für die Zukunft zu registrieren, die Systembeteiligung müsse nachgeholt werden. Die ZSVR hat in diesem Fall die zuständige Landesvollzugsbehörde darüber informiert, dass konkrete Anhaltspunkte für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten vorliegen. Folgen solcher Ordnungswidrigkeiten sind u. a. die Ahndung durch Bußgelder i.H.v. bis zu 100.000 € einschließlich der Gewinnabschöpfung, die Überwachung der Pflicht zur nachträglichen Systembeteiligung für zurückliegende Zeiträume und ein Vertriebsverbot bis zur ordnungsgemäßen Registrierung.

Im zweiten Fallbericht 04/2020 „Modeboutiquen mit Online-Shop – Import, unterlassene Systembeteiligung“ war es ähnlich. Ein Unternehmen hatte die Registrierung sowie Systembeteiligung für Verkaufs-, Um- und Versandverpackungen von Textilien, Schuhen, Lederwaren und Accessoires rechtswidrig unterlassen. Auch hier hat die ZSVR zwecks Sanktionierung die zuständige Landesbehörde informiert, die nun die Nachholung der Pflichten verlangt, Bußgelder und Abschöpfung sowie Vertriebsverbote bis zur korrekten Umsetzung der gesetzlichen Pflichten aussprechen kann.

Beide Entscheidungen zeigen, dass Unternehmen sorgfältig und regelmäßig prüfen sollten, ob und für welche Verpackungen eine Systembeteiligungspflicht besteht. Ist dies im Einzelfall unklar, empfiehlt sich ein Blick in den Katalog systembeteiligungspflichtiger Verpackungen auf der Internetseite der ZSVR oder in den Antrag auf Einstufungsentscheidung bei der ZSVR.

Neues RGC Video-Tutorial „Planspiel zum Energie- und Umweltrecht im Unternehmen“

Im September startet unser neues Video-Tutorial „Planspiel zum Energie- und Umweltrecht im Unternehmen“, das Ihnen den perfekten Einstieg und Überblick über das Energierecht und das Umweltrecht sowie die aktuellen Problemfelder in diesen Gebieten bietet.

Ausgehend von der „Grünen Wiese“ befassen wir uns in diesem Planspiel praxisorientiert mit den typischen energie- und umweltrechtlichen Herausforderungen von Unternehmen aller Größenordnungen. Flankiert werden die Fachbeiträge durch kurzweilige Interviews mit Experten, die aus der Umsetzungspraxis in ihren Unternehmen berichten. 

Näheres erfahren Sie in unserem Einführungsvideo (kostenlos ansehen)!

Die Agenda und Anmeldeinformationen finden Sie hier.

Wir freuen uns auf Sie! 

EuGH: Zum Begriff der „normalen Bewirtschaftung eines Gebietes“

Urteil vom 9. Juli 2020, Az.: C 297/19

In dem vorstehenden Rechtsstreit zwischen dem Naturschutzbund Deutschland und dem Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts für Umweltschäden haftbar sein können, die durch Tätigkeiten verursacht werden, die aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübt werden, beispielsweise der Betrieb eines Schöpfwerks zur Entwässerung landwirtschaftlicher Flächen.

Relevanz: Das Urteil dient der Klärung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Tätigkeit wie der Betrieb eines Schöpfwerks zur Entwässerung landwirtschaftlicher Flächen als zur „normalen Bewirtschaftung eines Gebiets“ im Sinne der Umwelthaftungs-Richtlinie 2004/35 gehörend angesehen werden kann.

Hintergrund:
In den Jahren 2006 bis 2009 wurde ein Teil der schleswig-holsteinischen Halbinsel Eiderstedt als „Schutzgebiet“ ausgewiesen. Die Ausweisung als Schutzgebiet erfolgt u. a., weil dort eine geschützte Wasservogelart (Trauerseeschwalbe) angesiedelt war. Der Managementplan sieht für diese Art eine großflächige traditionelle Bewirtschaftung des Schutzgebietes als Grünlandgebiet vor. Die Halbinsel Eiderstedt bedarf zur Besiedlung und landwirtschaftlichen Nutzung allerdings der Entwässerung. Zu diesem Zweck betreibt der Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt (eine öffentlich-rechtliche Körperschaft) ein Schöpfwerk, das das gesamte Verbandsgebiet entwässert. Der Betrieb des Schöpfwerkes erfolgt im Rahmen der Wahrnehmung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, die dem Verband übertragen wurde. Der Naturschutzbund Deutschland war der Ansicht, der Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt habe durch den Betrieb dieses Schöpfwerks Umweltschäden zulasten der Trauerseeschwalbe verursacht. Deswegen stellte der Naturschutzverband einen Antrag auf Anordnung von Maßnahmen zur Begrenzung und Sanierung dieser Schäden und berief sich hierbei auf die Umwelthaftungs-Richtlinie 2004/35 sowie die auf dieser Basis erlassenen deutschen Rechtsvorschriften. Mit dieser Richtlinie wird ein Rahmen für die Umwelthaftung geschaffen, um unter anderem Umweltschäden zu vermeiden und zu sanieren. Nach Anhang I Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2004/35 können die Mitgliedstaaten jedoch eine Haftungsbefreiung zugunsten der Eigentümer und der Betreiber vorsehen, wenn die Schädigungen von Arten und natürlichen Lebensräumen auf einer „normalen Bewirtschaftung“ des betreffenden Gebiets beruhen. Von dieser Möglichkeit hat Deutschland Gebrauch gemacht. In seinem Urteil stellt der EuGH fest, dass der Begriff „normale Bewirtschaftung eines Gebiets“ dahin zu verstehen ist, dass er jede Maßnahme erfasst, die eine gute Verwaltung/Organisation der Gebiete, in denen geschützte Arten oder natürliche Lebensräume vorhanden sind, u. a. im Einklang mit der allgemein anerkannten landwirtschaftlichen Praxis ermöglicht. Somit könne die Bewirtschaftung eines Gebiets, in dem geschützte Arten und natürliche Lebensräume vorhanden sind, nur dann als „normal“ angesehen werden, wenn sie die Schutzziele und Schutzverpflichtungen und insbesondere sämtliche Bewirtschaftungsmaßnahmen achtet, die die Mitgliedstaaten in Umsetzung der europäischen Vorgaben vorsehen. Unter diesen Umständen könne die normale Bewirtschaftung eines Gebiets auch die Be- und Entwässerung und damit den Betrieb eines Schöpfwerks, umfassen. Der Antrag des Naturschutzverbandes wurde daher im Ergebnis abgelehnt.

Öffentlichkeitsbeteiligung in Corona-Zeiten

Ein aktueller Gesetzesentwurf beschäftigt sich mit der Problemstellung corona-bedingter Kontaktbeschränkungen, die zur Verzögerung von umwelt- und planungsrechtlichen Genehmigungsverfahren führen.

Für zahlreiche Verwaltungsverfahren des Umwelt- und Planungsrechts ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben. Unterlagen und Bescheide müssen öffentlich ausgelegt werden. Antragskonferenzen und Erörterungstermine werden öffentlich durchgeführt. All dies findet regelmäßig in den Räumen der Gemeindeverwaltungen statt, die aber derzeit Corona-bedingt für den allgemeinen Publikumsverkehr gesperrt sind. Damit droht, dass wichtige Genehmigungsverfahren für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt und damit notwendige Investitionen verschoben werden.

Um dem entgegenzuwirken hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren beschlossen (Plansicherstellungsgesetz). Dieses Gesetz findet Anwendung auf zahlreiche Verwaltungsverfahren, wie zum Beispiel

  • UVP-pflichtige Vorhaben,
  • immissionsschutzrechtliche,
  • baurechtliche,
  • raumordnungsrechtliche,
  • wasserrechtliche aber auch
  • energiewirtschaftsrechtliche Verfahren.

Danach können ortsübliche und öffentliche Bekanntmachungen jetzt auch über das Internet erfolgen. Gleiches gilt für die Auslegung von Unterlagen oder Entscheidungen, für im Rahmen solcher Anhörungen gegebene Erklärungen sowie für Erörterungstermine, mündliche Verhandlungen und Antragskonferenzen. Auf diese Weise können die Verfahren auch in Corona-Zeiten ohne Verzögerung weitergeführt werden.

Die Regelungen sollen befristet bis zum 31.03.2021 und auch für Verfahren gelten, die vor Inkrafttreten des Gesetzes begonnen haben. Das Gesetz muss aber den Bundestag noch passieren.

Anfragen nach dem Umweltinformationsgesetz: Was tun?

Immer wieder beschäftigen Unternehmen Anfragen nach dem (Landes-) Umweltinformationsgesetz (UIG). Auch ein Urteil des VG Schleswig aus dem letzten Jahr beschäftigt sich mit der Herausgabe von unternehmensbezogenen Umweltinformationen. Aus der Entscheidung lassen sich außerdem wichtige Hinweise ableiten, wie man mit derartigen Sachverhalten nicht umgehen sollte.

Viele Industrieunternehmen sind bereits mit Anfragen nach dem UIG konfrontiert worden. Sog. „Umweltinformationen“ darf nämlich jedermann von zuständigen Stellen, typischerweise Behörden, teilweise auch unmittelbar das Unternehmen selbst, erfragen. Rechtsgrundlage sind die Umweltinformationsgesetze der Länder. Typischerweise fragen Umweltschutzorganisationen Umweltinformationen bei den zuständigen Behörden ab, manchmal sind es jedoch auch Privatpersonen oder konkurrierende Unternehmen. 

In Fällen, in denen die Herausgabe behördlicher Informationen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen betreffen kann, sind nach allen Landes-UIG die Behörden verpflichtet, die betroffenen Unternehmen vor Herausgabe von Unterlagen anzuhören und ggf. verlangte Schwärzungen bestimmter Inhalte, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, umzusetzen. 

In diesen Fällen sollten Unternehmen sorgfältig prüfen, ob es sich bei den abgefragten Informationen um Umweltinformationen handelt und sodann, ob Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Wichtiges Merkmal von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist, dass diese wettbewerbsrelevant sind (z.B. bei Offenlegung von Genehmigungsunterlagen ergeben sich Hinweise auf Anordnung von Produktionsstraßen oder auf die Zutatenzusammenstellung oder es wird die Identität von Lieferanten offenbart etc.). Nicht geschwärzt werden dürfen allerdings Informationen, die ohnehin bereits öffentlich zugänglich sind (z.B. im Marktstammdatenregister oder anderen öffentlichen Registern) sowie Informationen, die unmittelbar Emissionen betreffen. 

Einem Urteil aus dem letzten Jahr kann man wichtige Hinweise zum sinnvollen Umgang mit der Schwärzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entnehmen: 

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte auf Grundlage des Schleswig-Holsteinischen Umweltinformationsgesetzes (UIG) vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg Informationen über den Schriftverkehr mit Autoherstellern im Kontext des Diesel-Skandals herausverlangt. 

Das betroffene Unternehmen aus der Automobil-Industrie hatte sich auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen und die vollständige (!) Schwärzung des Schriftverkehrs bis auf das letzte Wort verlangt. Nach Erhalt der so bearbeiteten Unterlagen hatte die DUH Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Damit bei einem Gerichtsverfahren, dessen Gegenstand die Schutzwürdigkeit der konkreten Information ist, in solchen Fällen die Information nicht unweigerlich ans Licht kommt, erfolgen diese Verfahren übrigens oft als „In-Camera-Verfahren“, d.h. die Gegenseite erhält ebenfalls teilweise geschwärzte Schriftsätze, nur das Gericht kann die Informationen vollständig einsehen. 

Im Ergebnis hat die DUH weitestgehend vor dem VG Schleswig obsiegt (Urt. v. 20.04.2018, Az. 6 A 48/16). In Folge der Entscheidung musste der Schriftverkehr des Automobilherstellers mit dem KBA größtenteils offengelegt werden. Es liegt nahe, dass es bei einem moderateren Schwärzen nicht zu einem Gerichtsverfahren gekommen wäre und damit weniger Informationen an die Öffentlichkeit gelangt wären. Industrieunternehmen, die mit Anfragen nach dem UIG konfrontiert werden, sollten sich also gut überlegen, in welchem Umfang sie Schwärzungen verlangen, denn mehr ist hier nicht immer besser. 

Fragen der umweltrechtlichen Compliance diskutieren wir auch mit Ihnen bei unserem Workshop “Compliance und persönliche Haftungsrisiken – Wer haftet wann?” am 27.11.2019 in Hannover.

Was hat der Brexit mit Chemikalienrecht zu tun?

Unternehmen sollten die Übertragung von britischen REACH-Zulassungen für die verwendeten oder an Dritte gelieferten Stoffe sicherstellen.

Der anstehende Brexit – mit welchem Zeithorizont dieser auch immer erfolgen mag – wirft seine Schatten auch für alle chemikalienrechtlichen Akteure (Hersteller, Lieferanten und nachgeschaltete Anwender) voraus. 

Für Unternehmen aus Großbritannien werden die Vorschriften nach den CLP, BPR, PIC, und REACH nach dem Vollzug des Brexit voraussichtlich keine Geltung mehr beanspruchen und an ihre Stelle treten die nationalen Vorschriften. Für Unternehmen in den verbleibenden EU-Staaten (sog. EU-27) gelten diese Regelungen selbstverständlich weiter. Allerdings bedeutet der Austritt Großbritanniens aus der EU unter anderem, dass Großbritannien künftig als „Drittland“ im Sinne des Chemikalienrechts gilt. Sofern also Lieferketten zwischen Unternehmen aus Großbritannien und EU-27-Staaten bestehen, werden sich rechtlich ab dem Zeitpunkt des Brexit weitreichende Änderungen ergeben. 

Die Europäische Chemikalienbehörde ECHA weist auf ihrer Webseite Unternehmen unter anderem darauf hin, dass im Hinblick auf REACH-Registrierungen, die von einem Registranten aus dem Vereinigten Königreich vorgenommen wurden, dringender Handlungsbedarf bestehe. Dies betreffe sowohl Unternehmen, die zu den EU-27 gehören, sowie Unternehmen, die weiterhin ihren Sitz in UK haben. 

Dies hat den folgenden Hintergrund: Nach Art. 3 Abs. 7 der REACH-Verordnung muss ein Registrant der Hersteller oder Importeur eines Stoffes oder ein Hersteller oder Importeur eines Artikels sein. Sobald Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU ist, gilt die REACH-Verordnung für in Großbritannien ansässige Unternehmen allerdings nicht mehr, sodass diese nicht mehr ein Registrant sein können. Alle REACH-Registrierungen dieser Unternehmen werden daher ab dem Zeitpunkt des Brexit als nicht existent angesehen. EU-27-Kunden von in Großbritannien ansässigen Unternehmen, müssen daher die bezogenen Stoffe, die bisher von ihrem Lieferanten registriert wurden, selbst registrieren, damit sie diese weiterhin verwenden oder an Dritte liefern dürfen.

Die ECHA fordert Unternehmen nachdrücklich auf, mit der Übertragung ihrer Registrierungen und sonstigen Assets über die Onlineportale der ECHA nicht bis zum letzten Moment zu warten. Die ECHA hat eine Liste von Stoffen veröffentlicht, die derzeit nur von Unternehmen aus UK registriert sind. Die Liste enthält im Moment 950 Einträge. Unternehmen sollten dringend prüfen, ob sie Stoffe von dieser Liste verwenden oder vertreiben und entsprechender Handlungsbedarf besteht. 

Weitere Informationen zu den chemikalienrechtlichen Auswirkungen des Brexit hält die ECHA auf ihrer Webseite und vor allem in ihren Q&A zum Brexit bereit.