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Entscheidung des OLG Koblenz sorgt für Unsicherheiten bei Rahmenvereinbarungen

Rahmenvereinbarungen zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmern sind beliebt in der Ausgestaltung öffentlicher Beschaffung. Sie bieten ein hohes Maß an Flexibilität, verlieren nach Auffassung des OLG Koblenz aber automatisch ihre Wirkung, wenn die vom Auftraggeber festgelegte Höchstgrenze überschritten wird.

In dem konkreten Fall ging es um ein EU-weites Vergabeverfahren, in welchem zwar eine Höchstgrenze angegeben war, jedoch nach Ansicht des OLG Koblenz nicht davon ausgegangen wurde, dass bei deren Überschreiten die Rahmenvereinbarung automatisch unwirksam würde. Vielmehr wurde explizit die Berechtigung des Auftraggebers festgeschrieben, die Rahmenvereinbarung bei Ausschöpfung des Gesamtbudgets kündigen zu können.

Das Verfahren kam zum OLG Koblenz, weil ein Bieter von der fehlenden Angabe einer Höchstgrenze ausging und dies nachprüfen lassen wollte. Die Beschwerde hatte Erfolg. Die Formulierung zum Kündigungsrecht des Auftraggebers enthalte zwar eine konkrete Zahl, jedoch sei das notwendiger Weise anzugebende Budget des Auftraggebers nicht transparent aufgestellt worden.

Durch das optionale Kündigungsrecht des Auftraggebers bei Budgetüberschreitung würde deutlich, dass der Auftraggeber nicht davon ausgegangen sei, dass die Leistungspflicht des Auftragnehmers bei Budgetüberschreitung automatisch erlischt.
Dies gerade sei aber der Fall und würde durch die Aufnahme eines Kündigungsrechtes verschleiert, sodass die Formulierungen des Auftraggebers nicht mehr den Anforderungen an die Transparenz entsprechen.

Das OLG knüpft damit an die Rechtsprechung des EuGH aus dem Jahre 2021, dass Rahmenvereinbarungen mit Erreichen ihrer Höchstgrenze ihre Wirkung verlören, an.

Es versteht das „Verlieren der Wirkung“ also als Automatismus des Erlöschens der gesamten Rahmenvereinbarung und nicht als Aufhebung der Bindungswirkung.

Die weiteren Ausführungen zur Entscheidung des EuGH lesen sich jedoch eher so, als wäre die dahinter stehende Motivation der Schutz des Auftragnehmers. Die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung solle bindend sein, damit der Auftraggeber nicht darüber hinaus Leistungen einfordern könne, die in den ursprünglichen Vergabeunterlagen noch nicht einkalkuliert waren. Dies soll also die einseitige Einforderung von Leistungen seitens des Auftraggebers über die vereinbarte Höchstgrenze hinaus verhindern. Eine individuelle Vereinbarung der Parteien über Leistungen darüber hinaus scheint jedoch nicht ausgeschlossen. Solche Vereinbarungen sind durchaus üblich und wurden in der Vergangenheit als dem Wesen einer Rahmenvereinbarung entsprechend und im Rahmen des § 132 GWB als zulässig angesehen. Dass die EuGH Rechtsprechung hieran etwas ändern wollte, ist nicht ersichtlich.

Somit schafft das Urteil des OLG Koblenz zunächst eher mehr Unsicherheiten als Klarheiten bezüglich der Handhabung von Rahmenvereinbarungen.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung könnte es empfehlenswert sein, bei beiderseitiger Einigkeit frühzeitig zu agieren und Abrufe über das ursprüngliche Budget hinaus zu vereinbaren, solange die Höchstgrenze noch nicht erreicht ist, sodass die Rahmenvereinbarung unstreitig noch wirksam ist und die Voraussetzungen des § 132 GWB, insbesondere das Merkmal „während der Vertragslaufzeit“ erfüllt sind.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Update III: Preisgleitklauseln im Bausektor weiterhin geboten

Ein Verlangen von Festpreiskalkulationen unter Ausschluss einer Preisgleitklausel durch den öffentlichen Auftraggeber ist im Bausektor weiterhin schwierig. Es handelt sich zumeist um ein vergaberechtswidriges Aufbürden eines ungewöhnlichen Wagnisses.

Ende 2022 hat die Vergabekammer des Bundes entschieden, dass es auch während des Fortdauerns des Krieges in der Ukraine keinen generellen Anspruch auf eine Preisgleitklausel gäbe.
So hat es auch der öffentliche Auftraggeber in dem nun von der Vergabekammer Niedersachsen überprüften Fall gesehen und einen Auftrag für Dachabdichtungsarbeiten und die folgende Instandhaltung ohne eine Preisgleitklausel ausgeschrieben.
In dem konkreten Fall lag der Auftragnehmer mit seiner Einschätzung der Situation jedoch falsch, weil es sich um eine Ausschreibung im Bausektor handelte: Denn im Gegensatz zu der VgV, auf welche sich die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes bezog, ist es im Bausektor durch die Anwendbarkeit der VOB/A, konkret des § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, verboten, den Bietern ungewöhnliche Wagnisse aufzubürden. Die Bedingungen, ab wann eine Preisgleitklausel einzuplanen ist, sind also geringer; ungewöhnliche Wagnisse aufgrund von Ereignissen, auf die sie keinen Einfluss haben, haben Bieter in der Baubranche gerade nicht hinzunehmen.

Genau ein solches Ereignis sieht die Vergabekammer Lüneburg vorliegend in dem Krieg in der Ukraine. Deutschlandweit kämen viele der benötigten Stoffe im Bausektor aus Russland. Eine Festpreiskalkulation mit diesen Stoffen sei damit sehr davon abhängig, wie sich die Verfügbarkeit und die Liefersituation in Russland entwickelten. Deren Unsicherheit bedeute im Moment ein ungewöhnliches Wagnis für Bieter, welche unter deren Einbeziehung Preise kalkulieren müssten.

Die Argumentation des Auftraggebers, die Preisentwicklung der konkret betroffenen Materialien sei aktuell stabil bzw. mit fallender Tendenz, weshalb es keiner Preisgleitklausel bedürfe, vermöge in diesem Falle nicht zu überzeugen. Diese Schlussfolgerung wäre nur ermessensfehlerfrei, handelte es sich um eine punktuell aufgetretene Krise oder wäre klar ein Abflauen der Situation erkennbar. Der Krieg in der Ukraine sei jedoch kein abgeschlossenes Ereignis, sondern fortlaufend, sodass unvorhergesehene Preisentwicklungen jederzeit möglich seien.

Welche Produkte bei kalkulationsrelevanter Menge tatsächlich ein ungewöhnliches Wagnis gemäß § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A darstellten, könne durch Abwägung unter Heranziehung der behördeninternen Erlasse des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen vom 27.03.2022 und des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung vom 07.03.2022 ermittelt werden.
Die von Erlassseite zunächst angesetzte Wesentlichkeitsschwelle, wieviel Prozent des Auftragswertes die von der Unsicherheit betroffenen Betriebsstoffe ausmachen müssten, liegt bei 0,5 %.

Die Vergabekammer Lüneburg hielt in vorliegendem Fall einen Anteil der Bitumenprodukte in Höhe von 12 % des Auftragswertes für ausreichend, wobei ca. 30% der Bitumenprodukte abhängig von Russland wären. Es bedürfe in diesem Falle der Einführung einer Preisgleitklausel. Allein momentan stabile Preise könnten nicht über die Unsicherheit einer anhaltenden Krisensituation hinweghelfen.
Das Verlangen des Auftraggebers zur Festpreiskalkulation bevorteile zudem solche Wettbewerber, welche kapitalstark genug seien, sich von Preisschwankungen unabhängig zu machen, indem sie Material auf Vorrat kauften. Dies wiederum verstoße gegen die Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber, mittelständische Unternehmen zu fördern, welche sich solches Handeln zumeist nicht leisten könnten (vgl. § 97 Abs. 4 GWB).

Darin sei ein zusätzlicher unzulässiger Eingriff in den Wettbewerb zu sehen.

Auch wenn die vorstehende Entscheidung die Ausschreibungen von Bauleistungen betrifft und in der VOB/A – anders als in VgV und UVgO – noch das Verbot der Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses enthalten ist, kann man die Entscheidung für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen heranziehen. Denn obwohl in diesem Bereich das Verbot des ungewöhnlichen Wagnisses schon vor einigen Jahren entfallen ist, heißt dies nicht, dass es dort nicht mehr gilt: Die Rechtsprechung löst die Thematik dort allerdings über das an Vergabestellen gerichtete Gebot, den Bietern eine „kaufmännisch vernünftige Kalkulation“ zu ermöglichen. Auch dieses Gebot kann im Einzelfall dazu veranlassen, eine (kosten- oder indexbasierte) Preisgleitklausel in die Vergabeunterlagen aufzunehmen.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Konzeptbewertungen müssen genau dokumentiert und vergleichbar sein

Die Einforderung konkreter Konzepte und anschließende Konzeptbewertungen sind ein bewährtes Mittel für Auftraggeber, um Angebote zu vergleichen und den geeignetsten Bieter zu ermitteln. Einige Auftraggeber haben zur besseren Vergleichbarkeit Punktesysteme eingerichtet. Immer wieder kommt es jedoch zu Unstimmigkeiten und Nachprüfungsanträgen gestellt durch Wettbewerber, weil diese der Auffassung sind, die so systematisch erscheinende Entscheidung des Auftraggebers nicht nachvollziehen zu können.

Diesbezüglich hat der BGH die Anforderungen an die Begründungs- und Dokumentationspflicht der Auftraggeber in einem Grundsatzbeschluss im Jahr 2017 bereits etwas konkretisiert: Er urteilte, dass es für die Nachvollziehbarkeit einer Konzeptbewertung grundsätzlich nicht erforderlich wäre, den Bietern die konkreten Erfordernisse für eine Einordnung in den jeweiligen Punktebereich mitzuteilen. Ein konkreter Bezug zu der Punkteskala und die Grenzen zwischen den einzelnen Punkten dürften unerwähnt bleiben.

Es müsse lediglich ersichtlich sein, welche Kriterien in welchem Ausmaß ins Gewicht fielen (BGH X ZB 3/17).

Nach wie vor kommt es jedoch zu Unstimmigkeiten bezüglich der Dokumentation von , Konzeptbewertungen, sodass die Vergabekammer Westfalen im Februar 2023 erneut eine Entscheidung in einer solchen Sache treffen musste: 

Die Vergabekammer betonte in dem bislang noch nicht bestands- bzw. rechtskräftigen Beschluss, dass Konzeptbewertungen besondere Anforderungen an die Dokumentationspflicht des Auftraggebers stellten: Die Dokumentation müsse so gewissenhaft und detailliert sein, dass die Prüfung jeden Kriteriums bei jedem Wettbewerber nachvollziehbar wäre und offensichtlich werde, in welchem Aspekt derjenige, der den Zuschlag bekommen solle, mehr punkten konnte als alle anderen.

Konkret ging es in dem Fall um eine städtische Ausschreibung für Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen für Flüchtlinge. Die Vergabeunterlagen enthielten eine Bewertungsmatrix mit Prozentangaben zur Gewichtung der einzelnen Kategorien; die Bieter waren aufgefordert, ein Konzept zur Betreuung und Beratung vorzulegen. Die tabellarische Konzeptbewertung und die angegebenen Gründe, warum die Stadt sich gegen das Angebot der späteren Antragstellerin entschieden hatte, waren dieser und auch der Vergabekammer nicht nachvollziehbar genug dargelegt.

Die Vergabekammer Westfalen konkretisierte die bisherige Rechtsprechung daraufhin dahingehend, dass die einfache Angabe von Allgemeinplätzen und die Definition eines Wertungsmaßstabes für die volle Punktzahl so wohl nicht ausreichen dürften. Die einzelnen Punktestufen müssten zwar, orientiert an dem BGH, nicht explizit definiert werden, die Entscheidung müsse aber dennoch durch weitere Konkretisierungen nachvollziehbarer gemacht werden. Es müsste klar erkennbar sein, welche Aspekte zur Ab- bzw. Aufwertung eines Angebots führten und inwiefern diese bei anderen Mitbewerbern erfüllt wären. 

Praxistipp: Gerade bei der Konzeptbewertung ist es wichtig, dass der öffentliche Auftraggeber nicht nur Punkte vergibt, sondern die Punktevergabe in der Dokumentation auch verbal (kurz) begründet. Anderenfalls kann bei einer Prüfung des Vergabeverfahrens nicht nachvollzogen werden, warum der Auftraggeber dem einen Bieter x Punkte und dem anderen Bieter y Punkte gegeben hat. Es kann dann nicht überprüft werden, ob der Auftraggeber von einer zutreffenden Sachlage ausgegangen ist und sich allein von sachlichen Erwägungen anhand seiner vorab bekannt gegebenen Bewertungsmatrix hat leiten lassen. 

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Derzeit in aller Munde: Die freiwillige ex ante-Bekanntmachung

Was verbirgt sich dahinter? Wie ist die Systematik? Was bringt sie?

Grundsätzlich bedarf die Vergabe eines öffentlichen Auftrages eines förmlichen Vergabeverfahrens mit der theoretischen Beteiligungsmöglichkeit jedes Unternehmens.


Ist jedoch aufgrund von Alleinstellungsmerkmalen rein faktisch nur ein Unternehmen qualifiziert, die gewünschte bzw. benötigte Leistung zu erbringen, kann ausnahmsweise auf den Teilnahmewettbewerb verzichtet und der Zuschlag direkt erteilt werden.

In diesem Verfahren kommt die freiwillige ex-ante Bekanntmachung ins Spiel.

Was verbirgt sich dahinter?

Die grundsätzliche Möglichkeit des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb ist geregelt in § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV. Hier werden technische Gründe gefordert, die die Gruppe möglicher Bieter auf genau einen reduzieren, dessen Leistungsmöglichkeiten alleinig den Anforderungen der Auftragsausführung entspricht.
§ 14 Abs. 6 VgV konkretisiert die Anforderungen an diese Wettbewerbseinschränkung, indem er eine künstliche Einschränkung der Auftragsvergabeparameter verbietet. Es dürfe tatsächlich keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung zu genau den Leistungen des einen Unternehmens, welchem der Auftrag erteilt werden soll, geben.
Dafür ist es wichtig, genauestens zu dokumentieren:

  • auf welche technischen Alleinstellungsmerkmale es für den Auftraggeber konkret ankommt
  • warum diese entscheidend sind
  • dass eine Markterkundung durchgeführt wurde, welche ergeben hat, dass EU-weit keine Leistungsmöglichkeit eines anderen Unternehmens die Merkmale erfüllt und es hierzu auch keine sinnvolle Alternative gibt
  • dass der Auftraggeber die Anforderungen nicht bewusst, mit dem Ziel der Wettbewerbseinschränkung so eng formuliert hat. 

Was ist die Systematik?

Wenn dies alles geschehen ist und eine vertretbare Begründung vorliegt, kann dann der Auftraggeber seinen Verzicht auf ein Verfahren mit Bekanntmachung (einen Wettbewerb), durch die sogenannte freiwillige ex ante-Transparenzbekanntmachung absichern.

Diese ist geregelt in § 135 Abs. 3 GWB, wobei dieser im Zusammenhang mit § 135 Abs. 1 GWB zu lesen ist. Dieser erklärt Aufträge, welche ohne vorherige Bekanntmachung vergeben wurden, grundsätzlich für unwirksam, wenn der Verstoß gegen die Bekanntmachungspflicht, ohne dass dies aufgrund eines Gesetzes gestattet wäre, im Nachprüfungsverfahren festgestellt wurde.
§ 135 Abs. 3 GWB regelt eine Ausnahme, wann keine Unwirksamkeit zu befürchten ist.
Die dort gelisteten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
So muss der Auftraggeber

  • von der Zulässigkeit der Vergabe ohne Bekanntmachung überzeugt sein,
  • seine Absicht einen Vertrag zu schließen dennoch bekannt gemacht haben und
  • den Vertrag nicht vor Ablauf einer Frist von 10 Tagen nach dieser Bekanntmachung geschlossen haben.

Eine entsprechende Bekanntmachung muss den Namen und die Kontaktdaten des Auftraggebers, die Beschreibung des Vertragsgegenstandes, die Begründung der Entscheidung des Auftraggebers, den Auftrag ohne vorherige Bekanntmachung zu vergeben, und den Namen und die Kontaktdaten des Unternehmens, das den Zuschlag erhalten soll, umfassen.

Das Formular für eine entsprechende Bekanntmachung finden Sie hier.

Was bringt sie?

Die Idee hinter der Regelung ist, öffentlichen Auftraggebern die Option einer möglichst schnellen und unkomplizierten, rechtssicheren Direktvergabe zu geben, wenn sie der Überzeugung sind, es gäbe sowieso nur einen passenden Kandidaten, welcher die Leistungen erbringen könnte.
Die ex ante-Bekanntmachung bietet damit eine Beschleunigungsmöglichkeit, dass ein Vertrag bereits nach Ablauf von 10 Kalendertagen rechtswirksam geschlossen werden kann.
Sie heilt aber kein rechtswidriges Vorgehen, wie das bloße Vorschieben der Ausnahmegründe. Die Gefahr, dass ein Wettbewerber des beauftragten Unternehmens die Vergabekammer anruft, mit dem Ziel, dass der Vertrag für unwirksam erklärt wird (und Sie ihn dann rückabwickeln müssen und ggfs. auch schadensersatzpflichtig gegenüber dem rechtswidrig „einfach so“ beauftragten Unternehmen sind), bleibt bestehen.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Angebote verbundener Unternehmer

Mehrere Angebote verbundener Unternehmen, welche in demselben Vergabeverfahren abgegeben werden, stellen eine Gefahr für den Wettbewerb dar. Sie sind deshalb nur zulässig, wenn sie komplett eigenständig und unabhängig voneinander erstellt wurden.

In dem aktuellen Fall, welcher im Januar 2023 vom Bayrischen Obersten Landesgericht entschieden wurde, ging es um zwei verbundene Unternehmen, welche jeweils ein Angebot im offenen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Busverkehrsdienstleistungen abgaben.
Besonders problematisch war hier, dass die beiden Angebote von einer Person gefertigt worden waren. Die betroffene Person war Kaufmann, welcher unter einer im Handelsregister eingetragenen Firma auftrat, zeitgleich aber auch als Geschäftsführer und Alleingesellschafter des zweiten Unternehmens – einer GmbH – fungierte.
Die Vergabestelle schloss beide Angebote wegen Verstoßes gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs und wegen Wettbewerbsverfälschung vom Vergabeverfahren aus, und zu Recht, wie das Bayrische Oberste Landesgericht auf den Nachprüfungsantrag der ausgeschlossenen Bieter entschied.

Die Antragsteller argumentierten für ihre Position, dass die beiden Angebote aufgrund der wirtschaftlichen Einheit der Unternehmen, wie zwei Angebote ein und desselben Bieters, also wie zwei Hauptangebote, zu behandeln und deshalb vergaberechtskonform seien. Mit dieser Rechtsansicht stimmte das Bayrische Oberste Landesgericht jedoch nicht überein.
 Die Annahme, dass ein Bieter in einem Verfahren grundsätzlich mehrere Hauptangebote abgeben dürfe, träfe so nicht zu. Dies wäre bislang nur ausnahmsweise in solchen Fällen als zulässig angesehen worden, in welchen der Auftraggeber durch die Gestaltung der Vergabeunterlagen inhaltlich verschiedene Hauptangebote veranlasst bzw. erst möglich gemacht habe.
 Grundsätzlich dürfe ein Bieter jedoch immer nur ein Hauptangebot abgeben und zwei Bieter, die eine wirtschaftliche Einheit bildeten, müssten sich an diesem Grundsatz messen lassen. Die Abgabe jedes Angebotes müsse unabhängig von allen anderen Angeboten ohne vorherige Abstimmung oder Kenntnis des Inhalts konkurrierender Angebote erfolgen.

Bei Angeboten verbundener Unternehmen greife deshalb der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB ein. Dieser gebiete, dass abgestimmte Angebote zum Schutze des Geheimwettbewerbs vom Verfahren ausgeschlossen würden.
Allein durch die Abstimmung der Angebote miteinander verbundener Bieter hätten diese möglicherweise ungerechtfertigte Vorteile gegenüber den anderen Wettbewerbern. Eines „spezifischen Unrechtselementes“ bedürfe es darüber hinaus nicht.

Wenn verbundene Bieter jeweils ein wirksames Angebot abgeben wollten, müssten diese Angebote wie die aller anderen Bieter eigenständig und unabhängig sein. Dies zu prüfen sei die Vergabestelle verpflichtet und nur dann könnten die Angebote im Wettbewerb verbleiben.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Nachträglicher Verzicht auf die Nachforderung von Erklärungen der Bieter möglich

Ein öffentlicher Auftraggeber darf nach Veröffentlichung der Vergabeunterlagen nachträglich festlegen, dass die Bieter keine zweite Chance erhalten, ihr Angebot zu vervollständigen.

In dem im Januar 2023 von der Berliner Vergabekammer entschiedenen Fall ging es um die Vergabe von Landschaftsbauarbeiten. 

Der Nachprüfungsantrag eines Bieters, dessen Angebot aufgrund fehlender Unterlagen vom Verfahren ausgeschlossen worden war, wurde zurückgewiesen.

Der Beschluss stützt sich auf den gesetzlich festgeschriebenen Grundsatz, der es öffentlichen Auftraggebern per se erlaubt, eine Vergabeentscheidung zu treffen, ohne fehlende Unterlagen nachgefordert zu haben. Es steht öffentlichen Auftraggebern frei, keinen Gebrauch von der Nachforderungsmöglichkeit zu machen (§ 16 a Abs. 3 VOB/A). 

Einen solchen Verzicht auf das Nachforderungsrecht kann ein öffentlicher Auftraggeber auch noch nachträglich, d. h. nach Veröffentlichung, in den Vergabeunterlagen festlegen. 

Die Berliner Vergabekammer bestätigt dies noch einmal sehr deutlich in ihrem Beschluss:

Es sei für Bieter im Allgemeinen erkennbar, dass das Fehlen von Unterlagen zum Ausschluss eines Angebotes führe. Der Auftraggeber sei nicht verpflichtet, auf diesen Umstand explizit hinzuweisen. Gerade weil dies für jeden, der sich im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe bewege, eine ganz logische Schlussfolgerung sei, sei es dem Auftraggeber auch erlaubt, einen Ausschluss der Nachforderung nachträglich in die Vergabeunterlagen einzuführen. Diese Änderung der Vergabeunterlagen müsse, wenn zuvor eine Nachforderung explizit angekündigt worden war, lediglich erkennbar und transparent geschehen. Abzustellen sei dabei auf einen sorgfältig handelnden Bieter, der mit den wichtigsten Regeln des Vergaberechts vertraut sei. 

Bietern kann nur empfohlen werden, auf die Vollständigkeit ihrer Angebote großes Augenmerk zu legen, dabei auch die Mindestanforderungen des Auftraggebers zu beachten, und sich nicht auf eine zweite Chance zur Vervollständigung des Angebots zu verlassen. 

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Recycling-Baustoffe auf dem Vormarsch

Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen mit Lieferengpässen und Preissteigerungen basierend auf weltweiten Folgen der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine, werden preiswerte und vor allem verfügbare Lösungen in allen Wirtschaftsbereichen gesucht.

Im Baubereich könnte eine dieser Lösungen der verstärkte Einsatz von Recycling-Baustoffen sein. Dies hat auch die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion erkannt und einen entsprechenden Antrag zur Stärkung des Einsatzes von Recycling-Baustoffen in den Bundestag eingebracht.
Sie weist darauf hin, dass momentan ein hoher Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bestände. Hier bedürfe es einer kurzfristigen, nicht zu teuren, aber gleichzeitig nachhaltigen Lösung.

Denn die Baubranche könne nicht nur mehr produzieren ohne nach links und rechts zu schauen. Als Verantwortliche für 60% des Ressourcenverbrauches und 50% des Abfallaufkommens weltweit sei sie eine Schlüsselbranche zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele.

Ein reines Aufstocken der Bautätigkeit scheitere gerade aufgrund dieser Schlüsselrolle auch an preislichen Überlegungen. Die Einhaltung immer strengerer Umweltauflagen sei teuer und bedürfe häufig eines hohen Ressourcenaufwandes, durch welchen trotz des Zieles Gebäude energieeffizienter zu machen, zunächst enorm viel CO² freigesetzt würde.
Gerade hier sieht die CDU/CSU Fraktion aber großes Potenzial. Der enorme Ausstoß von Treibhausgasen, welcher insbesondere bei dem Neubau eines Gebäudes entstünde, könne durch die Schonung von Primärrohstoffen reduziert werden.

Die von der Fraktion angedachte Richtung wird für die öffentliche Hand bereits durch § 45 Abs. 2 KrWG vorgegeben, welcher dazu verpflichtet, unter anderem bei Bauvorhaben, rohstoffschonende, energiesparende, abfallarme Produkte zu bevorzugen und Recyclingfähigkeit und Umweltfreundlichkeit in den Fokus zu setzen.

Sekundärrohstoffe haben jedoch bislang häufig noch den Ruf qualitativ minderwertig und auch nur begrenzt und mit viel vorheriger Anpassung einsetzbar zu sein.
Um die Nutzung von Recycling-Baustoffen zu fördern bittet die Fraktion in ihrem Antrag deshalb darum, mineralische Abfälle rechtlich nicht mehr als Abfälle zu klassifizieren, sondern den Primärbaustoffen gleich zu stellen.

Rechtsunsichere Grenzwerte für Recyclingstoffe sollten zu rechtssicheren Grenzen werden und Genehmigungsverfahren für Flächen zur Materialaufbereitung vereinfacht.
Das Vergaberecht solle insgesamt so modifiziert werden, dass Primär- und Sekundärrohstoffe bei der Erfüllung der erforderlichen bautechnischen und umweltrechtlichen Anforderungen explizit gleichbehandelt würden.
Dies klingt nach einer vielversprechenden Initiative, die Nutzung von Recycling-Baustoffen attraktiver zu gestalten und möglichst klimaschonend neuen Wohnraum zu schaffen. Es verbleibt abzuwarten, inwieweit die Umsetzung gelingen wird.

Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.

Autor:  Prof. Dr. Angela Dageförde

Update: Deutsches Modell der Auftragswertberechnung soll angepasst werden

In dem seit 2019 laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, die Auftragswertberechnung von Planungsleistungen betreffend, scheint die Bundesregierung jetzt nachzugeben.

Bislang gilt in Deutschland eine Sonderregelung, die es bei Vergabeverfahren im Planungssektor ermöglicht, den Gesamtauftragswert niedrig zu halten, indem nur der Wert gleichartiger Leistungen zusammen zu rechnen ist. Damit können mehr Aufträge unter dem Schwellenwert gehalten werden, ab welchem eine europarechtliche Ausschreibung von Aufträgen notwendig ist.
Erst Ende letzten Jahres riefen die Kommunalen Spitzenverbände und Verbände der planenden Berufe dazu auf, trotz des diesbezüglich eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission an dieser Regelung festzuhalten. Sie wiesen darin auf die enormen Vorteile der deutschen Regelung hin und vertraten die Ansicht, dass ein Verfahren vor dem EuGH keineswegs zwangsläufig gegen die deutsche Sonderregelung entschieden werden müsse (wir berichteten).

Nichtsdestotrotz scheint die Bundesregierung es nicht auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lassen zu wollen.

Dies klingt an in dem Referentenentwurf einer Verordnung zur Anpassung des deutschen Vergaberechts an neue europäische Regelungen. Dort heißt es unter anderem, dass § 3 Abs. 7 S. 2 VgV, welcher eben genau die viel diskutierte deutsche Sonderregelung ist, aufgehoben werden solle (Art. 1 Nr. 2 des Verordnungsentwurfes). Aus der Begründung wird deutlich, dass die Bundesregierung auch nicht anderweitig an der Sonderregelung festhalten möchte. Vielmehr solle zukünftig eine Zusammenrechnung der Los-Werte schon erfolgen, wenn in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität der Lose zu erkennen sei. Dass in allen anderen Fällen noch immer eine Wertberechnung nach Einzellosen erfolgen soll, vermag dabei kaum ins Gewicht zu fallen.
So äußerten sich auch der Verband Beratender Ingenieure und die Kammern und Verbände der planenden Berufe sowie des Bundesverbandes der freien Berufe und forderten die Bundesregierung auf, den Referentenentwurf so nicht in die Praxis umzusetzen.
Dass sie hiermit Erfolg haben und die Bundesregierung ihre Meinung trotz laufendem Vertragsverletzungsverfahren bis zum geplanten Inkrafttreten der Verordnung selbst am 25. Oktober 2023 noch ändert, erscheint jedoch unwahrscheinlich.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Kein Anspruch auf Preisgleitklausel!

Auftragnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Preisgleitklausel. Eine solche ist nur ausnahmsweise zuzugestehen, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der eine vernünftige kaufmännische Kalkulation zu einem Festpreis unzumutbar erscheinen lässt.

In dem von der Vergabekammer des Bundes entschiedenen Fall ging es konkret um die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Klebebändern. Die einen Nachprüfungsantrag stellende Bieterin rügte das Fehlen einer Preisgleitklausel als vergaberechtswidrig. In Anbetracht der aktuellen unsicheren gesamtwirtschaftlichen Situation in Europa, insbesondere im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine, sei es nicht rechtmäßig, eine Festpreiskalkulation von ihr zu erwarten.
Das Gericht folgte dieser Ansicht jedoch nicht. Die (welt-)wirtschaftlichen Entwicklungen seien nicht unvorhersehbar. Natürlich könne es sein, dass die Kosten der Antragstellerin zum Zeitpunkt der potentiellen Auftragsdurchführung höher seien, als zur Angebotsabgabe. Jedem Bieter stände es jedoch frei, diese Preissteigerung gleich in sein Angebot mit einzukalkulieren. Hierin sei keine Benachteiligung gegenüber anderen Bietern zu sehen. Vielmehr handele es sich um die unternehmerische Freiheit eines jeden einzelnen, ob er riskiere, einen Auftrag zu relativ niedrigen Festpreisen anzubieten, der schließlich aufgrund wirtschaftlicher Entwicklungen für ihn teurer werden könnte. Alternativ bestände für jeden die Möglichkeit, gleich ein höherpreisiges Angebot abzugeben, auch wenn damit das Risiko eingegangen würde, den Zuschlag als vermeintlich teurerer Bieter dann nicht zu bekommen.
Hier verweist die Vergabekammer darauf, dass es den Auftraggebern sogar erlaubt sei, den Bietern ein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden. Keine Preisgleitklausel anzubieten, sei damit absolut zulässig, zumal die Situation bei allen Bietern gleich wäre und die Angebotsbedingungen aus vergaberechtlicher Sicht damit vergleichbar blieben.

Anspruch auf Preisgleitklausel im Bausektor

Anderes gilt hingegen nach wie vor im Baubereich. Hier gilt bis voraussichtlich Ende Juni 2023 eine als Sonderregelung ausgestaltete Pflicht zur Gewährung von Preisanpassungen. In diesem Sektor wurden die Folgen des Ukrainekrieges, Störungen in Lieferketten und Preissteigerungen als derart stark eingestuft, dass durch die einheitliche Einführung von Preisgleitklauseln zumindest ein einheitlicher Umgang damit gewährleistet werden soll (wir berichteten).

Losentscheidung bei Preisgleichheit

Die unabhängig von der Preisgleitklauselthematik in demselben Verfahren außerdem zur Nachprüfung gestellte Praxis des Auftraggebers bei Preisgleichheit mittels Los zu entscheiden, wird ebenfalls für rechtmäßig gehalten. Abgesehen davon, dass die Situation aufgrund der so diversen Faktoren und Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses, die zur Preisbildung führten, recht selten vorkommen sollte, sei dies zulässig. Wenn als Zuschlagskriterium vergaberechtskonform allein der Preis festgelegt worden wäre, könne bei Preisgleichstand nicht erwartet werden, weitere Zuschlagskriterien einzuführen. In diesem Falle gewährleiste eine Entscheidung per Losentscheid größtmögliche Objektivität und Diskriminierungsfreiheit.

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Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Nächster Schritt zur Erreichung der EU-Klimaziele: Der Green-Deal-Industrieplan

Drei Jahre nach der Verkündung des Green-Deals hat die Europäische Kommission nun den Green-Deal-Industrieplan präsentiert.

Hiermit führt die EU nicht nur konsequent ihren Klimafahrplan weiter, sondern reagiert auch auf den Inflation Reduction Act (IRA) der US-Regierung, welcher die US-Wirtschaft CO2-reduzierter machen soll. Mit dem Green-Deal-Industrieplan schafft nun auch die EU eine konkretere Grundlage dafür, dass die EU gerade als Standort für klimaneutral produzierende Unternehmen attraktiv bleibt.
Neben der Sammlung bereits bestehender Initiativen wird die Einführung eines Netto-Null-Industriegesetzes angekündigt. Dieses soll die Herstellung von Produkten, welche zur Erreichung der EU Klimaziele bis 2030 positiv beitragen, bedeutend vereinfachen.

Grundsätzlich sind dabei vier Punkte in den Fokus gestellt: 

  1. Ein vorhersehbares rechtliches Umfeld. 
  2. Die Förderung von Investitionen für einen schnelleren Zugriff auf Finanzmittel.
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  3. Die Qualifizierung von Arbeitskräften.
  4. Eine widerstandsfähige Lieferkette für einen offenen Handel.

Konkret bedeutet dies kurze Genehmigungsverfahren und die Schaffung sogenannter „One-Stop-Shops“. Diese sollen zentrale Anlaufstelle und einziger Gesprächspartner für das gesamte nationale Genehmigungsverfahren sein.
Für öffentliche Vergabeverfahren folgt daraus, dass die Vorgaben für Vergabeverfahren europaweit noch einheitlicher werden und weniger bürokratische Hürden bei internationaler Beteiligung auftauchen sollten.

Als besonders wichtig für die Erreichung einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen Binnenwirtschaft wird nunmehr die Förderung von Kreislaufwirtschaft angesehen.
Hieran wird sich auch das öffentliche Beschaffungswesen orientieren müssen und mit einer nachhaltigeren Ausrichtung gleichzeitig einen signifikanten Beitrag leisten können.
Von öffentlichen Ausschreibungen wird in Zukunft erwartet werden, ehrgeizige Anforderungen an die Nachhaltigkeit zu setzen. Unter dem Gesichtspunkt der Kreislaufwirtschaft sollte dies im besten Falle gleichzeitig Anreize schaffen, Recyclingrohstoffe zu verwenden.
Diese Ambitionen korrelieren mit der zur aktuellen Einführung der eForms formulierten Zielsetzung, bei Ausschreibungen mehr pflichtige Daten zu verlangen. Hier sind Umwelt- und Klimafreundlichkeit sowie soziale und innovative Aspekte der Projektdurchführung schon länger im Fokus der Diskussion.
So sollen insbesondere kritische Rohstoffe geschont und Bieter animiert werden, sich aktiv mit Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit zu beschäftigen.
Langfristig führt eine solche Ausschreibungsausrichtung zudem zur Förderung des ebenfalls im Green-Deal-Industrieplan formulierten Zieles, die EU unabhängig von der Lieferung kritischer Rohstoffe aus Drittstaaten zu machen.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde