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Update: Deutsches Modell der Auftragswertberechnung soll angepasst werden

In dem seit 2019 laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, die Auftragswertberechnung von Planungsleistungen betreffend, scheint die Bundesregierung jetzt nachzugeben.

Bislang gilt in Deutschland eine Sonderregelung, die es bei Vergabeverfahren im Planungssektor ermöglicht, den Gesamtauftragswert niedrig zu halten, indem nur der Wert gleichartiger Leistungen zusammen zu rechnen ist. Damit können mehr Aufträge unter dem Schwellenwert gehalten werden, ab welchem eine europarechtliche Ausschreibung von Aufträgen notwendig ist.
Erst Ende letzten Jahres riefen die Kommunalen Spitzenverbände und Verbände der planenden Berufe dazu auf, trotz des diesbezüglich eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission an dieser Regelung festzuhalten. Sie wiesen darin auf die enormen Vorteile der deutschen Regelung hin und vertraten die Ansicht, dass ein Verfahren vor dem EuGH keineswegs zwangsläufig gegen die deutsche Sonderregelung entschieden werden müsse (wir berichteten).

Nichtsdestotrotz scheint die Bundesregierung es nicht auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lassen zu wollen.

Dies klingt an in dem Referentenentwurf einer Verordnung zur Anpassung des deutschen Vergaberechts an neue europäische Regelungen. Dort heißt es unter anderem, dass § 3 Abs. 7 S. 2 VgV, welcher eben genau die viel diskutierte deutsche Sonderregelung ist, aufgehoben werden solle (Art. 1 Nr. 2 des Verordnungsentwurfes). Aus der Begründung wird deutlich, dass die Bundesregierung auch nicht anderweitig an der Sonderregelung festhalten möchte. Vielmehr solle zukünftig eine Zusammenrechnung der Los-Werte schon erfolgen, wenn in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität der Lose zu erkennen sei. Dass in allen anderen Fällen noch immer eine Wertberechnung nach Einzellosen erfolgen soll, vermag dabei kaum ins Gewicht zu fallen.
So äußerten sich auch der Verband Beratender Ingenieure und die Kammern und Verbände der planenden Berufe sowie des Bundesverbandes der freien Berufe und forderten die Bundesregierung auf, den Referentenentwurf so nicht in die Praxis umzusetzen.
Dass sie hiermit Erfolg haben und die Bundesregierung ihre Meinung trotz laufendem Vertragsverletzungsverfahren bis zum geplanten Inkrafttreten der Verordnung selbst am 25. Oktober 2023 noch ändert, erscheint jedoch unwahrscheinlich.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Kein Anspruch auf Preisgleitklausel!

Auftragnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Preisgleitklausel. Eine solche ist nur ausnahmsweise zuzugestehen, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der eine vernünftige kaufmännische Kalkulation zu einem Festpreis unzumutbar erscheinen lässt.

In dem von der Vergabekammer des Bundes entschiedenen Fall ging es konkret um die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Klebebändern. Die einen Nachprüfungsantrag stellende Bieterin rügte das Fehlen einer Preisgleitklausel als vergaberechtswidrig. In Anbetracht der aktuellen unsicheren gesamtwirtschaftlichen Situation in Europa, insbesondere im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine, sei es nicht rechtmäßig, eine Festpreiskalkulation von ihr zu erwarten.
Das Gericht folgte dieser Ansicht jedoch nicht. Die (welt-)wirtschaftlichen Entwicklungen seien nicht unvorhersehbar. Natürlich könne es sein, dass die Kosten der Antragstellerin zum Zeitpunkt der potentiellen Auftragsdurchführung höher seien, als zur Angebotsabgabe. Jedem Bieter stände es jedoch frei, diese Preissteigerung gleich in sein Angebot mit einzukalkulieren. Hierin sei keine Benachteiligung gegenüber anderen Bietern zu sehen. Vielmehr handele es sich um die unternehmerische Freiheit eines jeden einzelnen, ob er riskiere, einen Auftrag zu relativ niedrigen Festpreisen anzubieten, der schließlich aufgrund wirtschaftlicher Entwicklungen für ihn teurer werden könnte. Alternativ bestände für jeden die Möglichkeit, gleich ein höherpreisiges Angebot abzugeben, auch wenn damit das Risiko eingegangen würde, den Zuschlag als vermeintlich teurerer Bieter dann nicht zu bekommen.
Hier verweist die Vergabekammer darauf, dass es den Auftraggebern sogar erlaubt sei, den Bietern ein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden. Keine Preisgleitklausel anzubieten, sei damit absolut zulässig, zumal die Situation bei allen Bietern gleich wäre und die Angebotsbedingungen aus vergaberechtlicher Sicht damit vergleichbar blieben.

Anspruch auf Preisgleitklausel im Bausektor

Anderes gilt hingegen nach wie vor im Baubereich. Hier gilt bis voraussichtlich Ende Juni 2023 eine als Sonderregelung ausgestaltete Pflicht zur Gewährung von Preisanpassungen. In diesem Sektor wurden die Folgen des Ukrainekrieges, Störungen in Lieferketten und Preissteigerungen als derart stark eingestuft, dass durch die einheitliche Einführung von Preisgleitklauseln zumindest ein einheitlicher Umgang damit gewährleistet werden soll (wir berichteten).

Losentscheidung bei Preisgleichheit

Die unabhängig von der Preisgleitklauselthematik in demselben Verfahren außerdem zur Nachprüfung gestellte Praxis des Auftraggebers bei Preisgleichheit mittels Los zu entscheiden, wird ebenfalls für rechtmäßig gehalten. Abgesehen davon, dass die Situation aufgrund der so diversen Faktoren und Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses, die zur Preisbildung führten, recht selten vorkommen sollte, sei dies zulässig. Wenn als Zuschlagskriterium vergaberechtskonform allein der Preis festgelegt worden wäre, könne bei Preisgleichstand nicht erwartet werden, weitere Zuschlagskriterien einzuführen. In diesem Falle gewährleiste eine Entscheidung per Losentscheid größtmögliche Objektivität und Diskriminierungsfreiheit.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Nächster Schritt zur Erreichung der EU-Klimaziele: Der Green-Deal-Industrieplan

Drei Jahre nach der Verkündung des Green-Deals hat die Europäische Kommission nun den Green-Deal-Industrieplan präsentiert.

Hiermit führt die EU nicht nur konsequent ihren Klimafahrplan weiter, sondern reagiert auch auf den Inflation Reduction Act (IRA) der US-Regierung, welcher die US-Wirtschaft CO2-reduzierter machen soll. Mit dem Green-Deal-Industrieplan schafft nun auch die EU eine konkretere Grundlage dafür, dass die EU gerade als Standort für klimaneutral produzierende Unternehmen attraktiv bleibt.
Neben der Sammlung bereits bestehender Initiativen wird die Einführung eines Netto-Null-Industriegesetzes angekündigt. Dieses soll die Herstellung von Produkten, welche zur Erreichung der EU Klimaziele bis 2030 positiv beitragen, bedeutend vereinfachen.

Grundsätzlich sind dabei vier Punkte in den Fokus gestellt: 

  1. Ein vorhersehbares rechtliches Umfeld. 
  2. Die Förderung von Investitionen für einen schnelleren Zugriff auf Finanzmittel.
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  3. Die Qualifizierung von Arbeitskräften.
  4. Eine widerstandsfähige Lieferkette für einen offenen Handel.

Konkret bedeutet dies kurze Genehmigungsverfahren und die Schaffung sogenannter „One-Stop-Shops“. Diese sollen zentrale Anlaufstelle und einziger Gesprächspartner für das gesamte nationale Genehmigungsverfahren sein.
Für öffentliche Vergabeverfahren folgt daraus, dass die Vorgaben für Vergabeverfahren europaweit noch einheitlicher werden und weniger bürokratische Hürden bei internationaler Beteiligung auftauchen sollten.

Als besonders wichtig für die Erreichung einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen Binnenwirtschaft wird nunmehr die Förderung von Kreislaufwirtschaft angesehen.
Hieran wird sich auch das öffentliche Beschaffungswesen orientieren müssen und mit einer nachhaltigeren Ausrichtung gleichzeitig einen signifikanten Beitrag leisten können.
Von öffentlichen Ausschreibungen wird in Zukunft erwartet werden, ehrgeizige Anforderungen an die Nachhaltigkeit zu setzen. Unter dem Gesichtspunkt der Kreislaufwirtschaft sollte dies im besten Falle gleichzeitig Anreize schaffen, Recyclingrohstoffe zu verwenden.
Diese Ambitionen korrelieren mit der zur aktuellen Einführung der eForms formulierten Zielsetzung, bei Ausschreibungen mehr pflichtige Daten zu verlangen. Hier sind Umwelt- und Klimafreundlichkeit sowie soziale und innovative Aspekte der Projektdurchführung schon länger im Fokus der Diskussion.
So sollen insbesondere kritische Rohstoffe geschont und Bieter animiert werden, sich aktiv mit Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit zu beschäftigen.
Langfristig führt eine solche Ausschreibungsausrichtung zudem zur Förderung des ebenfalls im Green-Deal-Industrieplan formulierten Zieles, die EU unabhängig von der Lieferung kritischer Rohstoffe aus Drittstaaten zu machen.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Bundesrat sieht Notwendigkeit der Anhebung von EU-Schwellenwerten

Nach Auffassung des Bundesrates sind die Schwellenwerte der Europäischen Union, ab deren Erreichen öffentliche Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, seit langem nahezu unverändert. Dies sieht er als nicht mehr zeitgemäß an und hat nun einen diesbezüglichen Beschluss gefasst, der die Bundesregierung zum Handeln auffordert.

Der derzeitige EU-Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen liegt bei 215.000 €, für Bauleistungen bei 5.382.000 € (jeweils Nettobeträge). Bei Leistungen ab dieser Größenordnung wird eine Binnenmarktrelevanz angenommen und der Auftrag muss zur Förderung des europäischen Wirtschaftsraumes und dessen Zusammenwachsen europaweit ausgeschrieben werden.

Die Schwellenwerte sind 1994 auf Basis der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse beschlossen und seitdem zwar alle zwei Jahre angepasst, aber nicht grundlegend geändert worden. Die Inflation und gestiegene Marktpreise führen dazu, dass heute Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, die 1994 noch nicht als binnenmarktrelevant angesehen wurden und – nach Ansicht des Bundesrates – wohl auch heute nicht notwendiger Weise so zu bewerten sind.

Problematisch sei aus Sicht des Bundesrates insbesondere der bürokratische Aufwand, der mit einer europaweiten Ausschreibung einhergehe. Sowohl für die Auftraggeber-, als auch für die Auftragnehmerseite entstünde ein enormer Verwaltungs- und Kostenaufwand und schnelle Investitionen würden erschwert. Gerade in der föderal organisierten Bundesrepublik sei die Möglichkeit konjunkturstützender schneller Investitionen jedoch von besonderer Bedeutung. Deshalb werde dringender Handlungsbedarf gesehen, die EU-Schwellenwerte an die zwischenzeitliche Preisentwicklung anzupassen.
Nach Vorstellung des Bundesrates sollte diese Anpassung anschließend unter dem Gesichtspunkt des Inflationsausgleichs jährlich überprüft werden. Die momentane zweijährliche Überprüfung, welche sich auf die Anpassung an Wechselkursentwicklungen beschränke, wird als nicht ausreichend angesehen.
In seinem Beschluss erwähnt der Bundesrat speziell die Vergabe von Planungsleistungen und freiberuflichen Leistungen. Hier läuft gerade ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten bzgl. der nationalen Vorgaben für die Auftragswertschätzung solcher Leistungen (wir berichteten). Sollte die aktuelle deutsche Sonderregelung danach keinen Bestand haben, müssten schon verhältnismäßig kleine Aufträge europaweit ausgeschrieben werden. Auf dieses Risiko und die damit verbundenen Gefahren wiesen zuletzt auch die Verbände der planenden Berufe und die kommunalen Spitzenverbände in einer gemeinsamen Resolution hin. Der Bundesrat regt daher die Einführung eines Sonderschwellenwertes für diesen Leistungsbereich an. Sollte dies nicht erreichbar sein, sollten solche Leistungen als soziale und andere besondere Dienstleistungen gemäß Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU eingestuft werden, so dass hierfür der erhöhte EU-Schwellenwert von 750.000 € gelten würde.
Da die EU-Schwellenwerte auf Verpflichtungen der EU durch das Internationale Beschaffungsübereinkommen, dem Government Procurement Agreement (GPA) beruhen, ist der Beschluss des Bundesrates lediglich eine Aufforderung an die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für die im Beschluss genannten Ziele einzusetzen. Er hat keine unmittelbaren (vergabe-)rechtlichen Konsequenzen.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Verbot von wettbewerbsverfälschenden Subventionen aus Drittstaaten

Erhalten Unternehmen, die sich an öffentlichen Vergabeverfahren beteiligen, mitgliedsstaatliche Subventionen, unterliegt dies einer strengen wettbewerbsrechtlichen Kontrolle durch die EU. Für Subventionen aus Staaten außerhalb der EU galt dies bislang nicht. Das ändert sich jetzt.

Das Ziel einer strengen Kontrolle von Subventionen an Bewerber bzw. Bieter in öffentlichen Vergabeverfahren ist die Verhinderung von Wettbewerbsverfälschung durch „künstlich“ verbilligte Preise. Diese Maßnahme ist jedoch wenig effektiv, wenn nicht auch Subventionen aus Drittstaaten ein Riegel vorgeschoben wird.
 Um die insoweit bislang bestehende Regelungslücke zu schließen, ist nun die Verordnung über wettbewerbsverfälschende Subventionen aus Drittstaaten (Verordnung (EU) 2022/2560) in Kraft getreten. Diese gibt der EU-Kommission drei Instrumente zur Prüfung finanzieller Zuwendungen durch Drittstaaten an die Hand. Sie betrifft konkret 1. Zusammenschlüsse, 2. Vergabeverfahren und gibt der Kommission 3. in allen anderen Marktsituationen die Möglichkeit einer Prüfung verdächtiger Vorgänge in Eigeninitiative.
Für Teilnehmer an öffentlichen Vergabeverfahren, welche Drittstaatenzuwendungen erhalten, heißt dies konkret:
Sie müssen ihre Teilnahme an dem Verfahren bei der Kommission anmelden, wenn:

  1. der geschätzte Auftragswert mindestens 250 Millionen Euro beträgt und
  2. sich die damit verbundene drittstaatliche Zuwendung auf mindestens 4 Millionen Euro pro Drittstaat beläuft.

Sodann wird ein Prüfverfahren durch die Kommission eingeleitet, während dessen Dauer dem betreffenden Bieter kein Zuschlag erteilt werden darf. Im Zuge des Prüfverfahrens kann die Kommission aus einer breiten Palette an Befugnissen wählen, um zu klären, ob die Subventionen den Binnenmarkt in negativer Weise verzerren.

So können Auskunftsverlangen an Unternehmen gestellt, umfangreiche Nachforschungen auch außerhalb der EU angestellt und Marktuntersuchungen durchgeführt werden. Für öffentliche Vergabeverfahren, die ab dem 12. Juli 2023 eingeleitet werden, können sich die Nachprüfungen auf alle drittstaatlichen Subventionen erstrecken, die in den drei vorausgegangenen Jahren gewährt wurden.
 Bei Feststellung einer Binnenmarktverzerrung kann die Kommission dann Abhilfemaßnahmen als Auflage aussprechen. Bei Verstoß gegen diese Auflagen können Bußgelder in Höhe von bis zu 10% des jährlichen Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens verhängt und die Vergabe an den Bieter untersagt werden.

Etwas Zeit haben die Marktteilnehmer noch, sich mit den neuen Regelungen vertraut zu machen. Die oben genannte Anmeldepflicht gilt erst ab dem 12. Oktober 2023.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Chaos mit Alttextilcontainern: Standortkonzepte könnten helfen

Um ihren Zweck zu erfüllen, müssen Alttextilcontainer öffentlich zugänglich sein. Sie dürfen aber nicht einfach so im Gemeinde- oder Stadtgebiet aufgestellt werden. Vielmehr bedarf es einer Sondernutzungserlaubnis durch die Kommune. Die Erteilung dieser sorgte jedoch in den letzten Jahren immer wieder für Probleme.

Auch in der Abfallbranche gilt mit dem Kreislaufwirtschaftsrecht das Wettbewerbsprinzip. Das heißt unter anderem, dass es bei der Ermessensentscheidung einer Kommune guter Gründe bedarf, wenn die Aufstellung von Alttextilcontainern nicht genehmigt wird. Die der Entscheidung der Kommunen zugrunde liegenden Erwägungen zur Erteilung einer Erlaubnis der Aufstellung von Alttextilcontainern werden jedoch oftmals als nicht nachvollziehbar und willkürlich wahrgenommen.
 Enden diesbezügliche Auseinandersetzungen zwischen Kommune und ansuchendem Betreiber der Container schließlich vor Gericht, haben die Kommunen nicht selten Probleme, ihre Entscheidung zu rechtfertigen. Zuletzt verwiesen die Gerichte so immer wieder darauf, dass die Begründungen der Kommunen zu allgemein wären und Entscheidungen wesentlich nachvollziehbarer würden, läge ein einheitliches Gestaltungskonzept vor. Ohne dieses fiele es sehr schwer, sich dem Willkürvorwurf seitens des Ansuchenden erfolgreich zu verwehren. Die Gerichte ließen so den generellen Verweis auf Übermöblierung und Verschmutzung nicht genügen. Auch eine „Entsorgung aus einer Hand“ überzeugte für sich nicht (VG Stuttgart, Urt. v. 09.06.2022, Az.: 8 K 1379/20).

Wenn die Kommune ein reines, einheitliches Stadtbild haben möchte, welches sie potentiell durch diverse Ansuchen zur Aufstellung von Alttextilcontainern gefährdet sieht, empfiehlt es sich deshalb, Eckpunkte zur Vergabe in Standortkonzepten festzuschreiben.

Nachlesbare, fundierte Konzepte würden die Entscheidung der Kommunen in jeder Hinsicht nachvollziehbarer und weniger angreifbar machen. Beschlossen von den jeweiligen Kommunalgremien böten sie immer noch Raum für Ermessensentscheidungen, hätten aber ermessensleitende Wirkung. Hierin ließe sich beispielsweise auch begründet festschreiben, dass öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine Sonderstellung einnehmen können, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, den Gleichbehandlungsgrundsatz zu missachten. Mehr Rechtssicherheit verspräche auch die Möglichkeit, eine umfassende rechtliche Würdigung festzulegen. Bislang wurde vor den Gerichten zwar zumeist nur über straßenrechtliche Streitigkeiten entschieden, aber auch abfallrechtliche Erwägungen würden so sicher auch in kurzfristige Vergabeentscheidung mit einbezogen. Die Entscheidung der Kommune würde allumfassend vergleichbarer und weniger angreifbar.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Vergabe unter Zeitdruck: Beschwerdegericht kann sofortigen Zuschlag erteilen

Bei besonderem Zeitdruck kann die Vergabekammer dem ausschreibenden Auftraggeber gestatten, den Zuschlag für eine Interimsvergabe schon früher als im üblichen Verfahren zu erteilen. Sollte die Vergabekammer dem entsprechenden Antrag des Auftraggebers jedoch nicht zustimmen, kann der begehrte Zuschlag durch das angerufene Beschwerdegericht erteilt werden (§ 169 Abs. 2 S. 7 GWB).

Diese Handhabung, festgeschrieben im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), hatte kürzlich vor dem Bayrischen Obersten Landesgericht Erfolg.
 Konkret geht es in dem Fall um die Ausschreibung von Bewachungsdienstleistungen in einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Durch Einwände wettbewerbender Parteien verlängert sich die endgültige Entscheidungsfrist derart, dass sich der Auftraggeber zur Vergabe eines Interimsauftrages entscheidet. Dies soll aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit im Wege der vorzeitigen Gestattung des Zuschlags geschehen. Von der Vergabekammer wird das Begehren jedoch zurückgewiesen, sodass es zum Bayrischen Oberlandesgericht kommt.
Das Gericht hält in den Leitsätzen seiner Entscheidung die Möglichkeit einer gerichtlichen Zuschlagserteilung im Wege des Eilrechtsschutzes für europarechtskonform. Es betont jedoch den Ausnahmecharakter einer zulässigen, für den Auftraggeber positiven Entscheidung vor dem Abschluss des Nachprüfungsverfahrens der Vergabekammer. Das Gericht betont, dass auch bei besonders eiligen Interimsverfahren ein vorzeitiger Zuschlag nur in Betracht käme, wenn sonst nachteilige Folgen für hochwertige Rechtsgüter drohten. Außerdem müsste auch in diesem Verfahren ein möglichst umfangreicher Bieterwettbewerb ermöglicht werden. Um eine Umgehung des regulären Verfahrens zu verhindern, wäre zudem eine enge zeitliche Begrenzung der Interimsaufträge angezeigt.

Zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes müsste das angerufene Gericht somit nach dem Effektivitätsgrundsatz überblicksartig die Interessen der verschiedenen Parteien und der Allgemeinheit abwägen (§ 169 Abs.2 S.1 GWB).
Im vorliegenden Fall kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass eine fehlende Überwachung einer Flüchtlingsunterkunft in heutigen Zeiten keine akzeptable Option wäre. Eine spätere bzw. nachträgliche Erbringung der Überwachungsdienstleistungen wäre zudem nicht möglich. Natürlich hätte der Auftraggeber auch früher nach einer Anschlusslösung für den auslaufenden Bewachungsvertrag suchen können, konkret wird die Verzögerung aber bei einer Arbeitsüberlastung der Vergabekammer gesehen und kann so nicht dem Auftraggeber negativ angerechnet werden. Das Interesse des Auftraggebers und der Allgemeinheit an der Gewährung eines sofortigen Zuschlags stimmen vorliegend überein. Sie dienen der Ermöglichung des Betreibens einer Flüchtlingsunterkunft. Dies ist ohne Bewachung nicht möglich, da die Gesundheit und die körperliche Integrität der Bewohner der Unterkunft gefährdet wären.

Auf der anderen Seite steht hier die Bestandsdienstleisterin, welche mit ihrem Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren die Verzögerungen des Verfahrens begründet. Dass die Bestandsdienstleisterin nicht Teil des Wettbewerbskreises für die Interimsvergabe ist, wird jedoch als gerechtfertigt angesehen. Sie dürfe nicht nur aufgrund der Position als Bestandsdienstleisterin bevorzugt werden, sondern müsse sich an der Gesamtheit der eingegangenen Angebote für das Vergabeverfahren messen lassen.

Konkret überwiegt in diesem Fall klar das Interesse an einem sofortigen Zuschlag.
Damit wird deutlich: In Ausnahmefällen ist die beschleunigte Vergabe eines Auftrags, zur Not auch über den gerichtlichen Weg, möglich.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Auftragswertberechnung: Verbände wollen deutsche Regelung beibehalten

Bereits seit 2019 läuft ein die Auftragswertberechnung im Vergaberecht betreffendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Die Verbände fordern die Bundesregierung nun auf, dennoch an der jetzigen Regelung festzuhalten und es auf ein Verfahren vor dem EuGH ankommen zu lassen.

Bei der Beschaffung von Liefer-, Bau- und Dienstleistungen haben öffentliche Auftraggeber zunächst den Marktwert der benötigten Leistung zu schätzen, um die Entscheidung zu treffen, ob ein EU-weites Vergabeverfahren durchzuführen ist oder ob ein nationales Verfahren ausreicht. Die von der EU festgelegten Schwellenwerte sind in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung: Sie indizieren die sogenannte Binnenmarktrelevanz. Damit ein EU-weites Vergabeverfahren nicht dadurch vermieden werden kann, dass ein Auftrag in „mittelstandsfreundliche“ Lose aufgeteilt wird, gilt der Grundsatz, dass der Wert von Losen zu addieren ist (Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie (2014/24/EU)). In Deutschland gibt es in Bezug auf Planungsleistungen (Architekten- und Ingenieurleistungen) allerdings – wie in anderen EU-Mitgliedstaaten auch – eine Sonderregelung: Danach sind Lose von Planungsleistungen wertmäßig nur dann zu addieren, wenn es sich um Lose über „gleichartige“ Leistungen handelt (§ 3 Abs. 7 Satz 1 VgV).

Gegen diese Regelung des deutschen Gesetzgebers und entsprechende Rechtsvorschriften in 14 weiteren Mitgliedstaaten initiierte die EU-Kommission im Jahre 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren. Mit den in den Mitgliedstaaten angewandten Methoden würden mehr Auftragsausschreibungen vom europäischen Markt ferngehalten, als es die europäische Regelung erlaube.
Die Verbände der planenden Berufe und die kommunalen Spitzenverbände Deutschlands haben nun gemeinsam eine Resolution veröffentlicht, in der sie die Bundesregierung auffordern, dennoch an der aktuellen nationalen Regelung festzuhalten. Die europarechtliche Rechtslage sei nicht eindeutig, die möglichen negativen Folgen einer Anpassung jedoch enorm. Dementsprechend solle lieber eine Klärung vor dem EuGH abgewartet werden, als sich vermeintlich vorschnell dem Druck der EU-Kommission zu beugen.

Im Planungssektor wird allgemein häufig der Unmut über die Diskrepanz des Schwellenwertes für Bauvorhaben und dem für Planungsleistungen ausgedrückt. Während letzterer schon bei 215.000 € liegt, sind Bauvorhaben erst ab 5,382 Mio. € EU-weit auszuschreiben. Dies führt dazu, dass Planungsleistungen, für die ca. 20-30% der Baukosten anfallen, sehr häufig EU-weit auszuschreiben sind, während die Bauvorhaben noch unter dem Schwellenwert liegen und die Bauleistungen daher national ausgeschrieben werden können.
Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, wollen die Verbände außerdem eine Klarstellung erwirken, dass eine EU-weite Vergabe von freiberuflichen Leistungen/ Planungsleistungen ebenso wie bei der bereits geltenden Regelung für soziale und andere besondere Dienstleistungen grundsätzlich erst ab einem Auftragswert von 750.000 € netto erforderlich ist.

Sie weisen darauf hin, dass derart kleine Aufträge, wie sie hier zur Debatte ständen, keinen signifikanten Einfluss auf den Binnenmarkt hätten, ihre europaweite Ausschreibung jedoch wesentlich mehr Aufwand für die Auftragnehmer bedeuten würde und die Existenz insbesondere kleinerer Architekturbüros und die regionale Wirtschaft erheblich bedrohen würde. Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum Planungsvorhaben relativ gesehen niedrigschwelliger binnenmarktrelevant werden sollten, als komplette Bauvorhaben.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Transformation des Vergaberechts: Die öffentliche Beteiligung hat begonnen

Noch bis Mitte Februar 2023 können öffentliche Auftraggeber, Unternehmen und interessierte Privatpersonen im Wege einer Konsultation Vorschläge und Ideen einbringen, wie das öffentliche Beschaffungswesen reformiert werden kann.

Laut Koalitionsvertrag ist beabsichtigt, dass die Vergabeverfahren der öffentlichen Hand einfacher, professioneller, digitaler und nachhaltiger werden. Zudem soll die öffentliche Beschaffung wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausgerichtet werden. Zur Umsetzung dieser Ziele initiierte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Ende 2022 eine öffentliche Konsultation. Betroffene Organisationen, Verbände und Unternehmen sowie interessierte Bürger und Bürgerinnen sind dazu eingeladen, ihre Ideen und Einschätzungen zur Transformation des Vergaberechts abzugeben. Dies gilt gleichermaßen auch für öffentliche Auftraggeber, Sektorengeber und Konzessionsgeber. Das Bundesministerium hat hierzu einen Fragebogen entwickelt, der sich aus 21 Fragen zusammensetzt. Diese Fragen betreffen fünf Themenkomplexe: erstens die Stärkung der umwelt- und klimafreundlichen Beschaffung, zweitens die Stärkung der sozial-nachhaltigen Beschaffung, drittens die Digitalisierung des Beschaffungswesens, viertens die Vereinfachung und Beschleunigung der Vergabeverfahren sowie fünftens die Förderung von Mittelstand, Start-ups und Innovationen. Wer sich an der Konsultation beteiligen möchte, kann bis zum 14. Februar 2023 eine Stellungnahme mit Antworten zu den aufgeworfenen Fragen per E-Mail an das Postfach vergabetransformation@bmwk.bund.de senden. Die eingereichten Antworten fließen zum einen in die Vorbereitung der Fachgespräche mit den sog. Stakeholdern ein, d.h. mit den Personen oder Gruppen, die ein berechtigtes Interesse an dem öffentlichen Beschaffungswesen haben, wie z.B. öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber. Zum anderen wird das federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die eingegangenen Antworten in die Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs einbeziehen.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Update II: Lieferengpässe und Preissteigerungen als Folge des Ukraine-Kriegs

Verlängerung der Stoffpreisgleitklausel: Preisanpassungen sind bei öffentlichen Bauleistungen bis Ende Juni 2023 möglich.

Auf die gestörten Lieferketten und gestiegenen Preise im Baubereich reagierte der Bund bereits im März 2022 mit einem Erlass, welcher unter anderem Stoffpreisgleitklauseln vorsah (zu unserem Beitrag). Eine Stoffpreisgleitklausel ist eine vertragliche Regelung, durch die der Auftragnehmer und der Auftraggeber keinen Festpreis für einen Baustoff oder eine Leistung vereinbaren, sondern lediglich einen fortzuschreibenden Basiswert festlegen. Solche Klauseln dürfen sowohl in laufenden, als auch in anstehenden Vergabeverfahren einbezogen werden.

Ursprünglich waren die Sonderregelungen nur bis zum 30.06.2022 befristet, wurden zwischenzeitlich jedoch bereits bis Ende 2022 verlängert (zu unserem Beitrag). Im Zuge dieser Verlängerung wurden die Regelungen außerdem angepasst. Beispielsweise wurde die Schwelle, ab wann Stoffpreisgleitklauseln vereinbart werden können, abgesenkt. Seit Juli 2022 können sie bereits dann vereinbart werden, wenn der Kostenanteil des betroffenen Stoffes mindestens ein halbes Prozent der geschätzten Gesamtauftragssumme ausmacht. Zuvor lag dieser Wert bei einem Prozent. Außerdem können sie auch nachträglich vereinbart werden.

Da für die Monate August und September 2022 für Teile der betroffenen Produkte ein Trend zur Stabilisierung zu erkennen war, beschloss der Bund, die Sonderregelungen für öffentliche Bauleistungen bis zum 30. Juni 2023 zu verlängern. Ob sich dieser Trend fortsetzt, bleibt somit abzuwarten.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gern zur Verfügung.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde